Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:Die CSU bröckelt, die Bayern bleiben Merkel treu

  • Einer aktuellen Umfrage zufolge behauptet die CSU in Bayern zwar mit großem Vorsprung ihre Spitzenposition, muss aber kleine Einbußen hinnehmen.
  • Auch die SPD verliert leicht, AfD und Linke verbessern sich je um ein Prozent.
  • Die Zahlen dieser repräsentativen Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap von 30. August bis 4. September im Auftrag des BR ermittelt.

Von Wolfgang Wittl

Vor ein paar Tagen trat Horst Seehofer bei einer Münchner Wahlkampfveranstaltung auf: Die Stimmung war erwartbar gut, der Jubel der Anhänger angemessen groß, doch was der CSU-Chef bei seinem Abschied in kleiner Runde zu sagen hatte, wollte nicht so recht zur heiteren Atmosphäre um ihn herum passen. "Die CSU bröckelt", grummelte Seehofer mit Verweis auf Umfragen. Und - aus seiner Sicht besonders misslich - ausgerechnet AfD und Linkspartei legten zu. "Mehr Feuer, mehr Bewegung, mehr Klartext" im Endspurt forderte Seehofer noch, und ließ ein erstauntes Publikum zurück.

Man kann diese Anekdote nun unter der Rubrik abhandeln: "Parteichef auf Mobilisierungstour." Doch die neuesten Zahlen geben Seehofer recht, wenn auch nicht in dem Maß, in dem es seine drastischen Worte vermuten ließen. Im neuen Bayerntrend des BR-Politikmagazins "Kontrovers" behauptet die CSU zwar mit großem Vorsprung ihre Spitzenposition, muss aber kleine Einbußen hinnehmen. Wäre bereits am kommenden Sonntag Bundestagswahl und nicht am 24. September, käme die CSU auf 47 Prozent. Das ist ein Punkt weniger als beim letzten Bayerntrend im Mai, aber immer noch der zweitbeste Wert seit zwei Jahren.

Auch die SPD verlöre ein Prozent auf nun 17 Punkte, AfD (acht) und Linke (fünf) verbesserten sich um jeweils ein Prozent. Auch die Grünen legten zu und wären mit nun neun Punkten die drittstärkste Kraft im Freistaat. Sie lösen damit die Freien Demokraten ab, bei denen der Trend deutlich nach unten geht. Lag die FDP im Mai bei zehn Prozent, rutschte sie jetzt auf sieben ab. Die Zahlen dieser repräsentativen Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap von 30. August bis 4. September im Auftrag des BR ermittelt. Die Freien Wähler sind unter sonstigen Parteien (sieben) aufgeführt.

Knapp ein Drittel der Befragten gab an, ihre Entscheidung könne sich bis zum Wahltag noch ändern, 70 Prozent haben sich bereits so gut wie entschieden. Am klarsten festgelegt haben sich AfD-Wähler (90 Prozent), am wenigsten die Unterstützer der SPD (55). Könnten die Kanzlerkandidaten direkt gewählt werden, hätte Angela Merkel in Bayern weiterhin einen deutlichen Vorsprung vor Martin Schulz. Sie käme im Vergleich zum Mai auf 54 Prozent (minus 3); Schulz auf 21 (minus 1).

Fast ein Fünftel gibt an, spontan keinen von beiden wählen zu wollen (plus 3). Der Flüchtlingsstreit zwischen Seehofer und Merkel hat der Kanzlerin offensichtlich nicht geschadet, der Zuspruch der CSU-Anhänger ist immens. 91 Prozent geben an, der CDU-Chefin ihre Stimme zu geben, nur drei Prozent würden Schulz wählen. Spekulationen, die christsoziale Basis würden sich im Wahlkampf nicht für Merkel engagieren wollen, dürften damit widerlegt sein. Zum Vergleich: Schulz bekäme von SPD-Wählern 70 Prozent der Stimmen, 23 Prozent gingen an Merkel. Auch bei FDP, Grünen und AfD genießt Merkel mehr Sympathien, die Anhänger der Linkspartei würden eher für Schulz votieren.

Spannend bleibt die Koalitionsfrage: Die Hälfte der Befragten fänden ein Bündnis von CDU/CSU und FDP "sehr gut" oder "gut", 46 Prozent eher nicht. Die schwarz-gelbe Konstellation ist demnach die einzige, die überwiegend positiv bewertet wird. Als nächstes wird eine Neuauflage der großen Koalition von Union und SPD (48 Prozent sehr gut oder gut) gewünscht, danach folgen Schwarz-Grün (43) und Jamaika, also CDU/CSU, Grüne und FDP (38). Am wenigsten können sich die Bayern mit einer SPD-geführten Ampelkoalition mit FDP und Grünen (26) und Rot-Rot-Grün (19) anfreunden. CSU-Chef Seehofer hatte unlängst - wohl auch wegen der rechnerischen Wahrscheinlichkeit - durchaus Gesprächsbereitschaft für ein Jamaika-Bündnis signalisiert, nahm wegen der grünen Forderungen etwa beim Verbrennungsmotor aber wieder Abstand davon.

Ein Verbot des Verbrennungsmotors bis 2040 befürworten 30 Prozent der Befragten, fast zwei Drittel lehnen es ab. Unentschieden steht es bei der Bewertung von Flüchtlingen: 37 Prozent sehen sie als Bereicherung, 38 Prozent als Belastung. Mit großem Abstand wird das Thema "Migration, Flüchtlinge, Asylpolitik" als wichtigstes Problem in Deutschland benannt (58). Danach kommen die von der SPD forcierten Themen soziale Ungerechtigkeit und Armut (20), Rente und Alterssicherung (17) sowie Bildung, Schule, Ausbildung (14).

Innere Sicherheit (sechs) - ein Schwerpunkt von CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann - wird kaum als Problem benannt, 88 Prozent der Bayern fühlen sich "eher sicher". Die wirtschaftliche Stimmung ist unverändert gut (83), 40 Prozent empfinden die soziale Lage aber als "eher ungerecht". Und auch wenn Seehofer die CSU bröckeln sah: Die Wechselstimmung ist nur schwach ausgeprägt.

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SZ vom 07.09.2017/libo
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