Nach einem 160-Millionen-Euro-Debakel, das die öffentlich-rechtliche Bayerische Versorgungskammer bei problematischen Immobiliengeschäften in den USA erlitten hat, fragen SPD und Grüne im Landtag nach der Verantwortung der Staatsregierung – konkret nach Mängeln bei der Aufsicht durch das Innenministerium. „Auch wenn die Regierung das unbedingt verschleiern will: Man vertraut offenbar blind auf Finanzmärkte und irgendwelche Fondsmanager, statt seine Aufsicht ordentlich auszuüben“, sagt Florian von Brunn (SPD). Tim Pargent (Grüne) beklagt: „Trotz regelmäßiger Reportings hat das Ministerium untätig zugesehen, wie Vorsorgegelder in unsicheren Immobiliengeschäften aufs Spiel gesetzt wurden.“ Dies sei „ein schweres Versagen“.
Das Innenministerium weist die Vorwürfe auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung als „haltlos“ zurück. „Eine Vorwegprüfung oder gar Genehmigung einzelner Investitionsentscheidungen der Versorgungsanstalten“ sähen die gesetzlichen Vorschriften nicht vor. Kürzlich hatte die Münchner Abendzeitung über den Fortgang in der Causa berichtet, die seit 2024 Gegenstand von Medienberichten ist.
Die Bayerische Versorgungskammer, kurz BVK, verwaltet die Altersvorsorge und andere Leistungen wie bei Berufsunfähigkeit von fast drei Millionen Menschen in Deutschland. Darunter fallen berufsständische und kommunale Versorgungseinrichtungen, etwa für Ärzte und Apotheker, Rechtsanwälte, Architekten oder auch Bühnenberufe und Schornsteinfeger. Die BVK ist eine dem Innenministerium nachgeordnete Oberbehörde, wirtschaftet aber mit eigenen Mitteln. Ihr Gesamtvolumen liegt bei mehr als 100 Milliarden Euro. Die BVK ist laut Ministerium gesetzlich dazu verpflichtet, die Beiträge „rentierlich am Kapitalmarkt anzulegen“, indes nach dem „Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht“.
Mindestens 163 Millionen Euro muss die BVK bei Geschäften in den USA abschreiben; weitere Wertberichtigungen sind offenbar nicht auszuschließen. Dabei geht es um sogenannte Zielfonds und vermeintliche Prestigeobjekte wie die Transamerica-Pyramide in San Francisco sowie Wohngebäude etwa in New York. Beteiligt daran ist ein verurteilter Steuerbetrüger, dessen Fall in den USA Wellen schlug.
„Unser Zeithorizont ist 100 Jahre, nicht Quartale“, sagt der Vorstandschef der Versorgungskammer
BVK-Vorstandschef Axel Uttenreuther hatte die Abschreibungen in einem Interview mit der Welt am Sonntag Ende August eingeräumt: Er wolle „hier nichts beschönigen. Diese Projekte haben unsere Erwartungen nicht erfüllt“, es werde zu Verlusten kommen. „Aber diese werden durch Erträge in anderen Anlagen kompensiert. Auswirkungen auf die Versorgungsleistungen wird es nicht geben.“ Bei den US-Immobilien-Investments handele es sich um nicht mal ein Prozent des verwalteten Kapitals. Verantwortlich für die Abschreibungen seien verschiedene Marktentwicklungen.
Derweil läuft ein Prozess am Arbeitsgericht München, hier geht es um einen fristlos entlassenen BVK-Abteilungsleiter, dem ein unangemessenes Näheverhältnis zu dem US-Steuerbetrüger angelastet wird – obwohl die BVK nach eigenen Angaben nur über Fondsstrukturen investiert und am Ort keine operative Aufgabe hat. Die Staatsanwaltschaft München prüft zudem strafrechtliche Ermittlungen. Diese Prüfung stieß die BVK nach eigenen Angaben selbst an.


In der Antwort auf eine schriftliche Anfrage von SPD-Politiker Brunn schreibt das Ministerium, man lasse sich von der BVK „mindestens quartalsweise“ über die Zusammensetzung der Kapitalanlage informieren und nehme dazu Auswertungen vor. Die BVK treffe Investitionsentscheidungen aber eigenverantwortlich. Im Fall des konkreten US-Immobilienfonds bestehe keine „aufsichtliche Zuständigkeit“. Brunn wähnt allerdings „offensichtlich auch erhebliche Fehler der Regierung von Markus Söder“; unter anderem, weil das Ministerium den finanztechnischen Geschäftsplan der BVK genehmigen muss. Das Ministerium teilte auf Nachfrage der SZ mit: Auch dieser Geschäftsplan beziehe sich nicht auf Einzelinvestments.
„Eine risikolose Kapitalanlage gibt es nicht“, sagt Innenminister Joachim Herrmann
Laut Abendzeitung soll sich Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im August eingeschaltet und mit BVK-Chef Uttenreuther telefoniert haben. „Die Versorgungskammer hat bereits Änderungen im Hinblick auf interne Prozesse eingeleitet“, sagte Herrmann der Zeitung. Und: „Eine risikolose Kapitalanlage gibt es nicht.“ Die BVK habe 2024 insgesamt 3,4 Prozent Rendite erzielt. Uttenreuther lobte in der Welt am Sonntag das diversifizierte Gesamtportfolio. „Diese Mischung sorgt dafür, dass wir auch in schwierigen Jahren immer noch verlässlich über drei Prozent Rendite erzielen konnten. Unser Zeithorizont ist 100 Jahre, nicht Quartale.“
Zufrieden sind SPD und Grüne damit nicht, der Landtag dürfte sich bald damit weiter beschäftigen. Tim Pargent sagte der SZ: „Dass ein kleiner Teil in einem Portfolio nicht funktioniert, ist an sich nicht ungewöhnlich. Hier entsteht aber der Eindruck höchster Unprofessionalität.“ Die Geschäfte seien ja ausschließlich mit einem Partner in den USA gemacht worden, der kurz davor als Steuerbetrüger verurteilt wurde. „Es scheint keine Einflussnahme der Aufsicht gegeben zu haben, und seit Bekanntwerden gibt es nur Informationen in Salami-Taktik durch die Staatsregierung. Das halte ich für eine Frechheit, gerade den Versicherten gegenüber.“

