Wenn es nach den Worten seines Anwalts und Mitstreiters Jürgen Arnold geht, dann hat der Aktionskünstler Wolfram Kastner mit dem Prozess vor vollem Saal im Münchner Justizpalast alles erreicht, was es in der Sache zu erreichen gibt, nämlich "sicherlich die optimale Öffentlichkeit". Weitere Aktionen am Grabmal des Wehrmachtsgenerals und Kriegsverbrechers Alfred Jodl auf der Fraueninsel im Chiemsee wären demnach "Zeitvergeudung".
Trotzdem zeichnete sich lange keine Einigung zwischen Kastner und der Klägerseite ab, die ihm solche weiteren Aktionen verbieten lassen will. Kastner hatte gegen die einstweilige Anordnung Widerspruch eingelegt, und so kam es am Donnerstag zum Prozess, wie er beinahe regelmäßig auf Kastners Interventionen folgt, wenn er nicht ohnehin Teil davon ist.
Frauenchiemsee:Streit um Gedenkstein für Hitlers General zieht sich hin
Auf der Fraueninsel erinnert immer noch eine Grabinschrift an Alfred Jodl - und offenbar treten dort immer wieder Neonazis auf. Doch eine Petition dagegen wird im Landtag gar nicht erst behandelt.
Denn Kastners Strategie als Künstler ist es, den Finger in die Wunde zu legen und in diesem Fall maximale Aufmerksamkeit auf ein steinernes Kreuz zu lenken, das er als unerträgliches Ehrenmal für einen Kriegsverbrecher ansieht und nicht als Grabstein. Denn Alfred Jodl liegt dort nicht begraben neben seinen beiden Ehefrauen, deren Namen in kleinerer Schrift auf kleineren Steinen stehen. Vielmehr wurde Jodls Asche in die Isar gestreut, nachdem er als Hauptkriegsverbrecher hingerichtet worden war. Der Neffe von Jodls zweiter Ehefrau und sein Anwalt sehen das Kreuz aber sehr wohl als Grabmal an.
Deshalb habe sich Kastner neben der Sachbeschädigung auch der Störung der Totenruhe schuldig gemacht. Kastner hatte 2015 eine Tafel angebracht, welche die Gemeinde Chiemsee umgehend entfernen ließ. 2016 goss er zweimal rote Farbe an das Kreuz, beide Male wurde es gesäubert, wozu sich der Nachfahre nach der Friedhofssatzung verpflichtet und von der Gemeinde aufgefordert sah. Einmal rückten auch NPD-Mitglieder mit Fahne und Bürsten an, wogegen man ebenfalls entschieden vorgehe, sagte der Anwalt des Klägers.
Anders als in den Fragen Ehrenmal oder Grabmal und Kunst oder Sachbeschädigung sind sich beide Seiten in der Bewertung von Jodls Rolle als Kriegsverbrecher einig. Während Kastner anprangert, würde der Neffe der Jodl-Witwe aber lieber möglichst wenig Aufsehen darum machen, um das Grab nicht zum Wallfahrtsort für Rechtsextreme zu machen. Genau dies geschehe erst durch Kastners Aktionen. Der bekräftigte, dass es lange vorher zu rechtsextremen Treffen gekommen sei.
Es steht noch ein weiterer Prozess an
Der Richter betonte, dass es in diesem Zivilprozess allein darum gehe, ob es einen Unterlassungsanspruch für weitere Aktionen geben könne oder nicht. Er regte eine Einigung an, zumal das Nutzungsrecht an dem Grab in einem Jahr erlischt und die Gemeinde es nicht verlängern will. Der entsprechende Ratsbeschluss geht auf eine Landtagspetition zurück, die der Inselbewohner Georg Wieland schon gestellt hatte, eher Kastner sich des Themas annahm. Wieland, der als Zeuge aussagte, traut der Gemeinde in der Frage aber erklärtermaßen nicht über den Weg.
Kastner gab sich zunächst hart: "Jeder Tag ist zu lang" und "Das Ding muss weg", sagte er, während der Kläger keine erklärende Tafel akzeptieren wollte. Als möglicher Kompromiss zeichnete sich ab, dass Jodls Name und der Titel Generaloberst entfernt werden, das Kreuz aber stehen bleibt. Vor einem Urteil haben beide Seiten zwei Wochen Bedenkzeit und die Möglichkeit, über die Kosten des Klägers von etwa 4000 Euro zu verhandeln. Unabhängig davon ist Kastner ein weiterer Auftritt vor Gericht gewiss, denn in Rosenheim steht ein Strafprozess wegen Sachbeschädigung und Störung der Totenruhe an. Einen Termin gibt es noch nicht.