Landkreis Cham:Das harte Leben der Berta Zenefels

Enkelin Hannah Schweier dreht einen Film über ihre Oma, die Wirtin im Zollhaus. Und gewinnt damit einen renommierten Preis

Von Hans Kratzer, Cham

Die Wirtin Berta Zenefels hat es nicht leicht gehabt in ihrem langen Leben. Und als sie schon im hohen Alter stand, wurde sie vom Schicksal erst recht hart geprüft, denn nach dem Tod ihres Mannes starben auch noch kurz hintereinander ihr Enkel und ihr Sohn. Nun stand sie alleine da mit ihrem Gasthaus und ihrer Landwirtschaft in dem direkt an der tschechischen Grenze liegenden Weiler Steinlohe (Landkreis Cham). Sie fühlte sich verlassen und überfordert, ihr Anwesen, auf dem hohe Schulden lasteten, stand ohne Nachfolger vor dem sicheren Aus.

Aber dann nahm das Leben der Berta Zenefels doch noch eine überraschende Wendung zum Guten. Wie das alles abgelaufen ist, das kann man nun in einem Dokumentarfilm nacherleben, den ihre Enkelin Hannah Schweier in der Oberpfälzer Heimat gedreht hat. Vor Kurzem erlebte der berührende Streifen (Titel: "80 000 Schnitzel") auf dem "Zürich Film Festival" seine Weltpremiere. Dort wurde er auch mit dem Kritikerpreis des Festivals ausgezeichnet.

1963 hatte Berta Zenefels den abgeschiedenen Hof zusammen mit ihrem Mann übernommen. Tag für Tag stand sie als Wirtin in der Küche, mehr als 50 Jahre lang hat sie in ihrer gusseisernen Pfanne für ihre Gäste Zehntausende Schnitzel geklopft, paniert und gebraten. Jammern, das gab es bei ihr nicht, trotz der harten Arbeit - und obwohl sie von diesem Ort nur selten weggekommen ist. So war dort eben die Mentalität. Die Menschen waren wie festgewurzelt in dieser kleinen engen und irgendwie erbarmungslosen Welt, die absolut keine Perspektive bot für junge Menschen wie ihre Enkelinnen Monika und Hannah.

Landkreis Cham: Der Film erzählt von der 83-jährigen Berta Zenefels, die ihren Gast- und Bauernhof zu verlieren droht, bis ihre Enkelin Hannah Schweier als Retterin kommt.

Der Film erzählt von der 83-jährigen Berta Zenefels, die ihren Gast- und Bauernhof zu verlieren droht, bis ihre Enkelin Hannah Schweier als Retterin kommt.

(Foto: ZDF)

Doch dann stand eines Tages plötzlich Monika vor der Tür des Zollhauses, wie das Anwesen heißt. Die drohende Zwangsversteigerung hatte die junge Frau aufgerüttelt, sie wollte mithelfen, das Familienerbe zu retten. Dafür war die 30-Jährige bereit, ihr modernes und erfolgreiches Leben als Biologin in Berlin hinter sich zu lassen. Stattdessen durfte sie sich nun in den Stall stellen, ausmisten, melken und Felder bestellen, was sie alles erst lernen musste. Ob das funktionieren würde, stand zunächst in den Sternen. Ein Jahr gaben sich die Frauen für dieses Experiment Zeit.

Monikas Schwester, die Filmregisseurin Hannah, war von dem Projekt fasziniert. Vor allem trieb sie die Frage um, was die erfolgreiche und reisefreudige Monika zu diesem Schritt bewogen hatte. Würde sie im Zollhaus wirklich ihr Glück finden? So begleitete sie ihre Oma und ihre Schwester in ihrem mühevollen Alltag, der von allerlei Höhen und Tiefen geprägt war.

Nicht immer verlief alles harmonisch. In einem vom ZDF produzierten Kurzfilm, der auf dem Internetkanal Youtube zu sehen ist, schildert Hannah Schweier die Probleme, die sich aufhäuften. In einer Sequenz ist zu sehen, wie ihre Schwester im dichten Novembernebel über einen speckig schweren Acker läuft. "Ich glaube, Moni hatte wirklich andere Sachen zu tun, als im November um 5 Uhr früh im neonfarbigen Badeanzug aus dem Nebel zu laufen", sagt Hannah. "Moni hat das nur für mich gemacht", sagt sie sichtlich berührt in die Kamera. Für die stets schwer beschäftigte Oma war der Dreh wohl leichter zu ertragen. "Meine Oma stand eigentlich ihr ganzes Leben lang auf einer Bühne", sagt Hannah Schweier. "Die Gäste waren ihr Publikum." Letztlich hatten dann alle Frauen auf dem Hof von früh bis spät viel zu tun, und dazwischen mischte sich ständig das Filmteam ein, um alles zu filmen. Das artete bisweilen in Stress aus. "Jeden Morgen zogen quasi drei Parteien in den Krieg, und eigentlich wusste niemand, gegen wen oder was. Das hat uns nicht wirklich verbunden", erinnert sich Hannah Schweier.

Award Night Ceremony - 16th Zurich Film Festival

Der Dokumentarfilm "80 000 Schnitzel" von Hannah Schweier wurde beim 16. Zürich Film Festival mit dem Kritikerpreis ausgezeichnet.

(Foto: Andreas Rentz/Getty)

Während der Dreharbeiten starb die Mutter von Hannah und Monika. Ratlosigkeit. "Was machen wir denn jetzt?" Die Frauen setzten die Dreharbeiten fort, "weil die Mama das so gewollt hätte. Von da an war es kein Gegeneinander mehr", sagt Hannah. "Weil wir gemeinsam beschlossen haben, den Film fertig zu machen." Vor dem Ende der Dreharbeiten starb auch noch Berta Zenefels, 84-jährig. "Es trotzdem geschafft zu haben, darauf bin ich wirklich stolz", sagt Hannah.

Dieser im Auftrag des ZDF/Das kleine Fernsehspiel produzierte Film berührt tiefgründige Fragen, es geht um Träume, Liebe, Alter. "Es ist eine Ode ans Leben", sagt Hannah Schweier. Es gehe im Film darum, was im Leben wirklich zählt. Er ist umso wichtiger, weil er gerade in der Not Mut macht. "Das Leben ist hart, aber schön."

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