Burghausen:Grenzgänger auf der Salzach

Auf der Fahrt mit der Plätte zwischen Tittmoning und Burghausen muss der Kapitän ständig zwischen Bayern und Österreich hin und her wechseln - um den Sandbänken auszuweichen. Der jetzt gemütliche Ausflug war früher einen lebensgefährliche Reise

Von Heiner Effern, Burghausen

Kurz vor dem Ablegen erläutert Georg Helmberger noch das Kleingedruckte. "Wenn einer reinfällt, halten wir es mit den alten Bräuchen", sagt er. "Der wird dem Wassergott geopfert." Spätestens am nächsten Wehr bei Braunau am Inn würde derjenige ohnehin herausgezogen. Die gut 50 Passagiere am Flussufer von Tittmoning (Landkreis Traunstein) nehmen den Scherz des Salzach-Schiffers so dankbar auf wie sonst wohl die Pointen des Chiemgauer Volkstheaters. Als Helmberger die paar Stufen die Böschung hinunter zur Plätte geht, um den Einlass zu öffnen, wird es ernst: Die Bootsgäste bilden umgehend ein Rudel. Schulter vor, eine geschickte Drehung, Pauschaltouristen am Zugang zum Abendbuffet beherrschen kreatives Anstehen nicht besser.

Nach wenigen Minuten haben trotzdem alle einen Platz gefunden und Helmbergers Kompagnon Herbert Reschenhofer macht die Leinen los. Als die Plätte in der Flussmitte liegt und der Motor abgestellt ist, baut sich der Rentner am Bug auf und erklärt den Fahrgästen, worauf sie sich überhaupt befänden. Die Plätten, flache Transportbote ohne Kiel, beförderten auf der Salzach vor allem Salz aus den Bergwerken in Hallein (Österreich) Richtung Norden. Bis zu 15 Tonnen des weißen Goldes konnten sie aufnehmen. Jahrhundertelang prägten sie den Handel, bis die Eisenbahn sie verdrängte.

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Die letzten eineinhalb Stunden der einst gefährlichen und langen Fahrt auf der Salzach können Fahrgäste nun von Tittmoning aus mitmachen. 15 Kilometer lang treibt die etwa 15 Meter lange und gut drei Meter breite Plätte bis zur Stadt Burghausen, die den Bootsbetrieb organisiert. Am Verlauf des Ufers lässt sich sehr genau beobachten, wie der einst wilde Gebirgsfluss zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Ingenieuren in ein starres, enges Bett gezwängt wurde. Seit dem Wiener Kongress 1815 verläuft in der Mitte die Grenze zwischen Österreich und Bayern. Kapitän Helmberger steuert die Plätte mit einem Holzruder im ständigen Staatenwechsel an den Sandbänken vorbei. Die ersten Kilometer führen durch unbewohnte Auen, das langsame Dahintreiben beruhigt das Gemüt. Einige lassen von der Plättenkante aus die Füße im kalten Wasser baumeln. Die einzigen Geräusche kommen von den Fahrgästen. Zum Beispiel, wenn Helmberger auf einen Baum zeigt, den ein Biber fast durchgenagt hat. Oder auf einen Felsen, auf dem die Salzach-Loreley singt, wenn sie nicht gerade Urlaub hat. Danach wird es lebendiger, nach einigen Häusern taucht links Kloster Raitenhaslach auf, das allerdings hinter den Bäumen kaum zu sehen ist. Dafür aber das Flusskreuz der Salzachschiffer, das sie laut Fremdenführer Reschenhofer vor Fluten und Piraten bewahren sollte.

Die Flussarbeiter seien hart schuftende Leute gewesen, erklärt er, weshalb sie eine Tagesration von zwei Pfund Fleisch und sechs Mass Bier zugeteilt bekommen hätten. Fiel nach dem Verzehr oder auch sonst einer in die Salzach, habe dieser im Gegensatz zu den Bootsgästen von heute auf dem noch wilden Gebirgsfluss um sein Leben kämpfen müssen. "Die haben tatsächlich keinen gerettet, die haben denen mit dem Ruder noch eine auf die Löffel gegeben", sagt Reschenhofer in einem Bairisch, das zwar nicht alle Gäste verstehen, das aber Dialektschützern Freudentränen in die Augen treiben würde. Allerdings hätten die Schiffer auch einen noblen Zug gehabt, sagt er. Den Hut des verunglückten zogen sie heraus. Wenn die Witwe den einreichte, erhielt sie eine Altersversorgung.

Burghausen: Am Ende der Schifffahrt mit der Plätte von Tittmoning nach Burghausen wartet der optische Höhepunkt - die Burg und die schmucken Bürgerhäuser.

Am Ende der Schifffahrt mit der Plätte von Tittmoning nach Burghausen wartet der optische Höhepunkt - die Burg und die schmucken Bürgerhäuser.

(Foto: Stadt Burghausen)

Den Bootsbegleitern selbst half nur noch ein Stoßgebet, schwimmen konnten sie meist nicht. Am besten richteten sie es direkt an die Jungfrau Maria, die gleich hinter Raitenhaslach hoch über der Salzach bis heute in der Wallfahrtskirche Marienberg residiert (siehe Artikel rechts). Für kurze Zeit können Fahrgäste mit einer schnellen Drehung ihres Oberkörpers die Marienkirche und das zweite grandiose Bauwerk der Fahrt, die Burg von Burghausen, in einem Schwenk bestaunen. An ihrem Fuße am Mauthaus war einst der erste Halt der Plätten vorgeschrieben, sie mussten Zoll entrichten. Darauf gründete der Reichtum der Stadt. Die Einfahrt mit den steil aufragenden Ufern, der Burg und den schmucken Bürgerhäusern an ihrem Fuße ist der Höhepunkt der Fahrt. Das merkt man am Schwanken des Bootes, als viele Gäste sich in Position bringen, um diesen Blick auf ihren Handys und Fotoapparaten festzuhalten. Alle meistern das souverän, der Flussgott geht an diesem Tag leer aus.

Für die Tipps bedanken wir uns bei Doris Graf aus Burghausen und Bodo Bleinagel aus München.

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