Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen: Die Wirtschaft krankt, die Migration überfordert Teile der Gesellschaft und die Klimakrise verschärft sich immer weiter. Der Umbruch der Krankenhauslandschaft wirkt da fast schon wie ein lösbares Problem. Welche Antworten geben die im bayerischen Landtag vertretenen Parteien auf diese wichtigen Themen? Eine Analyse.
Migration
In Bayern haben vergangenes Jahr 36 000 Menschen einen Erstantrag auf Asyl gestellt, Tendenz sinkend. Knapp 25 000 Migranten sind derzeit in Bayern ausreisepflichtig, davon etwa 6200 „vollziehbar“. 3000 Menschen wurden 2024 aus Bayern abgeschoben, 14 800 reisten laut dem Innenministerium „freiwillig“ aus.

SZ Bayern auf Whatsapp:Nachrichten aus der Bayern-Redaktion – jetzt auf Whatsapp abonnieren
Von Aschaffenburg bis Berchtesgaden: Das Bayern-Team der SZ ist im gesamten Freistaat für Sie unterwegs. Hier entlang, wenn Sie Geschichten, News und Hintergründen direkt aufs Handy bekommen möchten.
Die CSU fordert im Wahlkampf eine „Wende“ in der Migrationspolitik. Und setzt damit den Ton. Spitzenkandidat Alexander Dobrindt hat schon vor der Gewalttat in Aschaffenburg einen „Knallhart-Plan“ benannt. Dieser Teil der CSU-Bayern-Agenda erlangte überregionale Beachtung, denn er deckt er sich weitgehend mit den Vorstößen der Union im Bundestag. Die CSU fordert einen „faktischen Einreisestopp von illegalen Migranten“ durch Grenzkontrollen und Zurückweisungen, auch von Asylsuchenden. Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte sowie alle freiwilligen Aufnahme-Programme, etwa aus Afghanistan, müssten weg. Die CSU plant eine massive Ausweitung der Abschiebehaft.
Der Kurs der Freien Wähler unter Hubert Aiwanger ähnelt in vielen Punkten programmatisch dem der CSU. Aiwanger wird aber nicht müde, die Union – und damit die CSU – als „Verursacher“ der Lage seit 2015 zu schelten.

CSU:Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Spätestens seit der Abstimmung im Bundestag gibt es in diesem Wahlkampf ein Davor und ein Danach: Für Markus Söder ist das Danach eine besondere Herausforderung. Ganz einfach, weil es im Davor so blendend für ihn lief.
Die bayerischen Grünen stellen die Migration nicht eigens nach vorn, Spitzenkandidatin Jamila Schäfer sieht im CSU-Vorstoß „Scheinlösungen“ und „Stimmungsmache“. Im grünen Wahlprogramm wird quasi der Gegenentwurf skizziert – die „Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft“. Es brauche eine „echte Willkommenskultur“. Für Kommunen sei die Situation „herausfordernd, für einige überfordernd“, deshalb müsse es Integrationsoffensiven geben, finanziell verlässlich ausgestattet. Dazu zählten etwa Sprachkurse direkt nach der Ankunft, Integration in den Arbeitsmarkt habe Priorität. „Wir stellen uns gegen reine Symbolpolitik und einen Kurs der Asylrechtsverschärfungen“, heißt es im Programm. Der jüngste Vorstoß von Kanzlerkandidat Robert Habeck, in dem Worte wie „Eindämmung“ vorkommen, wird auch innerhalb der bayerischen Grünen hitzig debattiert.
Das Programm der SPD verweist auf Erfolge der Bundesregierung. Man habe „die irreguläre Migration begrenzt“, stehe aber zu Rechtsstaat und Humanität. Die befristeten Grenzkontrollen, wie sie von der Bundesregierung selbst bei der EU beantragt wurden und an Bayerns Grenzen auch unter Assistenz der Landespolizei umgesetzt werden, erachtet die SPD als nötige „Ausnahme“. Vor einigen Monaten fiel Landtagsfraktionschef Holger Grießhammer durch einen für die SPD ungewohnten Zungenschlag auf: Man dürfe die Probleme bei der Migration „nicht länger totschweigen“. Das war noch vor dem Angriff in Aschaffenburg. Doch auch bei der SPD liegt der Fokus auf Gelingen von Integration, sie plädiert etwa für eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen. Die Staatsregierung von Ministerpräsident Markus Söder will Migranten künftig noch stärker in Großunterkünften bündeln, auch um Mietkosten zu sparen.

Flüchtlingshilfe:„Die Solidarität mit den Schwachen schwindet“
Seit der Messerattacke von Aschaffenburg fordern fast alle Parteien schnellere Abschiebungen. Wie klingt das für jene, die sich täglich für Geflüchtete einsetzen? Ein Gespräch mit Bayerns oberstem Kirchenasyl-Vermittler Stephan Reichel.
Die AfD stellt alles unter ihr Schlagwort „Remigration“, und zwar bundesweit „millionenfach“. Den Verdacht, dass davon auch deutsche Staatsbürger mit Zuwanderungsgeschichte betroffen sein könnten, nährte eine Resolution der Bayern-AfD im November. Darin war von „Personengruppen mit schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit“ die Rede, ohne diese genauer zu definieren. Auch gehört der Begriff „Passdeutscher“ bei vielen in der Bayern-AfD zum gängigen Sprachgebrauch. Die Bundes-AfD betont derweil im Programm, dass man nicht zwischen deutschen Staatsangehörigen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheide. AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner erklärte kürzlich bei einem Pressetermin, die Millionen republikweit ergäben sich allein dadurch, dass alle ukrainischen Kriegsflüchtlinge das Land verlassen müssten, „auch jetzt schon“. Das wären in Bayern bis zu 200 000 Personen, darunter der Großteil Frauen und Kinder.
Autoindustrie
Das Auto hat Deutschland zur globalen Wirtschaftsmacht geformt und Wohlstand beschert. In Bayern hängen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums rund 450 000 Arbeitsplätze an der Auto- und Zulieferindustrie. Mit BMW und Audi haben zwei Weltmarken ihren Sitz im Freistaat. Doch die Branche schwächelt, bei der Elektromobilität fährt Deutschland der Konkurrenz aus China und den USA hinterher. Plötzlich stehen auch in Bayern Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.

OB-Wahl:Wer rettet das Erfolgsmodell Ingolstadt?
Die einstige Boom-Stadt steckt mit Audi in der Krise. Nun wird ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Doch im Wahlkampf vermeiden die Kandidaten unpopuläre Aussagen – und hoffen, dass alles wieder gut wird.
Fast alle Parteien fordern in ihren Programmen eine bessere Förderung der E-Mobilität sowie einen Ausbau der Ladestationen. CSU, SPD und Grüne wollen den Absatz mit einer Kaufprämie für E-Autos ankurbeln. Die Pläne unterscheiden sich im Detail: Während die SPD nur in Deutschland produzierte Wagen mit einem Steuerrabatt fördern will, beziehen die Grünen „die europäische Automobilwirtschaft“ mit ein. Sie wollen eine E-Auto-Prämie zudem auf „kleine und mittlere Einkommen“ beschränken. Auch die CSU verspricht in ihrem Programm eine „E-Mobilitätsprämie“, ohne sie näher zu definieren. Die AfD hält Elektroautos für „nicht marktfähig“.
Sie setzt sich stattdessen dafür ein, das auf europäischer Ebene beschlossene Verkaufsverbot für klimaschädliche Verbrenner von 2035 an aufzuheben. Damit werben auch CSU und Freie Wähler. „Das geplante Verbot wird zur Abwanderung von Technik und Produktion aus Deutschland in andere Regionen führen“, heißt es im Programm der FW. SPD und Grüne halten am Verbrenner-Aus fest. „Global ist der Wettbewerb zwischen Verbrenner und E-Autos längst entschieden“, heißt es im Grünen-Programm.
Neben staatlichen Kaufprämien wollen mehrere Parteien die Industrie auch mit zusätzlichen Hilfsprogrammen unterstützen. Die CSU will einen bundesweiten „Transformations- und Modernisierungsfonds“ einrichten. Einen solchen Topf hat Söders Staatsregierung jüngst mit 100 Millionen Euro für die Autobranche befüllt. Kurz danach forderte die bayerische SPD-Fraktion eine „Bayernmilliarde“ für die heimische Autoindustrie. CSU, FW sowie SPD wollen die Hersteller auch vor möglichen Strafzahlungen an die EU schützen, die demnächst wegen gerissener CO₂-Grenzwerte fällig werden könnten.
Energie und Klima
Die Energiekosten haben großen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg. Seit dem Krieg in der Ukraine und dem Stopp der russischen Gaslieferungen sind die Preise vorübergehend massiv gestiegen. Bayern ist das Bundesland mit dem höchsten Energieverbrauch, auch wegen energieintensiver Branchen wie der Chemie- oder Glasindustrie. Das Thema ist auch der Bevölkerung wichtig. In ihren Programmen versprechen daher alle Parteien, die Kosten für Strom und Wärme zu senken.
Die Wege dahin variieren stark, zumal Energiepolitik längst auch eine klimapolitische Dimension hat. CSU und AfD setzen zum Beispiel auf eine Rückkehr zur Atomkraft. Beide Parteien wollen neue Reaktoren bauen und die im April 2023 abgeschalteten Kernkraftwerke wieder hochfahren – in Bayern geht es um den Reaktor Isar 2 bei Landshut. Laut Experten und Betreibern ist eine Reaktivierung alter Kernkraftwerke allerdings kaum möglich, der Rückbau von Isar 2 ist seit Monaten im Gang. Zuletzt erteilte auch Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) dem Plan eine Absage. Auch SPD und Grüne sind strikt dagegen. „Der lange geplante und parteiübergreifend beschlossene Atomausstieg hat unser Land sicherer gemacht“, konstatieren die Grünen.

Wahlprogramme:Wo die CSU heute klingt wie die AfD im Jahr 2021
CSU und AfD sind von Grund auf verschieden. Markus Söder hat die Rechts-außen-Partei zum „Hauptgegner“ ausgerufen. Inhaltlich hat er aber eine Reihe von Positionen übernommen, die 2021 noch im AfD-Programm standen. Eine Analyse.
Die AfD will auch zurück zu Kohle und russischem Gas. Außer ihr befürworten alle Parteien den Ausbau erneuerbarer Energien aus Wind, Sonne und Wasser. Diese seien „schon heute die günstigste Form der Stromproduktion“, schreibt die SPD. Die Freien Wähler heben in ihrem Programm Biogas-Kraftwerke als Pfeiler der Energiewende hervor. Die mit Pflanzen, Holzresten oder Abfällen betriebenen Anlagen sind in der bayerischen Landwirtschaft verbreitet. In wind- oder sonnenarmen Zeiten seien sie als „grundlastfähige Energiequelle unverzichtbar“. Wie die CSU fordern die FW zudem den Bau neuer Gaskraftwerke, um sogenannte Dunkelflauten zu überbrücken. Großen Zuspruch gibt es in den meisten Programmen für grünen Wasserstoff, der langfristig klimaschädliches Gas ersetzen soll.
In Bayern hat sich Ministerpräsident Söder jüngst vom eigenen Ziel der Klimaneutralität bis 2040 verabschiedet. In der CSU-Bayern-Agenda spielt die Klimapolitik fast keine Rolle. Stattdessen fordert sie zum Beispiel die „Abschaffung des Ampel-Heizungsgesetzes“, mit dem Gas- und Ölheizungen langfristig durch emissionsfreie Anlagen wie Wärmepumpen ersetzt werden sollen. SPD und Grüne wollen an dem Vorhaben festhalten und die Umrüstung weiterhin mit Förderungen von bis zu 70 Prozent finanziell unterstützen. In Bayern hat der Heizungsstreit viele Menschen bewegt – kein Wunder: Laut Statistik heizten zuletzt 68 Prozent mit Gas (38 Prozent) und Öl (30 Prozent).
Gesundheitsversorgung
Im Notfall gut versorgt zu sein, ist für viele Menschen ein Urbedürfnis. Wo immer ein Krankenhaus geschlossen wird, sammeln sich die Bürger zum Protest. Bayern mit seinen vergleichsweise vielen und zum Teil kleinen Krankenhäusern steht da noch einiges bevor. Denn die kürzlich verabschiedete Krankenhausreform der Ampel setzt auf weniger und dafür besser ausgestattete Kliniken. Diese Linie stellt auch keine Partei grundsätzlich infrage.
Die Freien Wähler etwa attestieren der Ampel, dass die Krankenhausreform „in Teilen in die richtige Richtung“ geht. Die Union spricht zwar von „Fehlsteuerungen infolge der Krankenhausreform“, die sie korrigieren werde. Ihre Vision einer „flächendeckenden Grund- und Regelversorgung“ auf dem Land und einer „Konzentration von spezialisierten Leistungen“ klingt aber genau nachdem, was die Ampel-Reform bezwecken soll: Auf dem Land sollen eher keine Knieprothesen mehr eingebaut werden, wohl aber wird man sich dort noch um einfache Knochenbrüche und die hoch fiebernde Großmutter kümmern.

Gesundheit in Bayern:Warum Bayern bei der Krankenhausreform von NRW lernen kann
Wie soll die Krankenhauslandschaft in Bayern künftig aussehen? Landräte, Gemeinden und auch die Opposition fordern klarere Vorgaben des Freistaates. Als Beispiel wird immer wieder NRW genannt. Kann sich der Freistaat im Norden etwas abschauen?
Die Menschen auf dem Land sollten trotzdem hochwertig versorgt werden, versprechen die Parteien. Für den Flächenstaat Bayern ist das eine gute Nachricht. Nur wie? Da gibt es verschiedene Ideen, die mehr oder weniger konkret sind. SPD und Grüne wollen die Notfallversorgung und den Rettungsdienst stärken, Arztpraxen und Krankenhäuser sollen enger zusammenarbeiten. Andere Berufsgruppen wie Physiotherapeuten, Rettungssanitäter oder die mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestatteten Gemeindeschwestern sollen mitanpacken.
Auch die Union will die Pflege und andere Berufsgruppen in die Versorgung einbinden, bleibt aber vage. Sie setzt auf die Apotheken als „erste und niederschwellige Anlaufstelle für viele Menschen mit ihren Gesundheitsanliegen“. Die Präsenzapotheke soll gestärkt werden. Die AfD will finanzielle und organisatorische Anreize schaffen, damit mehr Ärzte eine Praxis auf dem Land eröffnen. Auch die Freien Wähler betonen die Rolle der niedergelassenen Ärzte, die ihr bei den Reformen der Ampel zu kurz kamen. Ein starker ambulanter Sektor könne die Kliniken entlasten. Fast alle Parteien wollen die Telemedizin ausbauen, sodass man sich manchen Weg künftig sparen kann. Einzig die AfD warnt vor Gefahren für sensible Patientendaten.
Auch in Bayern wissen sie, dass sich die Krankenhauslandschaft ändern muss. CSU-Gesundheitsministerin Judith Gerlach hat die Idee der Ampel-Reform im Grundsatz unterstützt, zugleich aber mehr Ausnahmen und Gestaltungsspielraum für die Länder gefordert – immerhin ist die Frage, wo welche Klinik stehen sollen, Ländersache. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat da zuletzt ordentlich reinregiert. Das Unions-Programm verspricht den Ländern die Planungshoheit. Bayerns Kliniken wiederum dürfte das Versprechen der Union freuen, einen „kalten Strukturwandel“ zu verhindern. Das könnte bedeuten, dass Geld in notleidende Kliniken gepumpt werden soll. Damit also nicht die schließen, die zuerst pleitegehen, sondern die, auf die man in einer modernen Krankenhausplanung verzichten kann. In Bayern schrieben zuletzt sieben von zehn Kliniken rote Zahlen.