Chinesische Lehre:Wenn Bayern auf Yin und Yang setzen

Chinesische Lehre: Der See im Feng-Shui-Kurpark in Lalling ist nach der chinesischen Glückszahl, der Acht, geformt.

Der See im Feng-Shui-Kurpark in Lalling ist nach der chinesischen Glückszahl, der Acht, geformt.

(Foto: Tourist-Info Lalling)

Die Gemeinde Lalling hat den einzigen Feng-Shui-Kurpark im Freistaat. Inzwischen haben die Einwohner gemerkt, dass China näher liegt als gedacht.

Von Lisa Schnell, Lalling

Über den Dorfstraßen von Lalling leuchten die Weihnachtslichter. In den Fenstern: Rüschenvorhänge. In den Vorgärten: Buchsbaumhecken, ein Gartenzwerg im weiß-blauen Fußballtrikot. Das Wirtshaus heißt zur Post, die Mostkönigin Laura. Und der Kurpark in diesem durch und durch bayerischen Dorf umgeben von schwarzen, deutschen Fichten? Feng-Shui. Feng wer? Ja, genau, Feng Shui.

Wenn die Hände von all der Energie kribbeln

Hier im kleinen Lalling, im tiefsten bayerischen Wald, soll sie fließen: die chinesische Energie. Und Marianne Maisch kann sie spüren. Sie steht auf einer Holzbrücke im Kurpark. Die Hände hält sie vor sich wie Schalen, die Innenflächen nach oben gedreht. Ihre Augen sind geschlossen. Der Bach rauscht, der Schnee rieselt durch die Äste. Sie lurt mit einem Auge herüber: "Spüren Sie's?" Der Besucher blickt auf die eigenen Hände: kalt. Kribbeln würden ihre, sagt Maisch, von all der Energie, dem Gi, das der Bach mit sich bringt. Schließlich sei das Wasser im Feng Shui das Zeichen für den Winter.

Die blauen Augen der 65-Jährigen strahlen, wenn sie von der chinesischen Harmonielehre oder den sieben Körpershakren erzählt. Gerade stapft sie durch den Yin-Teil des sechs Hektar großen Kurparks, der einzige öffentliche Feng-Shui-Kurpark in Bayern, vielleicht sogar in Deutschland. Dichter Wald, ein Bach, Moos. Es ist der ruhige, weibliche Teil, der wie die Frau dem Mond zugeordnet wird.

Im männlichen Teil ist die Energie quirliger

Oben im männlichen Yang-Teil sei die Energie quirliger. Dort liegt ein See in der Form einer 8, der chinesischen Glückszahl, umgeben von Schilf und zwei Stegen, die - führt man sie zusammen - das Yin-Yang-Zeichen ergeben. An einer Ecke der Herzstein, ein großer Fels, der an einen Hinkelstein erinnert. Maisch legt behutsam ihre Hände auf, schließt wieder die Augen. Hier soll er sein, der Fleck mit der größten, positiven Energie.

Dem Besucher ist auch hier eigentlich nur: kalt. Doch ein Feng-Shui-Berater aus Deggendorf hat die Energieströme ausgemessen. Zur Einweihung klopfte er mit einem kleinen Hämmerchen auf die Steine, um sie zu aktivieren. Wie man das halt so macht.

"Ein chinesischer Krampf" sei das, schimpften viele Lallinger, als Bürgermeister Josef Streicher (SPD) zum ersten Mal mit seinem Feng-Shui anfing. Vier Jahre lang kämpfte er für seine Idee. Von Harmonie im Gemeinderat keine Spur. Doch mit der Eröffnung vor jetzt genau zehn Jahren verstummte das bayerische Granteln. Vielleicht wegen der positiven Energien? Sicher ist, die Lallinger fühlen sich wohl in ihrem chinesischen Park. Sie heiraten am Herzstein, gehen in der Mittagspause barfuß auf dem grünen Moos. Auf wöchentlichen Feng-Shui-Führungen wünscheln sie Wasseradern hinterher und zapfen die Steine mit ihren Händen nach Energie an.

Welche Gemeinden noch auf Feng Shui setzen

Bayern und China liegen anscheinend näher beieinander als gedacht, und das nicht nur von Lalling aus betrachtet. Es scheint so, als würden immer mehr auf die chinesische Lehre vertrauen. Und zwar nicht Privatpersonen, keine Räucherstäbchenliebhaber oder Pluderhosenträger, nein, bayerische Amts- und Anzugträger, die in Behördensesseln sitzen, Bürgermeister etwa wie der von Fürstenfeldbruck. Nicht nur sein eigenes Büro hat er nach Feng-Shui eingerichtet. Die Stadt zog bei ihren Bauvorhaben "vereinzelt" eine Feng-Shui-Beraterin hinzu. So etwa beim Bau eines Kindergartens, bei dem das Farbkonzept der chinesischen Harmonielehre folgt.

Im Schloss ist die kriegerische Energie zu stark

Chinesische Lehre: Im Polizeiverwaltungsamt in Straubing markieren rote Stangen die Energiepunkte.

Im Polizeiverwaltungsamt in Straubing markieren rote Stangen die Energiepunkte.

(Foto: Polizei)

Im niederbayerischen Massing baute die Gemeinde sogar eine ganze Feng-Shui-Siedlung. Die Häuserblocks wurden um "Störzonen" herumgebaut, "positive Kraftfelder" zu öffentlichen Plätzen gemacht. Sogar im Polizeiverwaltungsamt in Straubing wurde im Innenhof der chinesischen Energie ein Denkmal gesetzt mit einer Installation des Naturkünstlers Nils-Udo. Meterhohe, rote Stangen ragen dort in die Höhe, mal wachsen sie aus Erdhügeln mit Grasbüscheln, mal aus dem bloßen Boden, je nachdem, wie stark die positive Energie an diesem Fleck ist.

Künstler Nils-Udo sagt, nicht er selbst sei auf die Idee gekommen, auf dem Ort nach Energieströmen zu wünscheln, sondern die vom Staat bezahlte Landschaftsarchitektin. "Das hat mich selbst verblüfft", sagt er. Und er hat ja recht: Es gibt sie natürlich in Bayern, die Feng-Shui-Skeptiker.

Unter ihrem Spott litt Roland Eichmann so sehr, dass er zu dem Thema jetzt gar nichts mehr sagen möchte. Eichmann ist Bürgermeister von Friedberg bei Augsburg. Ob er wohl seine innere Mitte verloren hatte, wegen des Streits, der seit Jahren in seinem Stadtrat tobt um die Sanierung des Friedberger Schlosses, oder ob es wirklich sein Hund Ares war, dem es im Schloss immer so unwohl war - sicher ist, Eichmann holte eine Feng-Shui-Beraterin ins Schloss.

Sie fand unter anderem heraus, dass die kriegerische Energie dort zu stark sei. Das passte jetzt so gar nicht zu den Plänen Eichmanns, das Schloss in einen Erlebnisweg ausgerechnet zur Lechfeldschlacht einzureihen. Auch nicht zum Namen seines Hundes, der nach einem Kriegsgott benannt ist. "Was das Gutachten gebracht hat, weiß keiner", sagt Claudia Eser-Schuberth, die für die Grünen im Schlossausschuss sitzt. Auch nicht, warum die Stadt dafür 5000 Euro zahlte.

Eine Unterstützung für Feng-Shui-Beratung durch staatliche Gelder sei "nicht vorgesehen", sagt eine Sprecherin des Bayerischen Staatsministeriums für Bau und Verkehr. Viele Feng-Shui-Prinzipien seien Architekten geläufig, heißt es aus der Bayerischen Architektenkammer. Man könne es Feng-Shui nennen oder aber einen gekonnten Grundriss.

Mit Feng Shui zum neuen Freibad

Verwunderlich, dass sie da gerade im bayerischen Wald so offen waren. Immerhin hat die Feng-Shui-Beratung die Gemeinde hier etwa 10 000 Euro gekostet. Wie hat Bürgermeister Josef Streicher die China-Skeptiker nur überzeugt? Bestimmt nicht mit Vorträgen über positive Energien. "Es ist nicht so, dass ich auf Feng-Shui bin", sagt Streicher.

Die Wünschelrute passt in seine Hände ungefähr so gut wie Stäbchen zu Schweinsbraten. Nur brauchte Lalling eben ein neues Freibad. Das konnte sich die Gemeinde aber nicht leisten. Da hatte Streicher die Feng-Shui-Idee. So was gab's noch nicht in Bayern. Als Pilotprojekt wurde der Park zu 70 Prozent bezuschusst. Jetzt baden die Lallinger in einem Yin-Yang-See. "Wichtig ist doch, was hinten raus kommt", sagt Streicher. Damit ist er voll auf Feng-Shui-Linie. Denn da ist die Hauptfrage: Was nützt es dem Menschen?

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