Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:Herrmann, der Hilfreiche

  • Am Montag will die CSU ihren Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl präsentieren.
  • Dass Bayerns Innenminister Joachim Herrmann auf Listenplatz eins stehen wird, gilt als offenes Geheimnis.
  • Der Franke könnte im Wahlkampf zum Garanten für die besonders wichtigen Felder Sicherheits- und Flüchtlingspolitik werden.

Von Wolfgang Wittl

Im bayerischen Innenministerium, so hört man, soll es zuletzt verstärkt zu fragwürdigen Glücksspielaktivitäten gekommen sein. Schuld ist ausgerechnet der Chef des Hauses, Innenminister Joachim Herrmann - und mit ihm die Frage, was er genau vorhat in seinem weiteren politischen Leben. Selbst enge Mitarbeiter rätseln seit Wochen, wofür sich ihr Vorgesetzter nun entschieden hat. Sie haben daher bereits Wetten abgeschlossen, ob Herrmann zu einem Wechsel nach Berlin bereit ist oder doch am Odeonsplatz 3 in München ausharren wird.

Alles dreht sich in der CSU im Moment um das Thema, ob Horst Seehofer noch mal als Ministerpräsident und Parteichef antreten wird. Am Montag will Seehofer das Geheimnis, das kaum noch eines ist, vor den Parteigremien lüften. Doch nach der offiziellen Tagesordnung geht es in der CSU-Vorstandssitzung eigentlich um anderes: "Vorschlag des Parteivorstands für die Landesliste zur Bundestagswahl 2017". Und damit vor allem um den CSU-Spitzenkandidaten für Berlin.

Joachim Herrmann hat in den vergangenen Monaten beharrlich geschwiegen über seine Ambitionen. Die SZ hat in dieser Phase einmal geschrieben, Herrmann könne ganze Säle beschweigen. Das fanden Menschen, die Herrmann gut kennen, zum einen sehr lustig. Zum anderen hielten sie es aber auch für stark untertrieben.

Schon von Amts wegen als Innenminister ist Herrmann bestens geschult, Geheimnisse für sich zu behalten. Trotzdem ist das Geheimnis, er werde die CSU im September auf Listenplatz eins in die Bundestagswahl führen, in der Partei inzwischen ebenso wenig eines wie die Annahme, dass Horst Seehofer noch einmal für beide Ämter antreten wird.

Schon 2011 hätte Herrmann nach Berlin wechseln können. Damals war Karl-Theodor zu Guttenberg zurückgetreten, die CSU brauchte dringend eine ministrable Person. Herrmann lehnte aus familiären Gründen ab. Mittlerweile hat sich die Ausgangslage geändert. Herrmanns Kinder sind erwachsen, seine Frau soll einem Wechsel in die Bundeshauptstadt aufgeschlossen gegenüberstehen.

Parteifreunde sagen auch, dass Herrmann mit nun 60 Jahren durchaus Gefallen daran finden könnte, zum Bundesinnenminister aufzusteigen. Außerdem verschließe er sich als Parteisoldat nur selten Wünschen, wenn es für die CSU von Nutzen sei. Und dass eine Spitzenkandidatur Herrmanns für die Partei und insbesondere für Seehofer hilfreich wäre, daran bestehen keine Zweifel.

Herrmann könnte im Wahlkampf zum Garanten für die in der CSU besonders wichtigen Felder Sicherheits- und Flüchtlingspolitik werden. Er vertritt einen klaren, mitunter harten Kurs, achtet aber - anders als Parteikollegen - stets auf seine Wortwahl. Herrmann zählt seit Jahren zu den Leistungsträgern im Kabinett, kann über Bauverordnungen so spontan referieren wie über die Sicherheitslage.

Als der Freistaat im vergangenen Sommer von den Anschlägen in Ansbach, Würzburg und München erschüttert wurde, gewann er zusätzlich an Statur durch Eigenschaften, die ihm bis dahin als Nachteil ausgelegt worden waren. Er überzeugte durch Ruhe und Unaufgeregtheit. Mancher in der CSU sah darin lange einen mangelnden Ehrgeiz, verwechselte dies aber womöglich nur mit Herrmanns Loyalität.

Die Indizien, der Mann aus Erlangen könnte nach Berlin wechseln, häuften sich. Bei Parteiveranstaltungen warb Hermann auffallend energisch für Geschlossenheit mit der CDU und einen engagierten Bundestagswahlkampf. Er reiste in den Libanon, um sich über Hilfsprojekte und die Lage von Flüchtlingen zu informieren. Diese Woche war er in Nordrhein-Westfalen unterwegs, um den Kollegen der CDU im Wahlkampf zu helfen. All das gehört nicht zur Stellenbeschreibung eines bayerischen Landesministers.

Sollte die CSU auch der nächsten Bundesregierung angehören, wird Seehofer wohl versuchen, das Innenministerium für Herrmann zu beanspruchen. In den vergangenen Wochen nahm er ihn bereits öfter zum Koalitionsgipfel mit. Und man könne "niemanden mitnehmen, wenn die Kanzlerin das nicht will", sagte Seehofer. Das sollte zeigen, dass Angela Merkel Herrmann wohl grundsätzlich schätze.

Beim letzten Koalitionstreffen vor Ostern sei der entscheidende Beitrag zum Thema Wohnungseinbrüche von Herrmann gekommen, sagte Seehofer noch. "Und zwar so, dass der Parteivorsitzende keine feuchten Hände bekommen muss." Auch in der CSU-Landesgruppe kommt Herrmann mit seiner seriösen Art gut an. Klar dürfte aber sein: Sollte er nach Berlin wechseln, dann nur als Innenminister.

Beste Chancen bei einem Duell gegen Söder

Sogar als Parteichef wurde Herrmann zuletzt gehandelt, der ehemalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber zählt zu seinen größten Fürsprechern. Auch andere in der CSU sind der Ansicht, dass der Mittelfranke von allen in der Partei wohl die besten Aussichten hätte, sollte es zu einem Duell mit einem anderen Mittelfranken kommen, Markus Söder. Bei Parteitagen erzielt Herrmann stets glänzende Ergebnisse. Doch diese Frage stellt sich für ihn nicht, solange Seehofer sich nicht selbst zu seiner Zukunft geäußert hat.

Im Oktober dieses Jahres feiert Herrmann sein zehnjähriges Jubiläum als bayerischer Innenminister. Ob es wirklich dazu kommt, könnte auch vom Tempo der Koalitionsverhandlungen abhängen. Seine Mitarbeiter, die auf einen Verbleib in München gewettet haben, sollten sich ihrer Sache jedenfalls nicht zu sicher sein.

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SZ vom 22.04.2017/sim/imei
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