Prozess in Coburg:Heimliche Sexvideos und Missbrauchsbilder: Polizist verurteilt

Lesezeit: 3 min

Der Angeklagte vor Prozessbeginn im Gerichtssaal. (Foto: dpa)

Ein 26-Jähriger steht vor Gericht, weil er Aufnahmen von Kolleginnen und Bekannten fertigte - ohne deren Wissen. Alles flog auf, als Ermittler bei ihm nach anderen Dingen suchten. Und doppelt fündig wurden.

Von Olaf Przybilla

Wenn Kriminalbeamte bei großflächigen Ermittlungen auf einen Kollegen aus den eigenen Reihen stoßen, so erregt das stets größere Aufmerksamkeit. Im Fall eines 26 Jahre alten Polizeibeamten aus Oberfranken fanden die Fahnder anschließend noch etwas anderes, etwas, nach dem sie anfangs gar nicht gesucht hatten. Die in Bamberg beheimateten Internet-Fahnder von der Zentralstelle Cybercrime wollten einen Kollegen dingfest machen, der offenbar kinderpornografisches Material gesammelt hatte.

Auf seinem Handy stießen sie dann aber auf ein weiteres heikles Detail, dessentwegen sich der 26-Jährige am Dienstag zudem wegen "des Verdachts der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" vor Gericht in Coburg verantworten muss. Der Beamte filmte Bekannte und offenbar auch eine Kollegin von ihm in sehr privaten Situationen. Meist leicht bekleidet oder nackt - ohne den Gefilmten etwas davon zu sagen.

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Der Polizist sitzt mit getönter Brille betont aufrecht hinter einer Plexiglasscheibe, den Blick geradeaus gerichtet wie einer, der gelernt hat, sich zu beherrschen. Aber noch ehe die Verhandlung am Amtsgericht Lichtenfels - die pandemiebedingt in einen größeren Saal nach Coburg verlegt worden ist - richtig beginnen kann, stellt der Verteidiger des Beamten bereits einen Antrag, die Öffentlichkeit auszuschließen. Und zwar noch vor dem Verlesen der Anklage. Diese schildere aus Ansicht des Anwalts Vorgänge aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich des Angeklagten, davor müsse der 26-Jährige geschützt werden.

Oberstaatsanwalt Christian Schorr sieht das etwas anders: Ob es in der Anklage nicht vielmehr um den höchstpersönlichen Lebensbereich der Geschädigten gehe? Nach kurzer Beratung stimmt der Richter am Schöffengericht dem Antrag der Verteidigung nur in Teilen zu, allerdings in wesentlichen. Tatsächlich wird die Öffentlichkeit nicht nur ausgeschlossen, wenn sich Zeuginnen äußern - sondern auch, wenn der Angeklagte selbst zur Sache spricht; und sogar bei den Plädoyers und der letzten Einlassung des Angeklagten. Was einen Polizisten dazu veranlasst haben mag, weibliche Bekannte, gar Kolleginnen mit versteckter Kamera zu filmen und damit seine Karriere aufs Spiel zu setzten - muss also weithin im Verborgenen bleiben.

Laut Staatsanwalt Schorr soll der Beamte dies immer wieder so getan haben. Laut Anklage hielt er etwa seine Handykamera in der Therme in Bad Staffelstein über den Sichtschutz der Umkleidekabine, um eine Bekannte beim Abtrocknen und Umziehen zu filmen. Auch habe er eine Intimpartnerin beim Sex mit ihm gefilmt, habe Bilder von einer Arbeitskollegin im geschützten Raum eines oberbayerischen Klosters beier einer Schulung gemacht, sie stand unbekleidet in der Dusche. Eine Bekannte habe er in seinem Elternhaus im Bild festgehalten, beim Wechseln der Bikinihose. Einmal soll er solche Bilder sogar geteilt haben mit einem Arbeitskollegen, dem er eine Datei mit entsprechendem Material übergeben hat.

Insgesamt waren vier Frauen und eine Minderjährige von seinen Geheimaufnahmen betroffen. Aus Ermittlerkreisen ist zudem zu hören, dass gar nicht alle Fälle angeklagt werden konnten. Manche nämlich waren bereits verjährt, die Fahnder kamen dem Kollegen eben quasi nur als Nebenprodukt einer anderen Ermittlung auf die Schliche. Darunter war am Ende auch ein Fall, dessen Spur direkt auf das Areal der Bereitschaftspolizei nach Würzburg führen soll. Wie die Kolleginnen darauf reagiert haben, mag man sich ausmalen.

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Wenig weiß man am Ende darüber, warum da einer seine Laufbahn bei der Polizei riskiert. Eines aber wird auch aus dem wenigen klar: dass da jemand wohl wenige mildernde Umstände anmelden kann. Der 26-Jährige ist in einem gut behüteten Elternhaus in ländlicher Umgebung in Franken aufgewachsen, hat eine konfliktfrei Kindheit und eine gute Erziehung genossen, hat nur zugunsten seines Freundeskreises darauf verzichtet, nach der Grundschule ans Gymnasium überzutreten und die Mittlere Reife mit einer Eins vorm Komma abgeschlossen. Danach: Fachabitur, Ausbildung bei der Polizei, Abschluss, keine Probleme, feste Freundin, alles top.

Alles top? Als er aufgeflogen ist, musste der 26-Jährige für zwei Monate in Untersuchungshaft. Wegen der angeklagten Delikte - Besitz von kinderpornografischem Material und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs - wäre das eher ungewöhnlich. Aus Ermittlerkreisen heißt es, der Beamte habe bei seiner Vernehmung durch die Kollegen den Versuch unternommen zu flüchten. Daher gleich die U-Haft. Offenbar reagierte da einer einigermaßen panisch, als abzusehen war, dass die eigene Laufbahn nun zu Ende sein könnte.

Vorläufig war der 26-Jährige noch im Dienst, aber suspendiert. "80 Prozent" seines Nettogehalts werde ihm noch überwiesen, schildert der Beamte tonlos, und konkretisiert das mit einer stattlichen Zahl.

Am Dienstag ist seine Karriere dann aber tatsächlich zu Ende. Der Polizist wird - nach vollumfänglichen Geständnis - in allen Punkten schuldig gesprochen und zu einer Gesamtbewährungsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Die Öffentlichkeit müsse davon ausgehen dürfen, dass sich ein Polizist "rechtskonform verhält", sagt der Richter. Was der 26-Jährige getan habe, sei nicht tolerabel.

Das Gericht gehe davon aus, dass bei ihm eine "Störung des Sexualverhaltens" vorliege und begrüße, dass er sich in Behandlung begeben will. Auch ein Schmerzensgeld für die geschädigten Frauen sei angemessen, die Höhe muss ein Zivilprozess klären. Rechtsmittel gegen das Urteil legen weder der 26-Jährige noch der Staatsanwalt ein. Damit ist es rechtskräftig. Und der Angeklagte kein Polizist mehr.

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