Drogenpolitik:Gutachten aus Bayern zieht Cannabis-Legalisierung in Zweifel

Lesezeit: 3 Min.

"Cannabis wird zu einem Genussmittel verharmlost": Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). (Foto: IMAGO/Jens Schicke)

CSU-Gesundheitsminister Holetschek präsentiert eine Analyse, wonach die Liberalisierungspläne des Bundes gegen internationale Verträge verstoßen. Und seine Bedenken gehen noch viel weiter.

Von Nina von Hardenberg

Aus seiner Meinung zum Thema Cannabis hat Klaus Holetschek (CSU) noch nie einen Hehl gemacht. Die Pläne der Bundesregierung, die Abgabe der Droge an Erwachsene zu erlauben, waren erst grob bekannt, da schoss der Gesundheitsminister aus Bayern schon voll dagegen. Er warnte vor dem "großen Risiko für die Gesundheit" und forderte die Bundesregierung auf, von dem Vorhaben abzulassen.

Am Dienstag ging Holetschek nun noch ein bisschen weiter. Die Cannabis-Pläne seien "Teil einer gesellschaftspolitischen Veränderungs-Agenda der Ampel, die ich nicht teile", warnte er. Hier würden Werte verschoben.

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Zu diesem neuen Angriff auf die Drogen-Politik der Ampel hatte sich Holetschek am Dienstag juristische und medizinische Argumentationshilfe ins Ministerium geholt. Gemeinsam mit zwei Professoren stellte er eine von ihm beauftragte Analyse zu den Plänen der Bundesregierung vor. Das Rechtsgutachten, das er großzügig allen "interessierten Institutionen" zur Verfügung stellen will, dürfte das Vorhaben begraben, so die Botschaft des Ministers: "Es kommt zu dem klaren Schluss, dass Deutschland mit einer solchen Legalisierung geltende Verträge brechen würde."

Es ist das zweite Mal in Kürze, dass der bayerische Gesundheitsminister mit einem Gutachten die Pläne der Bundesregierung in Zweifel zieht und damit "die Hausaufgaben des Bundes" macht, wie er sagt. Zuletzt hatte er die Ideen einer Expertenkommission zur Reform des Krankenhausmarktes überprüfen lassen. Eins-zu-eins umgesetzt würden diese die bayerische Krankenhauslandschaft auf den Kopf stellen, so das Ergebnis. Exakt sollten diese Ideen allerdings auch nie umgesetzt werden. Sie werden derzeit mit den Ländern diskutiert.

Der Anbau und Kauf von Cannabis soll nach Plänen der Bundesregierung in bestimmten Grenzen möglich werden. (Foto: Cesar Olmedo/REUTERS)

Noch weiter weg von einem konkreten Gesetz sind die Pläne für die Cannabis-Liberalisierung. Im Koalitionsvertrag hat die Ampel vereinbart, die "kontrollierte Abgabe" von Cannabis an Erwachsene in lizenzierten Geschäften zu erlauben. Im vergangenen Oktober stellte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dann erste Details vor. Einen Gesetzentwurf will aber auch er erst erarbeiten, wenn klar ist, dass die EU keine rechtlichen Einwände hat.

Das hindert seinen Ressortkollegen in Bayern allerdings nicht daran, die Pläne schon mal präventiv zu vernichten. Die äußerst komplizierte Rechtslage kommt dem Minister da gerade gelegen.

Der Bund wolle den Umgang mit Cannabis "in einem bisher unbekannten Maß" liberalisieren

Rechtlich nämlich äußert der mit dem Gutachten beauftragte Europarechtler Bernhard Wegener von der Universität Erlangen-Nürnberg tatsächlich erhebliche Bedenken gegen die Ampelpläne. Die Bundesregierung wolle den Umgang mit Cannabis "in einem bisher unbekannten Maß" liberalisieren, sagte er am Dienstag: Sie wolle nicht nur den Verkauf und Konsum von Cannabis in gewissen Mengen tolerieren, wie es etwa die Niederlande tun, sondern auch einen staatlich lizenzierten und organisierten Cannabishandel etablieren.

Konkret verstoße dies gegen drei völkerrechtliche Verträge, in denen sich Deutschland dem Kampf gegen die Drogen verschrieben hat. In all diesen Abkommen wird Cannabis ausdrücklich verboten, und Vertragsstaaten werden verpflichtet, den Umgang mit Cannabis unter Strafe zu verbieten.

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Die EU wiederum hat diese Verträge mit dem sogenannten Rahmenbeschluss von 2004 bereits in ihr eigenes Rechtswerk übernommen. Auch dieser fordert die Mitgliedstaaten auf, den Umgang mit Drogen zu kriminalisieren. Das EU-Recht kennt allerdings Ausnahmen, wenn es um den persönlichen Konsum geht. Insgesamt aber sei eine Legalisierung von Cannabis in Deutschland derzeit weder mit internationalem noch mit europäischem Recht zu vereinen, glaubt Wegener. Er habe den Eindruck, "die Bundesregierung hat Scheuklappen angelegt, um rechtliche Bedenken zu ignorieren".

Ob die rechtliche Lage tatsächlich derart eindeutig gegen eine Legalisierung steht, ist unter Juristen umstritten. Auch Wegener selbst bestätigt, dass Deutschland theoretisch die internationalen Verträge kündigen und danach unter Vorbehalt wieder eintreten könnte. So hat dies in der Vergangenheit bereits Bolivien gemacht, und so das Kauen von Kokablättern im eigenen Land entkriminalisiert.

Der Göttinger Straf- und Völkerrechtler Kai Ambos sieht auch im EU-Recht Spielraum für eine nationale Legalisierung. Besser allerdings, da sind sich die Experten einig, wäre ein einheitliches Vorgehen der EU.

Vier Millionen Menschen in Deutschland haben Cannabis im vergangenen Jahr konsumiert

Gesundheitsminister Holetschek aber geht es gar nicht nur um Rechtsfragen. Er will die Droge verboten wissen, lehnt auch eine vorsichtige Entkriminalisierung kategorisch ab. Dabei ist Cannabis weit verbreitet. Vier Millionen Menschen in Deutschland haben es im vergangenen Jahr konsumiert, 30 Prozent werden es im Laufe ihres Lebens probiert haben, das referiert der Stellvertretende Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU, Oliver Pogarell.

Auch Pogarell ist am Dienstag als Experte geladen. Sein Part ist es, vor der Droge zu warnen, schließlich sind es vor allem gesundheitliche Bedenken, die Holetschek gegen Cannabis aufbringen. Pogarell unterstützt ihn da, Cannabis sei keine ungefährliche Substanz. Statt der erwünschten Euphorie und Entspannung könne es Ängstlichkeit und depressive Zustände hervorrufen und gerade bei jüngeren Menschen steigere es das Risiko, an Schizophrenie zu erkranken. Der Minister nickt zustimmend. Die Bundesregierung handle gefährlich: "Cannabis wird zu einem Genussmittel verharmlost." Er selbst wolle das mit allen Mitteln verhindern.

Unter den Freunden des Rauschmittels macht sich der Gesundheitsminister mit seiner strengen Haltung wenig beliebt. Auf Twitter hat sich unter dem Hashtag #Alkoholetschek längst Widerstand formiert. Die Argumentationslinie dort: Der CSU-Politiker verteufle Cannabis, während er gleichzeitig den Alkohol verharmlose. Zum Beweis wurden zahlreiche Fotos von Holetschek mit Krug oder Glas gepostet. Den Minister beeindruckte das am Dienstag nicht. Er wolle bei allen Drogen auf Prävention setzen, sagte Holetschek. Das gelte auch für Alkohol und Tabak.

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