Verschwörungstheorien:"Reichsbürger" im Chiemgau kassieren in Euro ab

Lesezeit: 3 Min.

  • Der Polizist Harald S. trat bei der "Heimatgemeinde Chiemgau" auf. Dafür wurde er im Februar 2016 vom Dienst suspendiert.
  • Zuvor hatte S. einem Verschwörungstheoretiker ein Interview gegeben und war dafür von seinem Arbeitgeber ermahnt worden.
  • Die "Heimatgemeinde" will nicht mit der "Reichsbürger"-Bewegung in einen Topf geworfen werden, jedoch gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten.

Von Matthias Köpf

Den Ersten Polizeihauptkommissar Harald S. kennen vergleichsweise viele Kollegen in Bayern, denn fast jeder Polizeibeamte besucht irgendwann in seiner Laufbahn das Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring. Dort, im Berchtesgadener Land, hat der lang gediente Polizist Harald S. Seminare geleitet und also andere Polizisten ausgebildet im Dienst eines Landes, das er selbst nicht für einen legitimen Staat, sondern für eine bloße Firma hält.

Denn S. teilt offenkundig das Gedankengut der obskuren "Reichsbürger"-Bewegung und wurde deswegen schon im Februar vom Dienst suspendiert. Das Verfahren dauert an, heißt es aus dem zuständigen Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei in Bamberg. Offenbar wehrt sich S., dessen Pensionierung nicht mehr allzu fern läge, vor dem Verwaltungsgericht gegen seine Suspendierung.

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Wegen seiner seltsamen Ansichten aufgefallen ist der Ausbilder seinen Vorgesetzten zum ersten Mal im Jahr 2015, als er sich ausführlich von dem notorischen Verschwörungstheoretiker Jo Conrad interviewen ließ. Das Video erschien auf dessen Internet-Plattform. Unter anderem zweifelt der bayerische Polizist darin an der Legitimität der Justiz und an der Existenz der Bundesrepublik. Stattdessen habe immer noch das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 Bestand.

Der Auftritt trug S. eine Ermahnung ein, doch die änderte nichts an seiner Gesinnung. Das zeigte sich im Februar bei einem Auftritt vor der "Heimatgemeinde Chiemgau", der er offenkundig angehört und für die er ein "Bindeglied" zur Polizei sein wollte. Dieser Auftritt führte schließlich zum "Verbot des Führens der Dienstgeschäfte", wie eine Suspendierung im Amtsjargon heißt.

Beim nächsten Treffen der "Heimatgemeinde" in einem Gasthaus in dem abgelegenen Ort Hemhof im Landkreis Rosenheim lautete die besorgte Frage: "Wie geht's dem Harald?" Von den Menschen, die sich dort versammelt haben, könnten manche alternativ eingestellte Schreiner sein, manche wütende Pädagogen und manche zu kurz gekommene Sachbearbeiter.

Kinder springen herum. Insgesamt wirkt die Gruppe, die ein paar Dutzend Mitglieder aus dem ganzen südlichen Oberbayern zählt, wie eine Bürgerinitiative gegen eine neue Mülldeponie in der Nachbarschaft. Mit den "Reichsbürgern" wollen sie hier nicht in einen Topf geworfen werden, doch wer sie länger als eine halbe Minute reden lässt, der bekommt nach und nach das ganze wirre Gedankengut aufgetischt, das die lose "Reichsbürger"-Szene miteinander verbindet.

Johannes zum Beispiel, der in der eigenen Bürokratie der Heimatgemeinde als eine Art Reichsbürgermeister amtiert, stellt sich nur mit dem Vornamen vor. Denn der Nachname gehöre nicht zum Menschen, sondern nur zur Person. Diese Person sei im Besitz der Firma BRD und zugleich versklavt und tot, was schon an den Großbuchstaben im Personalausweis und auch am schwarzen Rand um die Autonummernschilder eindeutig abzulesen sei.

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Selbst bestanden einige Mitglieder der Heimatgemeinde darauf, eigens aus der Schweiz bestellte Kennzeichen mit der Ausschrift "Mens:ch" an ihre Autos zu schrauben, was ihnen den bis dahin einzigen Ärger mit den Kollegen ihres Polizei-Mitglieds Harald S. eingetragen hatte. Interessenten übermittelt Sofia, eine weitere Bürokratin der Heimatgemeinde, sechs A4-Seiten mit den "Allgemeinen Handelsbedingungen" und der "Gebührenordnung", bei Bedarf gibt es einen eigenen Führerschein für 30 Euro und weitere Dokumente. Viele Mitglieder seien auf die Heimatgemeinde gestoßen, weil sie Bußgelder, Steuern oder Alimente bezahlen sollten und dann im Internet zu recherchieren begonnen hätten, sagt Sofia.

Kassiert wird aber auch in der Heimatgemeinde in Euro. Die angebliche Firma BRD hingegen sei gegenüber dem Vatikan und der Queen of England tributpflichtig. Und spätestens, wenn die Sprache auf die Rothschilds kommt, offenbart sich auch der antisemitische Grundton der Bewegung, die nur Mitglieder deutscher Abstammung wünscht, aber auch dabei eigene Maßstäbe anlegt.

Was es allerdings ganz genau mit der BRD und dem Vatikan und den Rothschilds auf sich hat, das will Johannes im Detail dann doch nur den versammelten Mitgliedern droben im Saal erläutern. Die sich vorher noch der Aufnahme eines Liedes gewidmet haben, das sie sich als ein Art Hymne ausgesucht haben: "Sei wachsam", singt also der von Youtube auf die Leinwand projizierte Reinhard Mey. Die Kollegen des Ersten Polizeihauptkommissars Harald S. sind es jetzt auch.

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