CSU:Seehofer ist angezählt, aber nicht "geköpft"

CSU: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bei der CSU-Pressekonferenz in München.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer bei der CSU-Pressekonferenz in München.

(Foto: AFP)

Die CSU als 38-Prozent-Partei, das haben selbst Pessimisten nicht erwartet. CSU-Chef Seehofer übernimmt die Verantwortung für das schlechte Abschneiden - und hält sich vorerst im Amt. Aber bleibt er dort auch bis zur Landtagswahl im nächsten Jahr?

Von Ingrid Fuchs

Kein Platz für die AfD. Mit diesem Ziel ist die CSU in den Bundestagswahlkampf gezogen - und krachend gescheitert. Zwar ist die Partei im Freistaat in allen Wahlkreisen stärkste politische Kraft geworden - allerdings sind ihre Werte fast überall auf weniger als 50 Prozent gesunken. In den Großstädten München und Nürnberg liegt die CSU sogar nur bei etwa 30 Prozent. Man könnte nun daraus schließen, dass das Konzept von Parteichef Horst Seehofer nicht aufgegangen ist.

Konzept? Nun ja. Viele - auch parteiinterne Kritiker - werden sagen, Schlingerkurs trifft es besser. Erst das Gekeile gegen die Bundeskanzlerin, dann die totale Unterstützung für "die liebe Angela". Erst hieß es, koaliert wird nur mit fixer Obergrenze für die Zuwanderung, dann verlautete aus der CSU, ein atmender Deckel tue es auch. Wenige Tage vor der Wahl dann noch die Blamage wegen der von Innenminister Joachim Herrmann präsentierten falschen und irreführenden Zahlen zu Sexualdelikten und Flüchtlingen - ein völlig missglückter Schnellschuss, um AfD-Wähler abzugreifen. Das dürfte nicht nur dem Spitzenkandidaten sondern auch dem CSU-Chef geschadet haben. Er gilt nun als angezählt.

Die AfD hat in Bayern 12,4 Prozent geholt, in vielen Wahlkreisen ist sie zur zweitstärksten Kraft gewählt worden. Und die CSU? Ist bayernweit um 10,5 Prozentpunkte auf verheerende 38,8 Prozent abgestürzt. Seehofer nennt es in der Pressekonferenz am Montagnachmittag "eine historische Herausforderung", seine Stimme klingt anfangs ein wenig brüchig. Das ist bei ihm zwar nicht ungewöhnlich, wirkt aber an diesem selbst für die Schwarzen fast zu schwarzen Tag wie ein düsteres Zeichen. Wie viel ist kaputt gegangen?

Gleich am Morgen hatte Seehofer die Verantwortung für das Debakel übernommen. "Ihr könnt mich nach der Wahl köpfen", hatte der CSU-Chef den Parteimitgliedern im Februar gesagt, als viele wegen der plötzlichen Kehrtwende gegenüber Merkel verärgert waren. Und jetzt? Seehofer selbst denkt nicht an einen Rücktritt, in der Vorstandssitzung hat er trotzdem die Vertrauensfrage gestellt - und wurde nicht geköpft. Offen bleibt, wie es nun weitergehen soll. Und langfristig auch mit wem.

Inhaltlich will die CSU bei ihrem bisherigen Kurs bleiben, Mitte-Rechts nennt sie ihre Linie jetzt. "Wir werden bestehen auf den Dingen, die wir der Bevölkerung versprochen haben in unserem Bayernplan", sagt Seehofer. Zu den Versprechen zählt auch die von Merkel strikt abgelehnte Obergrenze, die schon in den vergangenen Monaten innerhalb der Union für Zwist gesorgt hat. Dass diese auch bei möglichen Koalitionsgesprächen mit Grünen und FDP Probleme bereiten würde, steht außer Frage.

Seehofer kommt noch mal auf die historischen Herausforderungen zu sprechen, meint diesmal aber nicht das schlechte Wahlergebnis, sondern die gesellschaftliche Spaltung, die ihm Sorgen bereite. Alle Demokraten müssten nach Lösungen suchen, wie man den Hass und die Drohungen bekämpfen könne, denen man auf der Straße begegne. Ob die Lösung in einer Mitte-Rechts-Ausrichtung der CSU liegt? In einem Jahr wird der Landtag in Bayern neu gewählt, spätestens dann bekommt die CSU die Antwort.

Je länger Seehofer vor den Journalisten spricht, desto besser gelaunt wirkt er. Ob er sich selbst schon in einer ähnlichen Position wie Theresa May in Großbritannien sieht, als einen "dead man walking" - einen Regierungschef, der nur noch bis zur nächsten Wahl durchhalten muss, will ein Journalist von ihm wissen. Seehofer grinst. Erklärt sich für quicklebendig und gesund, außerdem fühle er sich immer besser, je herausfordernder die Situation für ihn sei. Man will ihm das fast glauben. Seinem Spitzenkandidaten Joachim Herrmann würde man das hingegen nicht abnehmen. Der sitzt die ganze Pressekonferenz über mit ernstem Gesicht neben dem Ministerpräsidenten und wirkt zeitweise, als müsse er das Debakel alleine verantworten.

Von Söder hat man nichts gehört, weder bei Facebook noch bei Twitter

Besonders angenehm dürfte dieser Tag für beide nicht sein. Ein Landesinnenminister, dessen weitere Karriere als Bundesinnenminster nun gescheitert sein dürfte. Und ein Ministerpräsident, der sich selbst als Bürger-Versteher ausgibt, aber offenbar gar nichts mehr so recht versteht. Eigentlich der perfekte Moment für Seehofers Möchtegern-Nachfolger. Doch von Markus Söder hat man bislang überraschend wenig gehört, weder bei Facebook noch bei Twitter.

Direkt vor der Vorstandssitzung sagt der bayerische Finanzminister ein paar Sätze. In die Partei hineinhorchen, Stimmung an der Basis abfragen, keine Schnell-Analysen. Das klingt für Söders Verhältnisse sehr bedacht. Über eigene Karrierepläne äußert er sich lieber nicht, auch wenn der Zeitpunkt für eine innerparteiliche Revolte mit Blick auf die Geschehnisse im Jahr 2008 durchaus günstig erscheint. Damals musste Günther Beckstein als Ministerpräsident mit einem Wahlfiasko klarkommen. Am Morgen danach schien das zunächst noch händelbar, kurz darauf hatte Seehofer seinen Posten inne.

Und wie ist die Lage jetzt? Vielleicht muss man dafür auf eine erfahrene CSU-Politikerin wie Barbara Stamm hören. "Ich würde uns dringend davor warnen, über einen personellen Neuanfang auch nur nachzudenken", sagt die Vize-Parteichefin. Zumindest im Augenblick tut das auch noch keiner laut.

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