Eisenbahn:Der "Bahnhof des Jahres" ist ein Oberfranke

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"Ein wahrer Hingucker" ist nach Meinung der Jury die historische Wartehalle des Coburger Bahnhofs, den die gemeinnützige Allianz pro Schiene dieses Jahr ausgezeichnet hat. (Foto: Christopher Schmid/Allianz pro Schiene)

Lange haben sich die Coburger wegen ihres Bahnhofs vor allem geärgert. Nun können sie sich einmal freuen - über eine Auszeichnung der Allianz pro Schiene.

Von Maximilian Gerl, Coburg

Unser Ort soll schöner werden: Diese bayernweit beliebte Prämisse hat im Falle Coburgs sogar geklappt - genauer mit jenem Ort, an dem die Züge nach München in die eine Richtung und nach Berlin in die andere rauschen. Denn der Coburger Bahnhof wurde am Mittwoch zu Deutschlands "Bahnhof des Jahres 2022" gekürt. "Er bietet eine tolle Aufenthaltsqualität und hat die Bedürfnisse der Reisenden immer im Fokus", sagte Dirk Flege, Geschäftsführer des in Berlin sitzenden Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene, das den Preis seit 2004 alljährlich vergibt.

Tatsächlich war der Bahnhof im äußersten Norden des Freistaats erst kürzlich renoviert worden. Als einer von bundesweit 16 sogenannten Zukunftsbahnhöfen testete die Deutsche Bahn dort neue Konzepte und Services. Aus Sicht der Jury sticht Coburg aber vor allem wegen seiner so besonderen Bahnhofshalle hervor. "Ein wahrer Hingucker", heißt es in der Bewertung. Konkret werden der renovierte Boden im historischen Schachbrettmuster gelobt, die modernen Sitzinseln mit USB-Anschlüssen und die Sitznischen, die in ehemaligen Schaufenstern entstanden sind.

Ein Wohlfühlort für Fahrgäste sollte auch bei der Bahnsteigunterführung entstehen. Das sei mit "modernen, hellen Grafiken" gelungen, heißt es von der Jury. (Foto: Christopher Schmid/Allianz pro Schiene)

Auch die Bahnsteigunterführung - mancherorts eher ein Ort des Grauens denn fürs Auge - bestach die Jury mit "modernen, hellen Grafiken". Auf kleinem Raum seien kreative Lösungen gefunden worden, um den Fahrgästen einen Wohlfühlort zu bieten. Einzig Gepäckaufbewahrungsmöglichkeiten im Bahnhofsbereich sowie mehr und überdachte Fahrradstellplätze hätte sich die Jury noch gewünscht. In die Bewertung fließen laut Allianz pro Schiene unter anderem die Sauberkeit, Informationen für Reisende, die Integration in die Stadt und die Gebäudearchitektur ein.

Bei der zuständigen Bahn-Tochter DB Station & Service wird die Auszeichnung als Bestätigung für die Renovierungs- und Konzeptmühen aufgefasst. Man habe den Bahnhof von der Empfangshalle bis zum Bahnsteig ganzheitlich schöner und moderner gestaltet, sagte der Vorstandsvorsitzende Bernd Koch. "Das Erfolgsrezept: neue Ideen, attraktives Design und eine enge Zusammenarbeit mit Stadt, Land und Bund." Coburg sei Modell, um künftig noch mehr Bahnhöfe zu Zukunftsbahnhöfen zu machen.

Die Sorgfalt und Mühe, die in Renovierung und Konzept des Coburger Bahnhofs investiert wurden, haben sich offenbar bezahlt gemacht - sowohl für die Bahn als auch für die Stadt. (Foto: Christopher Schmid/Allianz pro Schiene)

Im bayerischem Verkehrsministerium zeigte man sich ebenfalls vom Coburger Sieg angetan: Damit stelle der Freistaat von allen Bundesländern bislang die meisten Gewinner, heißt es in einer Mitteilung. Demnach hatten die Auszeichnung bereits Oberstdorf (2006), Landsberg am Lech (2007), Aschaffenburg (2012), Murnau (2013), Bayerisch Eisenstein (2017) und Altötting (2020) erhalten - wobei letzterer Bahnhof derzeit wegen Gleisbauarbeiten auf der Schiene gar nicht zu erreichen ist. Der Bund Naturschutz sieht dagegen in der Auszeichnung vor allem einen Hinweis darauf, dass man die Mobilität "auch im Flächenland Bayern völlig neu denken und die Angebote im ÖPNV deutlich ausweiten" müsse. Laut Umfragen hätten in Oberfranken nur 24 Prozent der Bevölkerung eine Bus- oder Bahnhaltestelle in maximal einem Kilometer Entfernung, an der mindestens einmal in der Stunde etwas fahre.

Auch in Coburg selbst freut man sich ausweislich der zu diesem Feiergrund verschickten Stellungnahmen über die Auszeichnung. Dabei boten der Bahnhof und sein Fahrplanangebot in der Vergangenheit öfter Anlass für Streit. Als etwa 2017 die neue Schnellfahrstrecke Berlin-München eröffnete wurde, fuhr der erste ICE ohne anzuhalten durch Coburg, obwohl extra eine Kapelle aufspielte. Und 2018 schaltete sich sogar der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in den sogenannten ICE-Streit um mehr Fernverbindungsstopps in Coburg ein. Ein Thema, das OB Dominik Sauerteig (SPD) auch am Mittwoch anschnitt: Er hoffe, dass sich die Auszeichnung positiv auf die ICE-Anbindung Coburgs auswirke. Denn bei Weitem nicht alle Verbindungen, die am "Bahnhof des Jahres" in die ferne Landes- und Bundeshauptstadt rauschen, halten auch dort.

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