Claudia Roth wird bei der Bundestagswahl im Februar nicht mehr als Spitzenkandidatin der Grünen in Bayern antreten. „Ich sehe diese Entscheidung als einen wichtigen Schritt, der den Weg für junge Ideen und neue Perspektiven in der Politik öffnet und einen Generationenwechsel an der Spitze unserer Landesliste auf Platz eins ermöglicht“, teilte die Kulturstaatsministerin der Bundesregierung auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung mit. Als Nachfolgerin für die Spitzenposition empfiehlt Roth die Münchner Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer. Die 31-Jährige hatte bei der Bundestagswahl 2021 das einzige Direktmandat in ganz Bayern geholt, das nicht an die CSU ging – im Wahlkreis München-Süd.
Mitte Dezember stellen die bayerischen Grünen in Hirschaid bei Bamberg ihre Landesliste auf. Roth bewirbt sich erneut für den Bundestag, will dann aber nur noch auf Platz drei kandidieren – also nicht mehr das zentrale Gesicht für den Wahlkampf in Bayern sein. Dies sei „ein bewusstes Angebot“ an ihre Partei, sagte sie.
Für Roth, 69, wäre es bereits der vierte Wahlkampf als Spitzenkandidatin gewesen, sie sitzt seit 1998 im Bundestag. Zuletzt waren im grünen Landesverband intern Stimmen zu vernehmen, die für einen Neuanfang an der Spitze plädierten, für „ein frisches Gesicht“, für „ein Signal des Aufbruchs“ an die Wählerinnen und Wähler. Öffentlicher Druck blieb allerdings aus. Hätte Roth erneut Platz eins anvisiert, heißt es in Parteikreisen, wäre sie aber bestätigt worden; auch wegen ihrer Beliebtheit an der Basis. Die Spitzenkandidatin tritt für gewöhnlich bei den größten Wahlkundgebungen auf, tourt für die Partei durch Bayern oder stellt sich in Fernsehdebatten den politischen Mitbewerbern.
Auch in der Rolle an hinterer Stelle der Liste, sagte Roth, wolle sie „mit voller Kraft und Leidenschaft und mit meiner langjährigen Erfahrung für unsere grüne Vision kämpfen: mit Empathie und Verstand, mit Herz und Haltung“. Sie war viele Jahre auch Bundesvorsitzende der Grünen und, bevor sie 2021 Kulturstaatsministerin der Ampel-Koalition wurde, Vize-Präsidentin des Bundestags.
Roth hob Jamila Schäfers Erfahrung trotz des jungen Alters hervor – als Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestags, Landesgruppen-Chefin im Parlament und ehemalige stellvertretende Bundesvorsitzende. „Sie würde unsere Partei entschlossen und kraftvoll in einen erfolgreichen Wahlkampf führen.“
Im repräsentativen BR-„Bayerntrend“ kamen die Grünen jüngst auf 13 Prozent im Freistaat – auf Platz drei hinter CSU und AfD. Das ist relativ stabil im Vergleich zum Landesergebnis bei der Bundestagswahl 2021 (14,1 Prozent). Umfragen anderer Institute zuletzt – noch vor der Nominierung von Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten – taxierten die Partei in Bayern indes auch deutlich niedriger.
Schäfer selbst kündigte an, sie setze sich dafür ein, „dass wir in der Politik wieder gemeinsam Lösungen statt Schuldige suchen“. Als junge Mutter wisse sie, dass der Schutz des Klimas und der Demokratie „die Grundlage dafür sind, dass auch die kommenden Generationen ein gutes Leben in Frieden und Freiheit genießen können“. Es wäre ihr eine Ehre, „der großartigen Claudia Roth nachfolgen zu dürfen“. Das alles steht aber unter dem Vorbehalt der Aufstellung auf bayernweiter Ebene im Dezember.
Anton Hofreiter gewinnt eine wichtige Vorentscheidung
Vor der Landesliste wählen bei den Grünen jeweils Versammlungen in den Bezirken „Voten“, die sie dann in die bayernweite Aufstellung einspeisen. Jamila Schäfer wurde am Samstag bei einem Treffen in Starnberg auf den Frauen-Spitzenplatz in Oberbayern gewählt. Sie kandidiert auch wieder für das Direktmandat im Münchner Süden. Roth tritt wie gehabt in Augsburg für die Erststimme an.
Ebenfalls in Starnberg hat am Samstag Anton Hofreiter eine wichtige Vorentscheidung gewonnen. Claudia Roth war bei den vergangenen drei Bundestagswahlen quasi als Duo mit Hofreiter angetreten, auf Platz eins und zwei der Landesliste. Die beiden Partei-Promis sind, neben der bayerischen Fraktionschefin Katharina Schulze, die bekanntesten Grünen aus dem Freistaat.
Hofreiter, Chef des Europaausschusses im Bundestag und Verfechter von umfassenderen Waffenlieferungen an die Ukraine, bekam für das männliche Top-Votum der oberbayerischen Grünen indes Konkurrenz. Der Münchner Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek kandidierte gegen ihn. Er ist in der Bundesregierung Koordinator für maritime Wirtschaft und Tourismus, angesiedelt in Habecks Wirtschaftsministerium. Hofreiter entschied das Duell mit Janecek bei 64 zu 44 Stimmen für sich – und dürfte sich mit diesem Votum im Rücken jetzt erneut für Platz zwei der Landesliste bewerben.