Süddeutsche Zeitung

Tochter von Barbara Stamm:Claudia Stamm flirtet mit der CSU

Die ehemalige Grünen-Abgeordnete hat wieder Lust auf Politik - und zwar in der Partei ihrer Mutter. Das ist überraschend für eine Frau, der es früher kaum links genug sein konnte.

Von Johann Osel

Als man Claudia Stamm am Telefon erreicht, hat sie gerade eine Absage abschicken müssen - für die "Fastnacht in Franken" an diesem Freitag. Es geht nicht, noch nicht, aus emotionalen Gründen. Für ihre Mutter Barbara Stamm, die im Oktober gestorbene frühere Landtagspräsidentin, war Veitshöchheim eine Heimstatt, sie liebte das Spektakel dort und die Faschingsleute liebten sie.

In der Mainpost erzählte Claudia Stamm, Ex-Landtagsabgeordnete der Grünen, soeben von der immensen öffentlichen Anteilnahme am Tod der Mutter, "manchmal hatte ich das Gefühl, ihre Sterbebildchen wurden wie Heiligenbildchen gehandelt". Und von einer Neuigkeit: Die "Akademie Barbara Stamm" im Kloster Maria Bildhausen bei Münnerstadt, "eine Art Tankstelle für Körper, Geist und Seele für hauptamtliche und ehrenamtliche Pflegende", soll unter Schirmherrschaft von Ministerpräsident Markus Söder dieses Jahr in einen Teilbetrieb gehen. Ein Vermächtnis.

Doch da steckte noch eine andere Nachricht im Interview. Claudia Stamm hat wieder Lust auf Politik. Die 52-jährige Mutter von zwei Kindern fühlt sich bereit für neue Herausforderungen, womöglich ein Mandat, vielleicht auf kommunaler Ebene. Und sie kann sich dabei ein Engagement für die Partei ihrer Mutter vorstellen, würde antreten für die CSU, den einstigen politischen Gegner.

2008 kam Stamm erstmals als Nachrückerin für die Grünen in den Bayerischen Landtag, 2013 erneut. Später folgte der Bruch mit ihrer Partei, der sie die Abkehr von einst grünen Prinzipien vorwarf, etwa in der Flüchtlingspolitik. Stamm war dann Mitbegründerin der Partei "mut", die bei der Wahl 2018 auf 0,3 Prozent kam. Vergangenes Jahr wurde sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim CSU-Abgeordneten Hans Ritt, recherchiert Themen, schreibt Reden. Politisches Gestalten hinter den Kulissen.

Nachfragen der SZ also bei Claudia Stamm. Ist das nicht eine krasse Wende, fände sie nicht bei der CSU noch viel weniger grüne Prinzipien? Vorneweg: Ihre Lust auf Politik ist sofort zu spüren, man verplaudert sich zu Queer-Politik oder Migration. "Die CSU hat sich bei meinen Schwerpunktthemen, Gesellschafts-, Sozial- und Gleichstellungspolitik sichtbar weiterentwickelt und ist moderner geworden", sagt Stamm. "Wenn es um wichtige Inhalte geht, wirke ich gern mit."

Ein Engagement schließe zudem nicht aus, dass einem die Entwicklung nicht weit genug gehe "und man das auch sagt. Meine Mutter war ja auch dafür bekannt, mal lauter, mal leiser gewisse Töne der CSU in der Flüchtlingspolitik zu kritisieren". Einen "Masterplan, auf welcher Ebene ich mich engagieren will oder kann", habe sie nicht. Kurzum: Tuchfühlung aufgenommen, Details unklar. Was klar ist: "Ich bin ein durch und durch politischer Mensch, das habe ich quasi mit der Muttermilch bekommen."

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