Cannabis-Anbau:Bekiffte Hobby-Gärtner und Vietnamesen-Gangs

Zum Verhängnis wird ihnen der starke Geruch der Pflanzen oder eine auffällig ansteigende Stromrechnung: Die Polizei hat es immer öfter mit Cannabis-Anbauern zu tun. Die Utensilien finden sie problemlos über das Internet.

Dietrich Mittler

Manchmal, so gesteht Zollmann Christian Schüttenkopf vom Zollfahndungsamt München, hat er direkt Mitleid mit den "Gärtnern" - also denjenigen, die im Auftrag organisierter Banden große Marihuana-Plantagen betreuen. "Das sind in der Regel Vietnamesen, die illegal eingeschleust worden sind und nun den Schleuserlohn abarbeiten müssen", sagt er.

Riesige Cannabis-Plantage entdeckt

Das Spektrum ihres Anbaus reicht dabei von einer Pflanze im Blumentopf bis zur 20-Pflanzen-Plantage", sagt Kriminalrat Moser.

(Foto: dapd)

Bei den Festnahmen fand er die Menschen oft abgeschottet und "untergebracht wie Tiere" - so auch bei einem Fahndungs-Coup im Kreis Aschaffenburg, bei dem insgesamt 110 Ermittler in den Ortschaften Geiselbach und Haibach auf 20 Kilogramm geerntetes Marihuana und eine Plantage mit 300 Hanfpflanzen stießen.

Dagegen ist der jetzt eher zufällig im Kreis Cham gefasste Mann, der eine Mini-Plantage im Wohnzimmerschrank betrieb, ein ganz kleiner Fisch. Doch auch die "Hobby-Gärtner", so sagt Kriminalrat Walter Moser vom Bayerischen Landeskriminalamt, sind in der Regel mit den typischen Aufzucht-Utensilien gut ausgestattet, die sich leicht im Internet beschaffen lassen - zumeist aus Holland.

Das mag auch den Anstieg der Fälle von illegalem Eigenanbau erklären: 2011 wurden 600 Fälle aktenkundig - 35 mehr als im Jahr zuvor, und in 99 Prozent dieser Fälle ging es da um Cannabis.

Oftmals ist es Kommissar Zufall, der die Beamten auf die Spur der Gärtner führt. Ein Wohnungsbrand war es etwa im jüngsten Fall, der die Beamten im Raum Passau auf einen 29-jährigen Zimmerer aufmerksam machte. Der hatte sich in den eigenen vier Wänden als Kleinanbauer versucht und war dabei offensichtlich nicht faul: Die Beamten stellten bei ihm eine Vier-Kilogramm-Ernte sicher und gehen nun davon aus, dass er damit vermutlich nicht nur seinen Eigenbedarf decken wollte.

Grundsätzlich wird jeder Fall zur Anzeige gebracht. 2011 gab es insgesamt 538 Tatverdächtige. "Davon wiederum 460 männliche", wie Moser sagt. Und was selbst den erfahrenen Fahnder verblüfft: "Es war auch ein Kind dabei, ein 13-jähriger Bub." Gegen alle Vorurteile sind jedoch die Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren mit 37 Tatverdächtigen in der Minderzahl. Meist handelte es sich bei den erwischten Cannabis-Anbauern um Heranwachsende im Alter von 18 bis 21 Jahren (88 Fälle) und um Erwachsene (412 Fälle).

Im Bereich dieser Hobby-Anbauer sind es überwiegend Deutsche, die der Polizei ins Netz gehen. "Das Spektrum ihres Anbaus reicht dabei von einer Pflanze im Blumentopf bis zur 20-Pflanzen-Plantage", sagt Moser. Anders sieht es im Bereich der straff organisierten Groß-Anbauer aus.

Aufmerksame Nachbarn

Hier dominieren inzwischen Vietnamesen-Gangs, die zuvor oftmals mit illegalem Zigarettenhandel ihr Geld gemacht haben. Sie haben, wie Zollmann Christian Schüttenkopf sagt, den Cannabis-Handel fest im Griff: "Man findet ja fast keinen richtigen Marihuana-Joint mehr, der noch aus Afghanistan oder aus Thailand kommt. Das ist in der Regel Plantagen-Gras", sagt er.

Der Zugriff auf die Großplantagen ist für die Fahnder und ihre Unterstützungskräfte oft nicht ungefährlich. "Die vietnamesischen Groß-Betreiber stellen hin und wieder auch Stromfallen auf - an den Türklinken etwa", sagt Kriminalrat Moser, der für die Drogenfahndung im südbayerischen Raum zuständig ist.

Die Ladungen der Fallen sind aber noch die kleinere Gefahr im Vergleich zu den ungesicherten Stromleitungen für die starken Lampen, die das Licht und die Wärme zur Aufzucht der Cannabis-Pflanzen liefern.

Bis die Fahnder den organisierten Banden - sie nutzen sogar ausgediente Fabrikhallen zur Aufzucht - auf die Spur kommen, vergehen oftmals viele Monate, denn zumeist sind diese Straftäter international vernetzt. Auch wissen sie sich so gut zu tarnen, so dass selbst ihre großdimensionierten Entlüftungsanlagen kaum auffallen.

Den Klein-Gärtnern indes werden oft aufmerksame Nachbarn zum Verhängnis, die sich am Geruch stören, den Cannabis-Pflanzen ausströmen. Verräterisch ist aber auch ihre meist auffällig ansteigende Stromrechnung, die durch den Betrieb der Wärmelampen und der Abluft-Anlage anfällt.

Regionale Schwerpunkte haben bislang weder die Zollfahnder noch die Beamten des LKA ausfindig gemacht. Im Lenggrieser Forst wird mit derselben Leidenschaft angebaut wie in den Isarauen im Landkreis Freising. Und bisweilen gestaltet sich auch die Festnahme eines Hobby-Gärtners alles andere als gefahrlos. In Gilching etwa jagte 2011 eine Mutter den Polizisten ihren Hund auf den Hals, um so ihren Sohn vor dem Zugriff zu bewahren. Der übrigens, so sagten die Beamten später, habe noch bedrohlicher gewirkt als der Vierbeiner.

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