Coburg:Luther für alle

Viele Schauen zum Reformationsjubiläum besuchen weniger Leute als erwartet, doch die Landesausstellung ist schon jetzt ein Erfolg. Vielleicht weil die Macher einen breiteren Zugang zum Thema wählten

Von Hans Kratzer, Coburg

Während das Lutherjahr 2017 vielerorts in Deutschland schleppend verläuft, herrscht in Coburg Zufriedenheit. Die auf der Veste und in der Kirche St. Moriz präsentierte Landesausstellung "Ritter, Bauern, Lutheraner" erweist sich wie schon die vorherigen Landesausstellungen als Publikumsmagnet. "Vor der Halbzeit der Ausstellung zählen wir bereits 55 000 Besuche auf der Veste und 35 000 in der Kirche St. Moriz", sagt Projektleiter Peter Wolf. Dem stellvertretenden Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte bereiten diese Zahlen sichtlich Freude. "Das übertrifft unsere Erwartungen."

Viele andere Luther-Ausstellungen finden bei Weitem weniger Zuspruch, die Veranstalter sind enttäuscht. "Luther - kein Sommermärchen", titelte dementsprechend die Frankfurter Rundschau. Auch bei der "Weltausstellung Reformation", die sich durch die Lutherstadt Wittenberg zieht, blieben die Besucherzahlen weit hinter den Erwartungen zurück. Zur Eröffnung rechnete man mit 500 000 zahlenden Besuchern. Ende Juni waren aber erst 40 000 Einzelkarten verkauft. Jetzt aber liege man mit den Zahlen im Plan, sagt Ulrich Schneider, der Geschäftsführer des veranstaltenden Vereins.

Das Haus der Bayerischen Geschichte hat sich bei der Konzeption der Coburger Ausstellung dem Thema Luther nicht monothematisch genähert, sondern einen breiten Zugang gesucht. Dem Publikum wird ein spannendes Panorama der Zeit an einem Originalschauplatz geboten. Die Schau greift über Luther und die Reformation weit hinaus. Dieses Erfolgsrezept ist in den vergangenen Jahren immer aufgegangen. "Viele Gäste melden uns, dass sie die Kombination von breit gefächertem Zeitpanorama und originalem Schauplatz als spannend empfinden", sagt Wolf.

Auch der Coburger Tourismus-Leiter Michael Amthor strahlt vor Zufriedenheit. "Wir können über den Verlauf der Landesausstellung nicht klagen", sagt er. "Die Gastronomie boomt, die Einzelhändler sind hochzufrieden. Es sind spürbar mehr Menschen in der Stadt als üblich." Es sei schon etwas besonderes, so eine Ausstellung am authentischen Ort zu erleben. "Luther war ja in Coburg, hier gibt es einen echten Bezug zum Thema", sagt Amthor. Dass die angepeilten 100 000 Besucher erreicht werden, das bezweifelt er nicht im Geringsten.

Tatsächlich zählt Coburg zu den zentralen Reformationsorten in Bayern. Zu Luthers Zeiten gehörte die Stadt zum Kurfürstentum Sachsen. Bis 1918 residierten hier die Herzöge von Sachsen-Coburg. Erst am 1. Juli 1920 wurde die Stadt in den Freistaat Bayern eingegliedert. Luther hielt sich 1530 während des Reichstags in Augsburg auf der Veste Coburg auf. Wegen seiner Ächtung durfte er nicht nach Augsburg reisen. Er korrespondierte lebhaft und empfing bedeutende Besucher. Mehrmals predigte er in der Morizkirche. Während seines Aufenthalts in Coburg verfasste Luther 16 wichtige Bekenntnis- und Streitschriften. Sein sechsmonatiger Aufenthalt auf der Veste ist bis heute ein wichtiger Bestandteil deutscher Erinnerungskultur.

Obwohl mit Coburg, Augsburg, Nürnberg, Ingolstadt und Würzburg einige der wichtigsten Schauplätze der Reformation in Bayern liegen, spielt der Freistaat im Lutherjahr 2017 nur eine nachgeordnete Rolle. Die vier nationalen Sonderausstellungen zum 500. Reformationsjubiläum konzentrieren sich allesamt auf Mitteldeutschland. Dass Bayern in dem Konzept nicht vorgesehen war, hat nicht nur den bayerischen Kultusminister irritiert. "Gerade weil mehrere bayerische Orte genuiner Teil der Reformationsgeschichte sind", wie Ludwig Spaenle es ausgedrückt hat.

Die Darstellung der damaligen Zeitenwende gelingt der Coburger Schau auf überzeugende Weise. Gerade die Verknüpfung von Ausstellung und historischen Originalschauplätzen geht bestens auf. Auf diese Weise bietet die Ausstellung einen tiefen Einblick in die Welt vor 500 Jahren, die durch große gesellschaftliche und technische Veränderungen geprägt war. Buchdruck, Flugschriften und Kampflieder brachten neue Ideen unter die Leute, jahrhundertealte Gewissheiten gerieten ins Wanken. Der Besucher wird unmittelbar mit dem prallen Leben auf dem Land, in der Stadt, in den Klöstern und in den Ritterburgen konfrontiert. Die Angst vor dem Tod, der Ablasshandel, Hexenverbrennungen - auch aus solchen Themen ist die Landesausstellung gestrickt. Sie geht aber auch der Frage nach, was die Reformation bewirkt hat. So wird die Zeit der Reformation in Bayerns Beitrag zum international gefeierten Reformationsjubiläum oftmals lebendiger dargestellt als in Ausstellungen, die sehr an der Person Luther haften.

"Vielleicht hat dieser Mann unserer Gegenwart tatsächlich nichts mehr mitzuteilen", hat der Spiegel kürzlich räsoniert. Seine Sorge um das Seelenheil sei noch tief in mittelalterlichen Vorstellungen verwurzelt, sein Kampf gegen die Macht der katholischen Kirche nur noch schwer verständlich. Mit dem Wohlfühlglauben des Kirchentagsprotestantismus habe das nichts zu tun. Und mit den Fragen, vor denen die Christenheit in einem säkularisierten Westen steht, auch nicht.

Ob so oder so, die Feierlichkeiten des Reformationsjahres enden am 31. Oktober, dem Tag, an dem Luther vor 500 Jahren seine Thesen in die Welt setzte. An den Erfolg der Landesausstellung "Bier in Bayern" in Aldersbach dürfte Coburg aber nicht herankommen. Mit mehr als 230 000 Besuchern war die Bier-Schau die erfolgreichste Landesaustellung der vergangenen Jahre.

Bayerische Landesaustellung 2017 "Ritter, Bauern, Lutheraner", Veste Coburg und Kirche St. Moriz, bis 5. November, täglich 9-18 Uhr, Tel. 0821-3295-0.

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