Süddeutsche Zeitung

Bundeswehr: Standortschließungen in Bayern:Leiden an Guttenbergs Mission

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20.000 Stellen werden abgebaut, drei Standorte fallen weg: Die Bundeswehrreform bedeutet für Bayern harte Einschnitte und die CSU muss die Pläne des CDU-Ministers verteidigen. Immerhin, die strukturschwachen Gebiete werden zumeist verschont - und auch die Franz-Josef-Strauß-Kaserne bleibt.

Mike Szymanski und Frank Müller

Für den Erhalt der Franz-Josef-Strauß-Kaserne im oberbayerischen Altenstadt hat sich Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer mächtig ins Zeug gelegt. Wie die Namensgebung schon zeigt: Die CSU und die Bundeswehr, das war einmal eine enge Partnerschaft. Was wäre es auch für ein Signal gewesen, wenn ausgerechnet die vom damaligen Verteidigungsminister, dem CSU-Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg, angestoßene Bundeswehrreform an ihrem Ende dazu geführt hätte, dass die FJS-Kaserne dichtmachen muss?

So weit hat es Guttenbergs Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch nicht kommen lassen: Die Altenstädter dürfen 190 ihrer 720 Soldaten behalten und die CSU eine nach ihrem großen Vorsitzenden benannte Kaserne.

Darüber hinaus schonte der Verteidigungsminister Bayern keineswegs. Hier baut die Bundeswehr etwa 20.000 ihrer knapp 50.000 Stellen ab und stutzt den Freistaat, was die Bundeswehrpräsenz angeht, auf Normalmaß zurück. 20 Standorte werden deutlich verkleinert, Fürstenfeldbruck, Kaufbeuren und Penzing ganz geschlossen. Bis zuletzt war man in der Staatskanzlei davon ausgegangen, nur bis zu 12 000 Stellen zu verlieren.

Verkleinern geht vor schließen - in diesem Punkt hat de Maizière Wort gehalten. Aber dass so radikal beim Personal gekürzt wird, damit hatten auch erfahrene Wehrpolitiker wie der CSU-Landtagsabgeordnete Johannes Hintersberger nicht gerechnet: "Das tut weh", sagt er. Er und viele andere CSU-Politiker müssen sich in diesen Tagen zusammenreißen, um die Bundeswehrreform, zu der Guttenberg sie 2010 überredet hatte, weiter tapfer zu verteidigen.

Hintersberger kommt aus Schwaben, jenem Regierungsbezirk, den es besonders heftig erwischt hat. Mehr als 7000 Dienstposten werden in seiner Heimat gestrichen, Kasernen in Kempten und Kaufbeuren weitgehend aufgelöst, Kampfflieger abgezogen. Die Lokalpolitiker stehen kopf - und Hintersberger muss ihnen erklären, warum die CSU die Reform gewollt hat.

Dass die Reform an Bayern nicht spurlos vorübergehen konnte, sagt auch Regierungschef Horst Seehofer am Mittwoch im Landtag in seiner ersten Bilanz. Der Ministerpräsident gibt sich relativ entspannt, nennt die Schließungen lediglich Wermutstropfen und spricht sogar davon, der Freistaat habe "seine Primärziele zu hundert Prozent erreicht".

Seehofer greift zügig Forderungen aus der Opposition auf, sich um die Kommunen zu kümmern. Das sei zwar zuerst Sache des Bundes, darüber werde er auch mit Kanzlerin Angela Merkel sprechen, sagt er. Aber schon bei den Beratungen des eigenen Nachtragshaushalts im November will Seehofer auch über Freistaats-Programme diskutieren.

"Wer A sagt, muss auch B sagen", kommentiert einer aus dem CSU-Vorstand, wohl wissend, dass sich die Partei mit der Reform und deren Folgen für den Landtagswahlkampf 2013 regional weiteren Ballast aufgeladen hat. Den Freistaat trifft die Reform doppelt: De Maizière will der Rüstungsindustrie Aufträge in Milliardenhöhe streichen - allein in Bayerns Waffenschmieden sind nach Gewerkschaftsangaben etwa 30.000 Menschen beschäftigt, bei denen die Angst vor Kurzarbeit wächst.

Diese Umstrukturierung trifft Bayern härter noch als jene der rot-grünen Bundesregierung 2004. Damals verschwanden 16 - zumeist kleine - Standorte von der Karte, 7100 Soldaten mussten gehen. Jetzt geht es an die Substanz. Im fränkischen Roth etwa sollen von einst knapp 3000 Soldaten 540 bleiben - ein Torso nur.

Der Rückzug der Soldaten wird tiefe Spuren hinterlassen. Immerhin ist es Seehofer in den Verhandlungen mit dem Verteidigungsministerium gelungen, die ohnehin schon strukturschwachen Regionen in Oberfranken, Niederbayern und der Oberpfalz von Standortschließungen und übermäßigen Personalreduzierungen weitgehend auszunehmen. Das hätte das Ausbluten einzelner Landstriche nur noch weiter beschleunigt.

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Quelle:
SZ vom 27.10.2011
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