Burghausen:Starke Frauen

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Kugelstoßerin Liesl Huber hat mit Tatkraft Rekorde erreicht und zum Spaß ihren Mann gestemmt. Damit steht sie in einer langen Reihe emanzipierter Kämpferinnen

Von Hans Kratzer, Burghausen

Die Stadt Burghausen hat in ihrer langen Geschichte so manche Berühmtheit hervorgebracht. Auch Liesl Huber, die vor wenigen Tagen im Alter von 86 Jahren gestorben ist, trug einiges dazu bei, den Ruhm der Grenzstadt zu mehren. Immerhin zählt sie zu den erfolgreichsten Sportlerinnen Burghausens überhaupt. "Eine Persönlichkeit wie sie dürfte innerhalb der Stadtgrenzen schwerlich ein zweites Mal zu finden sein", war im Nachruf des Burghauser Anzeigers zu lesen. Und Norbert Stranzinger, der Vorsitzende des TV 1868 Burghausen, nennt Liesl Huber eine "Legende des Vereins, eine Institution als Mensch und als Sportlerin". Diese Würdigungen rühren nicht nur von daher, dass sie - obwohl sie nur 1,64 Meter groß war - zweimal Senioren-Weltmeisterin im Kugelstoßen war. Sie prägte zudem ganze Generationen als Übungsleiterin.

Liesl Huber gab ein leuchtendes Beispiel, was ein Mensch mit Zuneigung und Tatkraft alles erreichen kann. Als Frau schaffte sie das schon in Zeiten, in denen das Wort Emanzipation noch klein geschrieben wurde. Zum Kugelstoßen hatte sie einst ihr Mann Sepp überredet. Die dafür erforderliche Kraft und Schnelligkeit erwarb sie sich auf natürliche Weise, moderne Kraftgeräte gab es ja noch nicht. So stemmte die gebürtige Münchnerin ersatzweise ihren Mann in die Höhe, wie sie später gerne erzählte. Mit großer Freude ließ sie ihre Gäste auch als 80-Jährige noch ihren stattlichen Bizeps betasten.

Als Sportlerin wie auch als Übungsleiterin war das Energiebündel Liesl Huber in Burghausen ein Vorbild für viele Generationen. Sie gewann zahlreiche Meistertitel und wurde Senioren-Weltmeisterin im Kugelstoßen. (Foto: Archiv TV 1868 Burghausen)

Liesl Huber stand für ein schon damals von Selbstbewusstsein getragenes Frauenbild, das in den heutigen Debatten zu wenig beachtet wird. Auch vor vielen Jahrzehnten gab es Frauen, die sich mit Witz und Resolutheit gegen die männliche Dominanz gestemmt und durch ihre Ausstrahlung Respekt erworben haben. Im Sport setzten sie auf heute dahinschmelzende Tugenden wie Gemeinschaftssinn, Hilfsbereitschaft und Fairness. Wie ein Sportverein eine Schule fürs Leben sein kann, das hat Liesl Huber vorbildlich vorexerziert. Sie war "die heimliche Vorsitzende auf dem Platz", wie Norbert Stranzinger eingesteht. "Was die Liesl sagte, das galt."

Die starke Rolle, die Frauen wie Liesl Huber ausübten, war keine Seltenheit, aber manchmal war sie durch die Umstände auch erzwungen. Auf dem Land, das sagt die Kabarettistin Monika Gruber, habe immer schon die unausgesprochene Regel gegolten: So schwer kann eine Arbeit gar nicht sein, dass sie nicht auch von einer Frau verrichtet werden kann. Eine gestandene Bäuerin durfte, was die schwere Arbeit im Stall und auf dem Feld anbelangte, nicht zimperlich sein, sagt Gruber. Auch wenn das fatale Folgen hatte, wie in Oskar Maria Grafs Roman "Das Leben meiner Mutter" nachzulesen ist. "Ihre Beine waren nach einer hierzulande üblichen Bezeichnung 'offene Kindsfüße', welche fast jede Bäuerin bekam, die meistens schon etliche Tage nach der Niederkunft wieder schwer arbeitete."

Drei Männer in die Luft hieven: Für Katharina Brumbach alias Katie Sandwina war das kein Problem. (Foto: mauritius images)

Körperliche Höchstleistungen vollbrachten früher auch Frauen aus den höchsten Kreisen. Marie von Bayern, die Mutter König Ludwigs II., fand vor lauter Bergklettereien kaum noch Zeit für ihre Repräsentationspflichten. Sie bestieg als eine Pionierin den Watzmann. Und Sisi, die Kaiserin Elisabeth, ließ sich in jedem Haus ein Turnzimmer einrichten, mit Reck, Ringen und Sprossenwand. Um sich dann Gewaltmärschen und Gewaltritten auszusetzen, die sogar die Männer überforderten.

Auf diese Sorte von Powerfrauen stößt man in der bayerischen Geschichte gar nicht selten. Die in Viechtach aufgewachsene Katharina Brumbach (1884-1952) stieg als Katie Sandwina in Amerika zur stärksten Frau der Welt auf. Sie stemmte die schwersten Gewichte, riss Ketten entzwei, hob drei Männer gleichzeitig in die Höhe. Ihren Mann hob sie ähnlich wie Liesl Huber einarmig empor. Sie war aber auch ein politischer Mensch und unterstützte die Suffragettenbewegung, die für die Einführung des Frauenwahlrechts kämpfte.

Gewiss hätte sie auch als Kugelstoßerin einiges erreicht. Aber auch ohne sie setzten bayerische Frauen in dieser Disziplin Maßstäbe. Die Münchnerin Gisela Mauermayer (1913-1995), die 1936 bei den Olympischen Spielen in Berlin den Diskuswurf gewann, schaffte zudem einen Weltrekord als Kugelstoßerin. Später wurde sie Mitbegründerin des ersten Frauenausschusses des Deutschen Sportbundes. Die für den ESV Neuaubing startende Eva Wilms war in den 70er-Jahren achtmal in Folge deutsche Meisterin im Kugelstoßen. 1977 wurde sie als Sportlerin des Jahres in Deutschland gekürt. Die für den LAC Quelle Fürth startende Claudia Losch gewann 1984 in Los Angeles sogar Olympiagold im Kugelstoßen. Allerdings litten die Erfolge der Athletinnen in den 70er- und 80er-Jahren darunter, dass sie in einer Hochphase der Dopingmissbrauchs erzielt wurden.

© SZ vom 28.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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