Wenige Wochen vor der Bundestagswahl zieht das Berliner Spitzenpersonal das Scheinwerferlicht auf sich. Im Bundestag finden dramatische Abstimmungen über das Thema Migration statt, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Herausforderer Friedrich Merz (CDU) liefern sich Rededuelle. Für kleinere Parteien fällt da in Bayern nur wenig Aufmerksamkeit ab. Zumal, wenn sie nicht wie CSU, FW, AfD, Grüne und SPD im Landtag oder wie FDP, Linke und BSW im Bundestag vertreten sind. Doch auch von den Kleinen sind in Bayern wieder einige zur Bundestagswahl zugelassen. Mit welchen Themen sie um Stimmen am 23. Februar buhlen.
Volt
Christian Penninger sträubt sich etwas, wenn man Volt in die Rubrik der „sonstigen“ Parteien schiebt. „Wir unterscheiden uns schon deutlich von anderen Kleinparteien“, sagt der bayerische Spitzenkandidat von Volt am Telefon. Jede Partei will eine besondere Partei sein, klar. Aber er hat einen Punkt: Volt ist neben der kommunistischen MLPD die einzige Kleinpartei, die in allen Bundesländern zur Wahl zugelassen wurde.

Aufmerksamkeit hat die progressive Partei zuletzt bei der Europawahl im vergangenen Jahr erregt. In Deutschland erzielte Volt 2,6 Prozent und zog europaweit mit fünf Abgeordneten ins EU-Parlament ein. Volt versteht sich, noch so eine Besonderheit, als „paneuropäische Bewegung“ und kann in zahlreichen europäischen Ländern gewählt werden.
Neben der Europapolitik nennt Penninger, 40-jähriger Direktkandidat aus Nürnberg, auch Digitalisierung und Klimaschutz als zentrale Themen. Seine „ökosozialliberale“ Partei verortet er inhaltlich am nächsten bei den Grünen. Er nennt es zum Beispiel „hochdramatisch“, dass Bayern bei seinem eigenen Klimaziel 2040 „eine Rolle rückwärts macht“.
Die Partei
Ein erster Wahlkampf-Coup ist der Satirepartei bereits im Januar gelungen. Vor dem Eingang der CSU-Parteizentrale in München hatte die „Partei“ gewohnt freche Wahlplakate aufgehängt, ganz legal. Auf den Plakaten war Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zu sehen, dazu ein Spruch, der Merz sinngemäß als Billigvariante von Donald Trump bezeichnete: „Wenn du Trump bei wish bestellst.“

Als die (mit GPS-Sender ausgestatteten) Plakate verschwanden, geriet die CSU unter Verdacht. Und tatsächlich: Videoaufnahmen zeigten, wie ein Mann die beiden Plakate in das CSU-Gebäude trug. Die Polizei nahm Ermittlungen auf, der CSU zufolge räumte ein Mitarbeiter den Diebstahl ein. Die Partei hat Strafantrag gestellt. „Kriminelle Deutsche können wir leider nicht abschieben“, kommentierte Anna Bauer, Sprecherin der Partei in Bayern.
Die Bloßstellung der CSU zeigt, wie die Politikmethode der Satirepartei im besten Falle funktioniert: Sie hält der seriösen Politik den Spiegel vor. Das gelingt freilich nicht immer. 2021 musste sich Parteichef Martin Sonneborn wegen eines klischeehaften China-Witzes entschuldigen, der als rassistisch kritisiert wurde.
ÖDP
Obwohl sie nicht im Landtag vertreten ist, setzt die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) immer wieder landespolitische Duftmarken. Denn keine andere Partei ist so profiliert darin, Volksbegehren anzuleiern – erfolgreiche oder zumindest folgenreiche. Am bekanntesten ist „Rettet die Bienen“ aus dem Jahr 2019, zehn Jahre zuvor ging es um Nichtraucherschutz oder in den Neunzigern um die Abschaffung des Senats, der bis dahin zweiten parlamentarischen Kammer in Bayern. Manche attestieren daher der ÖDP, die wirksamste Oppositionspartei in Bayern zu sein. Ein uncharmanter Seitenhieb auf die Grünen, mit denen die ÖDP das ökologische, weniger das gesellschaftlich-progressive Profil teilt.
Auch kommunal ist die ÖDP im Freistaat durchaus präsent mit gut 400 Mandatsträgern in Bezirken, Kreisen, Städten und Gemeinden. Bei der Bundestagswahl 2021 kam sie in Bayern aber nur auf 0,7 Prozent, bei der Landtagswahl 2023 auf 1,8 Prozent.
Ein Thema der ÖDP im Wahlkampf zum Beispiel ist die Situation der Krankenhäuser. Sie tadelt zudem Markus Söders „Atom-Revival-Wahlkampf“, die CSU wolle nur von ihrem „Totalversagen“ bei der Energie ablenken. Die ÖDP fordert bundesweite Volksentscheide, Konzernspenden für Parteien lehnt sie ab.
Die Basis
Aus der „Querdenker“-Szene heraus ist die Basisdemokratische Partei Deutschland entstanden, kurz: die Basis. Bayern war für die Corona-Wutbürger, die mit ihren Protesten im Verdacht extremistischer Unterwanderung standen, ein gutes Pflaster und ist nun eines von vier Bundesländern, in denen die Partei zur Bundestagswahl zugelassen ist. Das Ursprungsthema Corona ist geblieben, die Basis fordert in ihrem Wahlprogramm etwa eine Aufarbeitung in einem Untersuchungsausschuss. Ohnehin Gesundheit: Heilpraktiker sollen gleichrangig mit der Schulmedizin arbeiten, aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) müsse Deutschland austreten. Ebenso übrigens aus anderen „undemokratischen“ Organisationen wie der NATO. Man stehe für eine „klare Absage an jede Form von Kriegstreiberei“.
Die Partei verwendet teils Begriffe der AfD, spricht von der „Einheitsfront der Altparteien“. Das Aufkommen der Basis beziehungsweise ihrer Vorläufer in der Pandemie – und damit eine Konkurrenz – hatte die AfD damals dazu getrieben, voll auf die Straßenproteste zu setzen. Dies belegen AfD-Chats, die wegen darin geäußerter Umsturzfantasien Bekanntheit erlangten. Bei der Bundestagswahl 2021 kam die Basis in Bayern auf 1,7 Prozent, bei der Landtagswahl auf 0,9. Vergleichsweise stark ist sie in Gegenden, in denen die Corona-Impfquoten eher niedrig waren.
Bayernpartei
Im Streit über die Migration sieht die Bayernpartei (BP) das Grundübel in Berlin. Die „überhebliche Polit-Elite“ dort sende Botschaften in die Welt, weshalb Migranten in Hoffnung auf ein besseres Leben überhaupt aufbrächen. „Sozialmigranten ab nach Berlin“, fordert daher die BP, illustriert mit Alpendorf-Idylle und einer durchgestrichenen Container-Siedlung. Deutschland solle „seine Flüchtlinge selbst aufnehmen“.

Wahlprogramme:Wo die CSU heute klingt wie die AfD im Jahr 2021
CSU und AfD sind von Grund auf verschieden. Markus Söder hat die Rechts-außen-Partei zum „Hauptgegner“ ausgerufen. Inhaltlich hat er aber eine Reihe von Positionen übernommen, die 2021 noch im AfD-Programm standen. Eine Analyse.
Richtig gehört! Bayern zählt die Bayernpartei nicht zu Deutschland. Ihr Ziel ist die Unabhängigkeit. Zwar kenne das Grundgesetz keinen Austritt, man berufe sich aber auf die Selbstbestimmung der Völker gemäß UN-Charta. Und die BP wirbt: Wenn Bayern nicht mehr zur Bundesrepublik gehöre, hätte jeder bis zu 13 850 Euro im Jahr mehr im Geldbeutel. Man bezieht sich da auf den Länderfinanzausgleich, anderweitige Folgen einer Abspaltung bleiben außen vor.
Bei der Bundestagswahl 2021 holte die BP im Freistaat 0,4 Prozent der Zweitstimmen, bei Landtagswahlen sind es meist zwischen einem und zwei Prozent. Bis in die Sechzigerjahre war sie in Bayern etabliert, saß sogar zweimal in der Staatsregierung, unter Führung der CSU sowie der SPD im Viererbündnis von Wilhelm Hoegner 1954.
Partei der Humanisten
„Ich würde die nicht wählen“, „voll die Streber“, „irgendwas machen die falsch“: Mit einem selbstironischen Wahlspot will die Partei der Humanisten (PdH) für sich werben. In dem Clip zitiert eine junge Frau das Wahlprogramm und wundert sich über Forderungen wie „evidenzbasierte Medizin“ statt Homöopathie, „Trennung von Religion und Staat“ oder Selbstbestimmung bei Abtreibungen. Wo bleibt da bloß der Populismus, fragt sich die Wählerin und schüttelt den Kopf.
Mit dem Slogan „Fakten, Freiheit, Fortschritt – unwählbar“ will die Partei der Humanisten natürlich genau das Gegenteil erreichen. Sie versucht, sich als Stimme der Vernunft in einer von Emotion und Halbwahrheiten geprägten Debatte zu präsentieren. Die Erfolgschancen sind allerdings gering. Bislang kam die 2014 gegründete Partei bei keiner einzigen Wahl über die Marke von 0,5 Prozent. Bei der Bundestagswahl ist sie nur in vier Bundesländern wählbar: Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Hessen.
Tierschutzpartei
Die Tierschutzpartei ist vermutlich die einzige Partei Deutschlands, auf deren Plakaten und Internetseiten mehr Küken, Schweine und Katzen zu sehen sind als Politiker. Man wolle „den Stimmlosen eine Stimme geben“, heißt es bei der Partei. Seit 1993 kämpft sie für bessere Tierschutzgesetze, zum Beispiel in Form eines eigenen Tierschutzartikels im Grundgesetz. Sie fordert ein Ende der Massentierhaltung und proklamiert den Veganismus als Ernährungsform, die Umwelt, Mensch und Tier am wenigsten schadet.
In ihrem Programm zur Bundestagswahl thematisiert die Partei außer dem Tierschutz etwa Menschenrechte, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. So fordert die Partei ein „Recht auf ein Sabbatjahr“ für Arbeitnehmer, kritisiert die Bezahlkarte für Asylbewerber als „diskriminierend“ und setzt sich für eine Kindergrundsicherung ein, an deren Umsetzung die Ampel gescheitert ist. Bei der Bundestagswahl 2021 erzielte die Tierschutzpartei mit 1,5 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl.
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands
Wenn eine Partei von einem „Zentralkomitee“ geführt wird, erinnert das nicht zufällig an Strukturen der Sowjetunion oder der DDR, in der das sogenannte ZK die Richtung vorgab. Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) wird von einem ZK in Gelsenkirchen geführt. Sie strebt laut eigenem Programm nach einer sozialistischen Revolution „mit dem Ziel des weltweiten Kommunismus“. Die MLPD beruft sich ideell nicht nur auf die Lehren der Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels sowie des russischen Revolutionsführers Wladimir Iljitsch Lenin. Sie verteidigt auch die kommunistischen Diktatoren Josef Stalin und Mao Zedong.
In Bayern wird die MLPD vom Verfassungsschutz als linksextremistische Organisation beobachtet. Der Behörde zufolge hat sie in Bayern 120 Mitglieder. Seit ihrer Gründung 1982 hat die Partei noch kein Mandat auf Bundes- oder Landesebene gewonnen.
Bündnis Deutschland
Erstmals bei einer Bundestagswahl in Bayern tritt das Bündnis Deutschland (BD) an. Man wolle „eine Lücke im freiheitlich-konservativen Spektrum“ schließen, heißt es, also irgendwo zwischen Union und AfD. Im Wahlprogramm finden sich zu Wirtschaft und Staat auch libertäre Elemente. Ja, man sei rechts, zitierten die Nürnberger Nachrichten mal die bayerische BD-Spitzenkandidatin Birgit Ruder. „Aber ohne rechte Tragfläche kann kein Flugzeug starten.“ Ruder (früher Freie Wähler) ist Gemeinderätin im mittelfränkischen Feucht. Bei den Corona-Demos trat sie als Akteurin mit radikal anmutenden Thesen in Erscheinung.
„Enttäuschte“ Mitglieder und Wähler von Union, FW, FDP und SPD will das BD ansprechen, aber auch von Abspaltungen der AfD und aus dem gemäßigteren AfD-Spektrum. Dadurch sowie über Fusionen zählt das BD immer wieder Mandatsträger in Deutschland. Auch mal einen bayerischen Landtagsabgeordneten – den Ex-AfD-Fraktionschef Markus Plenk, der 2023 das Bündnis wieder verließ.