Cluster Ernährung:Kulmbach bekommt eine "Genussakademie"

Cluster Ernährung: Sternekoch Felix Schneider (2 v.l.) bereitete den Gästen der neuen Genussakademie eine moderne Variante der Schlachtschüssel zu.

Sternekoch Felix Schneider (2 v.l.) bereitete den Gästen der neuen Genussakademie eine moderne Variante der Schlachtschüssel zu.

(Foto: Jesper Hilbig/Genussakademie/oh)
  • Geschmack, Anbau und Zubereitung von hochwertigen Lebensmitteln: Darum wird es in den Kursen an der "Genussakademie" in Kulmbach gehen.
  • Die Akademie zu eröffnen, ist Teil einer Strategie des bayerischen Landwirtschaftsministeriums.
  • Die Einrichtung ist ein weiterer Schritt, Kulmbach zu einem "Zentrum für Lebensmittelkompetenz" zu machen.

Von Claudia Henzler, Kulmbach

Recht ausführlich hatte Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) über den Sinn der neuen Genussakademie Bayern gesprochen, doch erst als das Bamberger Hörnla serviert wurde, war alles klar. Eine traditionsreiche Kartoffelsorte kann manchmal eben mehr aussagen als eine sorgfältig formulierte Ministerrede. Vor allem, wenn sie von einem Sternekoch serviert wird.

Bei Felix Schneider vom Restaurant "Sosein" aus Heroldsberg war die Kartoffel Hauptdarsteller einer modern interpretierten Schlachtschüssel, in der das Fleisch fast nur noch als Gewürz dient. Umgeben war das Bamberger Hörnla von einem milchsauren Blaukrautfond und gekrönt von fein geraspelten Spänen aus getrockneter, gesalzener Schweineleber. Ein Gericht aus drei Komponenten, äußerst schlicht, jedoch mit viel Gedankenarbeit zubereitet.

Das Bamberger Hörnla gibt es im Supermarkt nicht mehr zu kaufen, weil man diese längliche, leicht krumme Kartoffel nicht mit dem Vollernter aus dem Boden holen kann. Die Ernte ist Handarbeit und das Produkt so selten und schmackhaft, dass es einen bodenständigen Sternekoch wie Schneider reizt. "Sie schmeckt deutlich besser als die neuen Sorten", erklärte er bei der Eröffnungsfeier der Genussakademie am Dienstag in Kulmbach. Und die Späne aus getrockneter Schweineleber schilderte er als die kreative Lösung eines Problems, das sich Schneider selbst gestellt hat: In seinem Restaurant werden Tiere komplett verarbeitet - aus Verantwortung gegenüber den Tieren.

Um Geschmack, den Anbau und die Zubereitung von hochwertigen Lebensmitteln aus Bayern soll es gehen in den Kursen, die die Genussakademie im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums anbietet. Sie richten sich zunächst ausschließlich an Fachkräfte wie Köche, Metzger, Bäcker, aber auch an Lebensmittelhändler und Restaurantfachleute. Mittelfristig soll es auch ein Programm für Kinder und Jugendliche sowie für Verbraucher geben. Parallel dazu sind Workshops geplant, bei denen kreative Profis wie Felix Schneider gemeinsam an einem Thema arbeiten und ihre Ideen dann allen Interessierten zur Verfügung stellen.

Die Akademie ist ein Baustein in Brunners Premiumstrategie, durch die der Minister heimische Lebensmittel und regionale Wertschöpfungsketten fördern will. Etwa zwei Millionen Euro stehen für zwei Jahre Premiumstrategie zur Verfügung, sagt Akademieleiter Simon Reitmeier. Das Budget der Akademie beziffert er auf etwa 300 000 Euro. Eigene Räume hat die Akademie nicht, sie ist Mieter in der ehemaligen Kulmbacher Brauerei Mönchshof, die vor einigen Jahren zu einem nicht-staatlichen Museumszentrum umgebaut wurde. Das Bayerische Brauereimuseum, das Bayerische Bäckereimuseum und das Deutsche Gewürzmuseum sind dort untergebracht, ergänzt von einem museumspädagogischen Zentrum mit Lehrküchen.

So lobenswert es ist, der schrumpfenden Bäcker- und Metzgerzunft die Lust auf Premiumprodukte zu vermitteln: Eigentlich ist die Genussakademie eine eher kleine Einrichtung. Sie war nicht der alleinige Grund für die überdimensionale Festtagsstimmung, die am Dienstag zu spüren war. Ein extrem gut gelaunter Oberbürgermeister Henry Schramm (CSU) erklärte, was es damit auf sich hat. Die Genussakademie ist aus seiner Sicht ein "weiterer Mosaikstein" in der landespolitischen Strategie, Kulmbach zu einem Zentrum für Lebensmittelkompetenz zu machen.

Schramm berichtete den Gästen, wie er vor gut zehn Jahren zum ersten Mal über das Thema "Cluster Ernährung" gesprochen hatte. "Ich habe nicht genau gewusst, was es ist, aber ich habe gedacht, das könnte was werden." Und so sei es gekommen. Denn mittlerweile habe Kulmbach eine "Riesenentwicklung" erlebt. Dafür könne er dem Kabinett und Brunner gar nicht genug danken.

Die 27 000-Einwohner-Stadt ist Hauptsitz des Kompetenzzentrums für Ernährung (KErn), einem Ableger des Landwirtschaftsministeriums. Außerdem ist das Max-Rubner-Institut ansässig, ein Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Seit 2010 hat außerdem die Uni Bayreuth eine Forschungsstelle für Nahrungsmittelqualität in Kulmbach.

In Kulmbach kann man erleben, was "Cluster" bedeutet

Und bald soll die oberfränkische Stadt auch noch ein veritabler Ableger der Uni Bayreuth werden. Das hat das Kabinett vor zwei Monaten als Maßnahme zur Regionalförderung beschlossen. Ein eigenständiger Campus mit etwa 1000 Studenten ist geplant. Geforscht und gelehrt werden soll dort alles, was mit Lebensmitteln und gesunder Ernährung zu tun hat.

Doch nicht nur staatliche Einrichtungen machen Kulmbach zu einem Zentrum für Lebensmittelkompetenz. Das Museumsareal, in dem sich die Akademie eingemietet hat, wird im Wesentlichen von drei großen Unternehmen betrieben: der Kulmbacher Brauerei, Ireks Backwaren und dem Gewürzhersteller Raps. Außerdem ist der Landkreis Kulmbach als Standort von Alexander Herrmanns Romantik Posthotel in Wirsberg überregional bekannt.

Der betreibt zwar seine eigene Kochschule und zählt nicht zum Referentenstamm der Akademie, sprach bei der Eröffnung aber dennoch ein paar Worte - und war für das Buffet mit "fränkischen Tapas" zuständig. So war in der alten Mönchshof-Brauerei zu erleben, was das sperrige Wort Cluster bedeuten kann: Die Vernetzung aller Akteure und "die Bündelung von Fachwissen", wie der Oberbürgermeister sagte. Kulmbach sei längst mehr als die heimliche Hauptstadt des Bieres. "Unglaublich, was uns hier gelungen ist."

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