ChiemgauLöcher im Paradies: Ist der Tüttensee ein Meteoritenkrater?

Lesezeit: 2 Min.

So ein Meteorit kann schon Eindruck machen - auch auf rein symbolischen Grafiken wie dieser.
So ein Meteorit kann schon Eindruck machen - auch auf rein symbolischen Grafiken wie dieser. (Foto: mauritius)

Im Chiemgau gibt es jede Menge kleiner Seen. Eine kleine Handvoll enthusiastischer Forscher beharrt seit 20 Jahren darauf, dass sie als Krater bei einem Meteoriteneinschlag entstanden sind.

Glosse von Matthias Köpf, Grabenstätt

So ein Einschlag gilt landläufig als eher plötzliches Ereignis, aber manchmal dauert es danach eben ein bisschen, bis noch der richtige Einfall dazu kommt. Beim Krater von Chicxulub zum Beispiel sind handgestoppte 66 Millionen Jahre vergangen, ehe ihn die Menschen überhaupt zur Kenntnis genommen haben.

Und beim Nördlinger Ries sind immerhin knappe 15 Millionen Jahre ins Land gezogen, bis das Becken erstmals als Einschlagskrater verdächtigt wurde – und dann noch ein weiteres halbes Jahrhundert, bis diese Hypothese wissenschaftlich bewiesen war. Gemessen daran hätte das mit dem Tüttensee also wirklich keine Eile.

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Der Tüttensee ist ein sehr idyllisches, gut zehn Hektar großes und oft moortrübes Wasserloch, das in der Form einer gedrungenen Birne in der Landschaft zwischen dem Chiemsee und der nahen Kreisstadt Traunstein liegt. Das tut der Tüttensee schon eine ganze Weile, aber erst vor 21 Jahren verdichtete sich bei einigen Heimatforschern, Archäologen und Steinsammlern ein Verdacht, wie er entstanden sein könnte. Nämlich durch den „Chiemgau Impakt“.

Das hört sich zwar ein bisschen an wie die frisch umbenannte Agentur für Wirtschaftsförderung und Regionalmarketing des Landkreises Traunstein. Der Impakt soll aber auf ganz andere Weise Eindruck gemacht haben, nämlich eben in Form des Tüttensees. Bisher ist dieser Impakt aber ein Einfall ohne Einschlag geblieben.

Der Tüttensee im Chiemgau ist ein Idyll. Dass er auch ein Meteoritenkrater ist, bleibt mindestens eine Minderheitsmeinung.
Der Tüttensee im Chiemgau ist ein Idyll. Dass er auch ein Meteoritenkrater ist, bleibt mindestens eine Minderheitsmeinung. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Damals bei Chicxulub sind noch keine Menschen dabeigewesen, sondern Dinosaurier, die genau deswegen alle ausgestorben sein sollen. Und auch als das Ries entstand, war von Nördlingern noch lange keine Spur. Beim angeblichen Meteoriteneinschlag im Chiemgau hätte es hingegen wohl schon menschliche Augenzeugen gegeben. Denn der Impakt soll ja erst 2500 Jahre her sein.

Überliefert ist jener vermeintliche Einschlag in keltischer Zeit allerdings praktisch ausschließlich aus dem 21. Jahrhundert. Dazu zählen beide Teile der Buchreihe „Der Chiemgau-Impakt. Ein bayerisches Meteoritenkraterfeld“. Seit 2009 gibt es in einem kleinen Raum neben der Tourist-Information der Gemeinde Grabenstätt außerdem das „Museum zum Chiemgau-Impakt“.

Die Steine, die dort gezeigt werden, sind zwar deutlich älter als das Museum. Aber dass sie zusammen mit allerlei anderen Indizien wirklich einen Meteoriteneinschlag belegen können, glaubt eigentlich kein einschlägiger Wissenschaftler. Mit Ausnahme jener kleinen Handvoll enthusiastischer Forscher, die miteinander das „Chiemgau-Impakt-Research-Team“ (CIRT) bilden. Zum CIRT  kommt ein Förderverein namens „Chiemgau Impakt e.V.“ mit gut 50 Mitgliedern sowie je einer Homepage auf Deutsch und Englisch. Auf allen beiden scheint eigentlich alles klar zu sein.

Außerhalb davon sind der Tüttensee und all die anderen Seen in der Umgebung, die noch als Einschlagskrater von Meteoritenstückchen verdächtigt werden, sogar noch um runde 10 000 Jahr älter als der angebliche Einschlag. Nach Stand der Wissenschaft sind sie als sogenannte Toteislöcher von der letzten Eiszeit übrig geblieben. Aber vielleicht ist ja vor 2500 Jahren mal was hineingefallen.

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