Süddeutsche Zeitung

Christa Stewens: Mein Altötting:"Diese Geschäftemacherei mit dem Glauben - grauenhaft!"

Altötting - eine wahre "Schatzkammer", findet Bayerns Ex-Sozialministerin Christa Stewens. Wer aber Ruhe sucht, sollte woanders hinfahren - zumindest an Pfingsten, schreibt sie im Fragebogen.

Tobias Dorfer

Jeder Ort hat diese kleinen Geschichten und großen Geheimnisse. Und wer könnte diese Geheimnisse besser lüften, als jemand, der dort wohnt - oder der dort zumindest gelebt hat? Auf sueddeutsche.de stellt jede Woche ein Prominenter "sein Bayern" vor. Heute erzählt die ehemalige bayerische Sozialministerin Christa Stewens über Altötting.

Mehr als sieben Jahre war Christa Stewens (CSU), 65, für das Soziale im Freistaat zuständig. Als Ministerin für Familien und Soziales gehörte sie ab 2001 dem Kabinett von Edmund Stoiber an, unter dessen Nachfolger Günther Beckstein durfte sie dann weitermachen. Der aktuelle Ministerpräsident Horst Seehofer ersetzte Stewens dann jedoch durch die ehemalige CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer. Stewens, Mutter von vier erwachsenen Söhnen und zwei Töchtern, lebt heute in Poing bei Ebersberg. Dass sie die Verbindung zu ihrer Geburtsstadt Altötting jedoch immer gehalten, zeigt sich an ihren Antworten im Fragebogen von sueddeutsche.de.

Sie haben in Altötting gelebt. Warum sind Sie weggezogen?

Ich bin 1945 in Altötting geboren, weil dort das Kreiskrankenhaus stand. Da ich es sehr eilig hatte, auf die Welt zu kommen, wurde meine Mutter von amerikanischen Soldaten in einem Jeep ins nächstgelegene Krankenhaus gebracht. Beinahe hätte ich in dem amerikanischen Jeep das Licht der Welt erblickt. Wir wohnten damals in Töging. Meine zwei Schwestern gingen in die Maria-Ward-Schule der Congregatio Jesu, daher fuhren wir damals sehr oft nach Altötting. Mein Vater arbeitete in Gendorf bei der BASF. Als er den Arbeitsplatz wechselte, zogen wir nach München. Ich war damals sieben Jahre alt und ging in die zweite Klasse.

Das Schönste an Altötting ist...

...der Kapellplatz auf dem die Gnadenkapelle steht. Die vielen Votivtafeln, die von wundersamen Schicksalen von Not, Gefahr, Unglücksfällen, aber auch von Wundern erzählen, haben mich schon immer sehr beeindruckt. Hier berührt einen die Fülle von menschlichen Schicksalen durch viele Jahrhunderte hindurch, hier findet man das pralle Leben.

Am meisten ärgere ich mich in Altötting über...

...die Geschäftemacherei mit dem Glauben.

Ihr schönstes Erlebnis in Altötting?

Mein schönstes Erlebnis in Altötting ist nach anstrengenden Wallfahrten, das Ankommen auf dem Kapellplatz. Die Gewissheit zu haben, es wieder einmal geschafft zu haben. Und dann im "Hotel zur Post" einen entspannten ruhigen Abend bei gutem Essen zu genießen.

Welches ist ihr liebster Platz in Altötting - und warum?

Mein liebster Platz in Altötting ist im Sommer einer der vielen Biergärten. Dort bei einem frischen Bier und einer guten Brotzeit zu sitzen und das Gefühl zu genießen, in der heimatlichen Umgebung angekommen zu sein.

Teil 2 des Fragebogens

Wo sollte jeder Besucher mal ein Bier trinken, wo schmeckt das Essen besonders gut?

Hier möchte ich keine Empfehlungen geben, da es in Altötting viele gute Wirtschaften gibt.

Angenommen, der US-Präsident käme zu Besuch nach Altötting: Was würden Sie ihm zeigen?

Ich würde Ihm den "Tod von Eding" in der Stiftskirche zeigen, weil er an die Vergänglichkeit der Menschen erinnert. Er hilft, sich selbst nicht allzu wichtig zu nehmen. Als Kind habe ich immer voller Ehrfurcht, die Sensenschwünge in zehn Minuten gezählt und an die vielen Menschen auf dieser Erde gedacht, die gerade sterben.

Was sollte man als Besucher unbedingt vermeiden?

Wenn man ruhebedürftig ist und keine Menschen treffen möchte, an Pfingsten nach Altötting zu fahren.

Was für ein Gebäude oder welche Einrichtung fehlt Altötting noch?

Diese Frage kann ich nicht beantworten, da ich in den letzten Jahren nur als Besucher in Altötting war und dort nichts vermisst habe.

Wer ist Ihr Lieblings-Altöttinger und warum?

Mein Lieblings-Altöttinger ist Herbert Riehl-Heyse. Ein Journalist, der sauber recherchiert und sehr tiefgründige Artikel geschrieben hat. Seine Artikel auf der Seite Drei der SZ waren für mich journalistische Glanzstücke.

Was zeichnet den typischen Altöttinger aus?

Altötting, als geistliche Stadt ist geprägt von einer uralten Vergangenheit, hier schlägt das Herz Altbayerns. Pilgerströme, also viele Besucher, prägen den traditionsbewussten Altöttinger zu einem weltoffenen Bürger.

Welches Geheimnis über Altötting muss noch gelüftet werden?

Wie die schwarze Madonna aus den Flammen gerettet wurde.

Wenn Sie Altötting in einem Wort beschreiben müssten - wie würden Sie das tun?

Schatzkammer

Was soll man in Altötting über Sie sagen?

Wir freuen uns, dass sie in Altötting geboren ist. Sie war eine gute Sozialministerin.

Vervollständigen Sie bitte diesen Satz:

Altötting ist insgesamt ziemlich weltoffen. Aber wer dort wohnt, braucht nicht in andere Orte auf Wallfahrt zu gehen, weil Altötting die Stadt der Klöster und Kirchen, also der Wallfahrtsort in Bayern von europäischem Rang ist.

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