Ausstellung in Landshut:Szenen aus einer großen Zeit

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Auch die kostbaren Gewänder des Fürstenpaars von 1475 sind in der Ausstellung zu sehen. Diese Szene wurde in der Burgkapelle St. Georg arrangiert. (Foto: Sophie Linckersdorff)

Inszenierungen der Landshuter Hochzeit von 1475, die Kunst- und Wunderkammer der Wittelsbacher Herzöge, das Prunkzimmer, das Ludwig II. dort einrichten ließ - auf der Burg Trausnitz begegnet man den Mysterien der Vergangenheit auf Schritt und Tritt.

Von Hans Kratzer, Landshut

Vor gut 520 Jahren hielt der Geschichtsschreiber Angelus Rumpler in seinem Notizbüchlein fest, die von überall her sichtbare Burg Trausnitz verleihe der Stadt Landshut nicht wenig Glanz. Dieses Urteil ist bis heute unanfechtbar. In den Straßen und Gassen von Landshut zu flanieren und die darüber thronende Burg nicht zu besuchen, grenzt an einen Frevel. Es gibt nur wenige Orte, an denen man sich stärker vom Glanz der Vergangenheit umfangen fühlt als auf der weiten Gemarkung dieser Burg. Sie bildete lange Zeit ein Zentrum der Macht, das weit nach Europa hinaus strahlte. Hier residierten Fürsten und edle Frauen, hier verkehrten Helden und Gelehrte. Aber Geschichte speist sich nicht nur aus Pomp und Prunk. Damit der Betrieb am Laufen gehalten wurde, brauchte es viel Volk, und gerade in Landshut mangelte es der Bürgerschaft nie an Selbstbewusstsein. Nicht umsonst sagte man ihr oft und gerne nach, sie habe den Turm der Martinskirche grad extra so hoch gebaut, dass man den Großkopferten droben auf der Burg bequem in die Suppenschüssel schauen konnte.

Natürlich regt die Aura einer solchen Burg die Fantasie an, zu gerne würde man erleben, wie hinter ihren Mauern einst regiert und gelebt wurde. Nun ist ja Landshut in der glücklichen Lage, alle vier Jahre ein Festspiel zu erleben, in dem das Leben im 15. Jahrhundert überaus authentisch nachgespielt wird. Vor allem die Erinnerung an die große Fürstenhochzeit von 1475 ist allgegenwärtig und prägt die Stadt bis in ihren Kern. Da das Festspiel 2021 coronabedingt ausgefallen ist und auf 2023 verschoben wurde, sehnen viele Landshuter das dreiwöchige Spektakel herbei, das stets eine halbe Million Besucher in die Stadt lockt.

In der Großen Dürnitz sind Ritter beim Kampftraining dargestellt. Bei den Rüstungen handelt es sich um sündteure Plattnerarbeiten. (Foto: Sophie Linckersdorff)

Auf der Burg Trausnitz ist derzeit eine Ausstellung zu sehen, die das Warten zumindest ein bisserl versüßt. Sie ist das Ergebnis einer Kooperation der Stadt Landshut, der Bayerischen Schlösserverwaltung sowie des Vereins "Die Förderer", der das Festspiel ausrichtet. Die Räume der Burg werden mit Inszenierungen bespielt, die das Leben der Zeit um 1475 widerspiegeln. Dafür wurden lebensgroße Puppen mit Gewändern aus dem Fundus der Förderer ausgestattet, was wiederum eine große Authentizität garantiert. Denn die Förderer, die das Festspiel seit 1903 ausrichten, verwenden größte Mühe darauf, dem Original so nahe zu kommen, wie es nur irgendwie geht. Um die Kostüme, die Requisiten, die Musik und die Ritterspiele stimmig bis ins kleinste Detail umzusetzen, recherchieren Wissenschaftler und Experten in Archiven, Rüstkammern und Museen in ganz Europa. Dazu kommt eine ausgezeichnete Quellenlage. Der Ablauf der Fürstenhochzeit von 1475 ist bis ins kleinste Detail dokumentiert, es gibt aus dem Mittelalter nichts Vergleichbares.

Das Missgeschick des Freiherrn

Auf dieser Grundlage vermittelt die Landshuter Hochzeit intime Einblicke in fast alle Lebensbereiche, wobei offenkundig wird, dass das Volk von damals in seinen Vorlieben, aber auch in seinen Schwächen und in seiner Fehlbarkeit nicht viel anders gestrickt war als der aufgeklärte Mensch dieser Tage.

Greifen wir nur einmal das in einer Familienchronik dokumentierte Malheur des Johann Wernher Freiherr von Zimmern heraus. Der gute Mann sollte bei der Hochzeit von 1475 der Gräfin von Württemberg auf dem Weg zur Kirche das Geleit geben und sie dann zu Tanz und Tisch führen. Der Freiherr aber hatte am Abend vorher lange gezecht, dann verschlafen und seinen Dienst versäumt. Als Zimmern erwachte, marschierte der Festhaufen bereits an seiner Unterkunft vorbei. Hektisch zog er sich an, drängte sich durch die Zuschauer, verhängte sich aber an einem Bettler. Den zog er dann hinter sich her, bis sie beide vor der Herzogin auf dem Boden lagen. Noch dazu schüttete der Bettler den Hafen voller Suppe und Fleisch, den er bei sich hatte, über des Freiherrn Gewand. "Es war ein wunderbarlich Zappeln und Reißen von den zweien. Dass er ein Gegenstand des Gelächters war, das kann man sich wohl denken", lautete das Fazit des Chronisten.

Im Spiel von Licht und Schatten: Inszenierung einer Besprechung des Herzogs Ludwig mit dem Kanzler. (Foto: Sophie Linckersdorff)

Das besudelte Gewand des Freiherrn von Zimmern ist zwar nicht mehr vorhanden, aber im Fundus der Förderer hängen 2500 kostbare Kostüme des Festspiels, von denen jetzt einige für die Ausstellung bereitgestellt wurden. Es ist gerade in stillen Zeiten nicht immer einfach, Besucher auf die Burg zu locken. Im Schnitt kommen 50 000 Besucher pro Jahr, nur in den Jahren des Festspiels steigt die Quote deutlich an. Vom Parkplatz bis zur Burg muss man durchaus ein paar Schritte laufen, was zwar reizvoll ist, aber eben Zeit kostet. Vor gut 15 Jahren wurde im Rathaus die Idee ausgeheckt, einen Schrägaufzug von der Altstadt auf die Burg zu bauen. Das hätte aber einen schweren Eingriff in die spätgotische Stadttopographie mit sich gebracht und wurde wieder verworfen.

Die restaurierte Narrentreppe in der Burg Trausnitz. Die Fresken sind Szenen der italienischen Commedia dell' arte nachempfunden. (Foto: Sophie Linckersdorff)

Der große Brand im November 1961 zog die Burg schwer in Mitleidenschaft. Als sich jene Feuersbrunst durch die Räume fraß, fielen unersetzliche historische Werte und Objekte in Schutt und Asche, darunter die einzigartigen Renaissance-Trakte. Auch jenes Stockwerk, das König Ludwig II. für sich einrichten ließ, fiel den Flammen zum Opfer. Immerhin vermitteln einige in einem Depot ausgelagerte Teile des Inventars einen Eindruck von dem prächtig ausgestatteten Quartier.

Der wunderliche Haarmensch

Eine weitere Attraktion ist die 2004 eröffnete Kunst- und Wunderkammer, die an die Wittelsbacher Herzöge erinnert, die damals Wunderdinge der Natur und der Kunst zusammentrugen, welche die Heterogenität der wissenschaftlich noch unerforschten Welt zum Ausdruck brachten. Dazu gehört beispielsweise ein Gemälde, das einen dieser wunderlichen Haarmenschen zeigt, die im 16. Jahrhundert auch an den Fürstenhöfen wie ein Weltwunder bestaunt wurden. Das Bildnis zeigt eine mit zierlicher Spitzenhaube und Spitzenkragen gekleidete Dame, um deren Mund ein Schnurrbart rankt. Kunst- und Wunderkammern waren die Vorläufer der heutigen Museen und bringen auf faszinierende Weise das Weltverständnis des 16. Jahrhunderts zum Ausdruck.

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So taucht man beim Rundgang in der Burg in die ganz unterschiedlichen und berührenden Welten der Vorfahren ein. Und geht mit der Überlegung wieder heraus, dass es doch nicht ganz schlecht ist, in der jetzigen Zeit leben zu dürfen.

Am Hof der Reichen Herzöge von Bayern - Geschichten um die Landshuter Hochzeit 1475. Bis 31. Juli, täglich 10-16 Uhr, Burg Trausnitz Landshut.

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