CDU/CSU:Risse im Fundament der Union

CSU-Parteitag

Merkels Aussage sei "für die CSU eine unakzeptable Relativierung", findet Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (rechts) und springt damit seinem Nachfolger Horst Seehofer bei.

(Foto: dpa)
  • Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das Dogma "Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben" von Franz Josef Strauß infrage gestellt und damit einen erneuten Streit mit den Christsozialen hervorgerufen.
  • Zahlreiche CSU-Politiker stimmen der Kritik von Ministerpräsident Horst Seehofer an Merkel bei.
  • Generalsekretär Andreas Scheuer vermisst eine klare Positionierung der CDU.

Von Lisa Schnell

Die ersten SMS bekam CSU-Chef Horst Seehofer schon am Sonntag. Viele Maßgebliche in der Partei waren "ziemlich aufgewühlt", sagte er. Die Aufregung drehte sich um einen einfachen Satz von Franz Josef Strauß, der für die CSU zum Dogma geworden ist: "Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben", sagte er 1986.

Jetzt, 30 Jahre später, relativierte Kanzlerin Angela Merkel dieses Grundprinzip der CSU. Wenn dafür Überzeugungen der Union aufgegeben werden müssten, gelte der Satz für sie nicht, sagte sie in einem Interview. Auch zwei Tage später brodelt es noch in der CSU.

Die Interpretation von Merkel ist "für die CSU eine unakzeptable Relativierung und treibt einen Keil zwischen CSU und CDU, den es bisher so nicht gegeben hat", sagte der frühere Ministerpräsident Edmund Stoiber. Die Aussage von Strauß sei von Kohl bis Schäuble noch von keinem Parteivorsitzenden der CDU relativiert worden. Horst Seehofers Kritik sei "absolut notwendig und richtig", so Stoiber. Auch heute sei der Grundsatz von Strauß noch "brandaktuell", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Der Urvater der CSU hatte damit auf die überraschend guten Ergebnisse der rechtsradikalen Republikaner reagiert, die bei der Landtagswahl 1986 in Bayern auf drei Prozent kamen. Auch die AfD lebe wie damals die Republikaner stark vom Protest, so Scheuer. Es müsse die Aufgabe aller Parteien seien, Wähler, die ein Warnsignal ausgestoßen haben, wieder zurückzuholen.

So eine klare Positionierung vermisst er bei den Kollegen von der CDU: "Wenn man zu sehr auf die Linkskurve schaut, dann verliert man treue Fans, die einen immer von Erfolg zu Erfolg getragen haben", sagte Scheuer. Für Hans Reichhart, den Landesvorsitzenden der Jungen Union, ist die Aussage von Strauß eigentlich ein Allgemeinplatz, über den man sich nicht streiten müsse. "Jeder, der sagt, er steht auf dem Boden des Grundgesetzes, muss auch bei der CDU willkommen sein", sagte er.

Erwin Huber gibt den Merkel-Versteher

Auch Teile der AfD gehörten zum demokratisch-rechten Spektrum. Wenn Merkel hier Ausgrenzungen vornehme, sei das "fahrlässig". Auch er beklagt, dass die CDU zu sehr auf ihre Parteivorsitzende zugeschnitten sei und daher von ihr keine "markanten konservativen Stimmen" zu hören seien. Dabei findet sich sogar bei der CSU ein Merkel-Versteher. Der ehemalige Parteivorsitzende Erwin Huber kann der Interpretation von Merkel "sehr viel abgewinnen".

Seehofers Position aber greife ihm zu kurz. Schließlich hätte Strauß mit seinem Satz ja nur ein Ziel vorgegeben - wie man dort hinkomme, habe er nicht gesagt. Auch stünde Seehofers Kurs teilweise sogar im Gegensatz zu Prinzipien der Union. Auch die CSU sei eine Europapartei und zu Europa gehörten offene Grenzen. "Die schrittweise Ausdehnung der nationalen Abschottung ist da schon ein Widerspruch", sagte Huber. Aus der CSU dürfe man nicht eine AfD mit einem C vor der Klammer machen.

Schon länger gibt es Stimmen in der CSU, die den Streit zwischen den Parteivorsitzenden Seehofer und Merkel gerne beendet sehen würden. Viele haben die Programmklausur der beiden Schwesterparteien im Juni im Blick, bei der CDU und CSU Schwerpunkte für einen gemeinsamen Bundestagswahlkampf festklopfen wollen. "Wir müssen wieder zusammenkommen und miteinander für etwas kämpfen statt intern gegeneinander", sagte Reichhart. Bei vielen in der Partei hätten die Aussagen von Merkel auch deshalb Kopfschütteln ausgelöst.

Auch Seehofer betonte am Sonntag, er werde sofort das Gespräch mit Merkel suchen, damit die Klausur im Juni keine "Krisenklausur" werde. Dass das Fundament Risse hat, sei klar, sagte Reichhart. Jetzt müsse man sich auf die Suche nach dem richtigen Kitt machen. CSU und CDU hätten aber nicht nur in der Interpretation von Strauß unterschiedliche Auffassungen, sondern auch im Umgang mit der Türkei oder etwa in der Steuerpolitik.

Andere meinen dagegen, innere Sicherheit wäre ein Thema, bei dem CDU und CSU wieder geeint auftreten könnten. Wie der Kitt auch aussehen mag, der noch zusammen gekratzt werden soll, viel Zeit ist nicht mehr bis zum Juni. Könnten sich CDU und CSU dann nicht einigen, würden es "spannende Zeiten", sagte Reichhart.

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