Bundestagswahl:Wahlkampf im Schatten des suspendierten Oberbürgermeisters

Joachim Wolbergs

Gegen den suspendierten Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) wurde Anklage erhoben, weil er sich mutmaßlich von einem Bauunternehmer schmieren ließ.

(Foto: dpa)
  • Wenn die Regensburger am 24. September ihr Kreuz machen, wird die Korruptionsaffäre keinen großen Einfluss auf ihre Entscheidung haben.
  • Dieser Meinung sind die Bundestagskandidaten der SPD und der CSU in der Stadt, Tobias Hammerl und Peter Aumer - in seltener Einigkeit.
  • Trotzdem fürchten die Politiker einen Vertrauensverlust.

Von Andreas Glas, Regensburg

Es gibt nicht vieles, worin sich Peter Aumer und Tobias Hammerl einig sind. Aumer ist Direktkandidat der Regensburger CSU, Hammerl will für die SPD in den Bundestag. Doch eines sagen beide Konkurrenten: Wenn die Regensburger am 24. September ihr Kreuz machen, wird die Korruptionsaffäre keinen großen Einfluss auf ihre Entscheidung haben. "Die Leute können sehr gut unterscheiden, was Kommunalpolitik und was Bundespolitik ist", sagt Hammerl. Bei Aumer klingt das ähnlich: Im Wahlkampf werde die Affäre "wenig von den Menschen angesprochen". Wer derzeit durch die Stadt spaziert, könnte einen anderen Eindruck kriegen.

Die Plakate der AfD hängen überall. Das Motiv: Dom, Donau, Steinerne Brücke. Das Schlagwort: "Unbestechlich". Die ÖDP-Plakate haben eine ähnliche Botschaft: "Unabhängige Parteien jetzt!". Reden sich Aumer und Hammerl die Dinge nur schön?

Beide Parteien, SPD und CSU, hat die Affäre beschädigt: Gegen den suspendierten Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) wurde Anklage erhoben, weil er sich mutmaßlich von einem Bauunternehmer schmieren ließ. Und gegen Alt-OB Hans Schaidinger (CSU) ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen eines großzügig dotierten Beratervertrags, den er bei der Firma des selben Unternehmers unterschrieben hat.

Tobias Hammerl, 40, sitzt in einem Regensburger Café. Sein großes Wahlkampfthema ist die Mobilität, das ist überhaupt das große Thema in Stadt und Landkreis. Die Region Regensburg wächst, 350 000 Menschen leben hier, 2040 könnten es 400 000 sein. Damit der Verkehr nicht kollabiert, brauche es kluge Stadtplanung, mehr öffentlichen Nahverkehr, mehr Radschnellwege, sagt Hammerl, mehr Straßen eher nicht. Spricht er über Mobilität, reißt er die Augen auf, er brennt für Politik, das spürt man. Über die Affäre redet er nicht so gern, auch das spürt man, er zieht dann die Augenbrauen zusammen.

"Es wird ein paar Leute geben, die sagen: Euch wähle ich nicht mehr", sagt Hammerl. Als der OB im Januar in U-Haft kam, "gab es kein anderes Thema, da war das: Bäng!". Aber jetzt "ist das auf Stand-by-Modus. Man schaut, was rauskommt" bei einem möglichen Gerichtsverfahren. "Was die Leute umtreibt, ist das da draußen", sagt Hammerl und deutet zum Fenster hinaus, wo sich die Autos in der Gasse stauen.

Hammerl hat Wolbergs lange in Schutz genommen

Hammerl ist Stadtrat, seine SPD-Fraktion hat eine Grundstücksvergabe mitgetragen, die im Zentrum der Affäre steht. Zwar wussten wohl weder er noch seine Parteigenossen von den Spenden, die im Gegenzug an Wolbergs geflossen sein sollen - doch fragen sich die Regensburger, warum die SPD-Stadträte nicht nachgefragt haben, wo Wolbergs das Geld herhatte für seinen OB-Wahlkampf, der sehr offensichtlich sehr teuer war. "Den Vorwurf muss man sich machen", gibt Hammerl zu, vielleicht sei die SPD etwas blind gewesen von der Euphorie um Wolbergs, "die man als SPDler überhaupt nicht kennt".

Er selbst hat Wolbergs lange in Schutz genommen. War das im Nachhinein naiv, zu voreilig? "Ich habe ihn verteidigt aufgrund der Dinge, die mir bekannt waren. Deswegen war das nicht voreilig", sagt Hammerl. Inzwischen sehe er ein, "dass die Gesamtschau problematisch ist, wenn sich bestätigt, was in der Anklage drinsteht". Falls der OB etwas Unerlaubtes getan hat, sei er sich dessen aber nicht bewusst gewesen, da ist sich Hammerl sicher. "Ich hoffe immer noch, dass es für ihn möglichst glimpflich ausgeht."

Sein CSU-Konkurrent Peter Aumer, 41, ist kein Stadtrat, er war es nie, auch nicht unter OB Schaidinger. Im Wahlkampf "sicher kein Nachteil", gesteht Hammerl ein. Doch auch Aumer will mit Blick auf die Bundestagswahl nicht von einem Stimmungstest für die Stadtpolitik sprechen. Nicht die Affäre selbst, eher deren Auswirkungen beschäftigten die Leute "sehr stark".

Politiker fürchten Vertrauensverlust

Über den Stadtrat und den suspendierten OB sagt er: "Es kann nicht sein, dass wenn der Kopf ausfällt, dass dann gar nichts vorangeht" bei den drängendsten Aufgaben. Dazu gehört auch für Aumer die Verkehrsplanung. Es müsse etwa die Frage nach einer weiteren Donauquerung angepackt werden, um die A 93 zu entlasten.

Als Listenkandidatin tritt Astrid Freudenstein (CSU) an, um ihr Mandat zu verteidigen. Im Wahlkampf kehrt sie heraus, als Abgeordnete für Regensburg "viel Geld aus Berlin geholt" zu haben: etwa für den sechsspurigen Ausbau der A 3 zwischen Kreuz Regensburg und Rosenhof und die Sanierung der Porta Praetoria. Dass Freudenstein, 43, als künftige OB-Kandidatin gehandelt wird, dazu will sie nichts sagen, "weil es nicht so aussieht, als gäbe es in absehbarer Zeit Neuwahlen".

Über die Korruptionsaffäre sagt sie: "Ich habe den Eindruck, dass das überregional stärker wahrgenommen wird als hier." Im Bundestag "staunen die Leute", sagt Freudenstein. Dass die Affäre sich nun in der Wahl der Regensburger niederschlägt, glaubt auch sie nicht. Vorstellbar sei aber, dass sich der Ärger der Bürger auf die Wahlbeteiligung auswirkt. Wenn ein OB "krumme Dinger" drehe, schade das der Politik insgesamt. Das ist es auch, was SPD-Kandidat Hammerl befürchtet: Dass die Affäre bei den Regensburgern "den Vertrauensverlust in die politische Klasse befördert".

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