Süddeutsche Zeitung

Christkindlmarkt in Ingolstadt:Verkäufer der Straßenzeitung "Biss" unerwünscht

  • Der Biss-Verkäufer Günter Holzer ist Ingolstadt so bekannt wie der Oberbürgermeister.
  • Knapp eine Woche vor Weihnachten wurde dem Mann mitgeteilt, dass er sich nicht mehr auf dem Weihnachtsmarkt aufhalten darf, weil Verkäufer und Kunden sich von ihm gestört fühlten.
  • Doch dagegen regte sich in der Stadt schnell Protest - mit mittelmäßigem Erfolg.

Von Wolfgang Wittl, Ingolstadt

Advent, das ist die Besinnung auf die Ankunft des Herrn, das friedliche Miteinander der Menschen und der süße Duft von Glühwein auf den Weihnachtsmärkten - sofern nicht ausnahmsweise etwas dazwischenkommt wie in Ingolstadt. Dort ist das harmonische Gleichgewicht in den vergangenen Tagen ein wenig aus den Fugen geraten, ausgelöst ausgerechnet durch eine Auseinandersetzung auf dem Christkindlmarkt.

Es war Anfang der Woche, als Günter Holzer beschieden wurde, er möge sich auf dem Weihnachtsmarkt nicht mehr blicken lassen. Holzer ist in Ingolstadt wahrscheinlich so bekannt wie der Oberbürgermeister. Mit Rauschebart, Hund und einem Sonnenschirm bedachten Rollwagen zieht er durch die Stadt und verkauft die Straßenzeitschrift Biss - für Bürger in sozialen Schwierigkeiten. Genau das wurde ihm allerdings untersagt, weil sich Besucher und Standbetreiber von seinem Tun offenbar gestört fühlten.

Empörung im Netz richtete sich auch gegen die Stadt

Holzer, ob der Ausladung "fix und fertig", ging erst mal in sein Zimmer und hat "geheult", wie er dem Donaukurier verriet. Der machte die Geschichte seinen Lesern zugänglich, die mit wenig besinnlicher Anteilnahme reagierten. Ihre Empörung im Internet zielte gegen die Gemeinschaft der Standbetreiber, gegen den Polizisten, der Holzer des Platzes verwiesen hatte, sowie die Stadt, deren Kulturamt den Christkindlmarkt organisiert und die Aktion für richtig befand.

Vor allem der stellvertretende Sprecher der Standbetreiber, der Holzer die Entscheidung mitteilte, wurde wüst beschimpft. Dabei habe er persönlich gar nichts gegen den Biss-Verkäufer, sagte der Mann. Doch Ordnung müsse eben sein. Die Stadt erklärt, es könne nicht angehen, dass sogenannte Fremdverkäufer über den Markt ziehen, während selbst gemeinnützige Organisationen mit Ständen vertreten seien und Gebühren entrichteten.

Am Donnerstag erfolgte der offizielle Friedensschluss. Holzer findet, dass die Standbetreiber grundsätzlich recht nett zu ihm seien, ihm immer wieder etwas spendieren. Der Biss-Mann sei auf dem Markt weiter willkommen, sagte der Kulturamtsleiter und überreichte ein paar Verzehrgutscheine. Nur verkaufen dürfe Holzer nichts. Der akzeptierte. Weihnachten kann kommen.

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Quelle:
SZ vom 20.12.2014/tba/ahem
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