Coburg:Landestheater soll hippen Start-ups Platz machen

Coburg: Das Coburger Landestheater wird demnächst saniert - ein Ausweichquartier könnte nun ein Jahr später fertig werden als geplant.

Das Coburger Landestheater wird demnächst saniert - ein Ausweichquartier könnte nun ein Jahr später fertig werden als geplant.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Für seine Pläne mit dem historischen Gebäude erhält Stadtrat Jürgen Heeb heftige Kritik.

Von Olaf Przybilla

Ein bisschen hat Jürgen Heeb nun Theatergeschichte geschrieben und das ahnt er wohl auch. Historische Theaterhäuser sanieren zu müssen, ist ja ein Grundproblem fast jeder größeren Stadt. Und so gängig das Leitmotiv, so unterschiedlich fallen die Lösungsmöglichkeiten aus: Umzug in ein Theaterzelt? Bau einer Interimsarena? Umbau einer Industrieanlage? Egal, ob in Nürnberg, Augsburg oder Würzburg, die Debatten sind oder waren stets heftig.

Dass einer schon mal ähnlich gedacht hat wie der Coburger Stadtrat Heeb, ist angesichts vielstimmiger Diskurse nicht auszuschließen. Dass er freilich besonders radikal ist mit seiner Idee, das weiß Heeb selbst: Warum nicht ausziehen aus dem klassizistischen Bau am Schlossplatz in ein schickes neues Haus am einstigen Güterbahnhof? In einen historischen Theaterbau könnte man doch auch ganz andere einziehen lassen: Wie wär's mit Start-up-Unternehmen?

Das ist nun wirklich mal ein revolutionärer Gedanke. Ja, sagt Heeb, "es gibt immer ein erstes Mal". Wobei ihm schon wichtig ist, dass er den 1838 von einem Schüler Schinkels entworfenen Bau am schönsten Platz der Stadt nicht komplett hippen Wirtschaftsbürgern überlassen möchte. Klar: Was sollte auch ein Firmengründer mit einem Theaterraum für 550 Zuschauer samt drei Rängen? Und was könnte so einer mit Foyer und Spiegelsaal anfangen?

Nein, die Start-ups würde Heeb gerne dort einquartieren, wo bislang das Landestheater verwaltet wird. Im Großen Haus dagegen könnte man sich künftig bei Events, Galas oder einem tollen Empfang die Ehre geben. Oder eine schöne "Firmenveranstaltung" ausrichten, in Coburg gibt es ja allerlei Unternehmer, die auf Außenwirkung Wert legen. Und als Zweitspielstätte käme das Haus schon noch infrage. Etwa, wenn es mal festlicher sein darf und man keinen Kulissenumbau braucht. Fürs alljährlich wiederkehrende "Weihnachtsmärchen" zum Beispiel, empfiehlt Heeb.

Landestheater Coburg

Wäre das nicht ein toller Ballsaal für Firmenfeiern und andere Feste? Drei Coburger Stadträte finden das schon, andere eher nicht. Der Innenraum des Landestheaters.

(Foto: David Ebener/dpa)

Nun wäre es grob unfair, den Stadtrat und seine beiden Mitstreiter von der Wählergemeinschaft "Pro Coburg" als kulturferne Philister abzukanzeln. Wer sich länger mit Heeb unterhält, bekommt auch nicht den Eindruck eines Mannes, dem noch der possenhafteste Schmarrn in den Kram passt, wenn man dafür Pluspunkte einsammeln kann von Menschen, die eh der Meinung sind, dass da mal ordentlich ausgedünnt gehört in dieser saturierten Bildungsbürgerszene: Kultur? Raus aus dem Zentrum, rein in den Randbezirk!

Nein, Heeb treibt eine Sorge um, die zu benennen nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein scheint: Über die Sanierung dieses großartigen Bauwerks und Wahrzeichens Coburgs debattiert die Stadt inzwischen seit 15 Jahren. Anfangs redete man da über 20 Millionen Euro. Dann waren es plötzlich 60. Und kürzlich machte eine Zahl die Runde, die selbst in der für fränkische Verhältnisse geradezu steinreichen Stadt Coburg für ein ausgiebigeres Zucken sorgte. 110 Millionen könnte das Werk nun kosten, auch das aber nur schätzungsweise. 150 Millionen findet "Pro Coburg" realistischer. Sicher auch, weil das noch süffiger klingt. Aber auszuschließen vermag diese Zahl momentan keiner mehr.

Nun muss man wissen, dass Coburg zwar einen klingenden Namen hat und Sitz einer bedeutenden Versicherungsgesellschaft ist (die Huk gilt als äußerst zuverlässiger Gewerbesteuerzahler) - aber eben nur 41 300 Einwohner zählt. Und da, sagt Heeb, überstrahle so eine Investition alles. Auch wenn der Theaterbau dem Freistaat gehört und dieser immerhin 75 Prozent der Kosten am Altbau zu übernehmen bereit ist. Deshalb also Heebs Idee: Warum nicht das geplante "Globe"-Theater dauerhaft, also nicht nur interimsweise als Hauptspielort nutzen - und im Haus am Schlossplatz nur das Nötigste sanieren?

Im Gespräch mit dem Stadtrat lernt man nicht nur etwas über die exemplarischen Sorgen überschaubar großer Ex-Residenzstädte in Deutschland, die sich im kulturellen Großerbe vergangener Duodezfürstentümer sonnen dürfen - von den Betriebs- und Investitionskosten dieses Erbes aber schier erdrückt zu werden drohen. Man lernt auch etwas über die Sprache am Nordrand Frankens: Für ihren Vorschlag habe sich die Wählergemeinschaft ordentlich "ablaschen lassen", sagt Heeb. Pardon? Eine Watschn habe man sich eingehandelt. Respektive sogar mehrere.

Das lässt sich nachvollziehen, wer sich mit Vertretern der anderen Coburger Fraktionen unterhält. Das Große Haus als extraordinärer Ballsaal fürs Firmenpublikum? "Auf der Unsinnsskala von eins bis zehn eine glatte Elf", sagt Christian Müller von den Christlich-Sozialen Bürgern Coburgs. Wer mit solchen Ideen daherkomme - die ja auch in München, beim Hauseigentümer also, zur Kenntnis genommen würden -, spiele damit, "einen Schwelbrand auszulösen, der das ganze Haus abbrennen kann". Weniger bildstark, aber kaum weniger deutlich urteilt Jürgen Oehm, der CSU-Chef im Stadtrat: "Deutlich übers Ziel hinausgeschossen", sei das. Und Oberbürgermeister Norbert Tessmer, ein SPD-Mann, ließ es sich nicht nehmen, höchstselbst eine Art Leitartikel in der Coburger Neuen Presse zu platzieren. Überschrift: "Nicht Pro, sondern Contra Coburg".

Alle verweisen aufs riesige Theatererbe der Stadt, das einen tatsächlich Haltung annehmen lässt. Von schauspielbegeisterten Herzögen gegründet, damals noch als Coburg-Gothaisches Hoftheater, erspielte sich das Haus aus der Provinz einen so klingenden Namen, dass Künstler wie Giacomo Meyerbeer, Hector Berlioz, Franz Liszt und Richard Strauss den Aufführungen eigener Werke beiwohnten oder als Gastdirigenten wirkten. Und dass der Walzerkönig Johann Strauß als ein Bürger von Coburg starb, lag wohl in erster Linie an der Überlegung, eine neue Ehe eingehen zu wollen - was im protestantischen Coburg leichter war als im katholischen Wien. Dass Coburg eine so imposante Theaterstadt ist, dürfte aber ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Bis heute ist Coburg Sitz der Deutschen Johann-Strauß-Gesellschaft.

Und nun? "Pro Coburg" hat seinen Antrag, das "Globe" zur Hauptspielstätte des Theaters zu machen, in der entscheidenden Sitzung zurückgezogen. Der Gegenwind war dann doch zu stark. Das Problem aber werde man nicht aufhören anzusprechen, beteuert Heeb. "Unser Zeigefinger ist und bleibt oben", sagt der Stadtrat.

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