Wahlprogramme:Wo die CSU heute klingt wie die AfD im Jahr 2021

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CSU-Chef Markus Söder sagt, die AfD sei „schlecht für unser Land“. Inhaltlich hat sich seine Partei bei mehreren Themen auf die AfD zubewegt. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

CSU und AfD sind von Grund auf verschieden. Markus Söder hat die Rechts-außen-Partei zum „Hauptgegner“ ausgerufen. Inhaltlich hat er aber eine Reihe von Positionen übernommen, die 2021 noch im AfD-Programm standen. Eine Analyse.

Von Thomas Balbierer

„Schlecht für unser Land“, „Spinner“, „fünfte Kolonne Moskaus“: CSU-Chef Markus Söder lässt seit Jahren keinen Zweifel an seiner Abneigung gegen die AfD. Zuletzt hat der bayerische Ministerpräsident seinen Ton gegen die in Teilen rechtsextreme Partei noch mal verschärft. „Systemgegner ist und bleibt die AfD“, sagte er am Rande der CSU-Landtagsklausur. „Stärker denn je.“

Die Ablehnung ergibt sich schon aus der politischen DNA beider Parteien: Die CSU ist seit 1945 ein stabiler Pfeiler der föderalen Demokratie in Deutschland. In Bayern regieren die Konservativen seit 1957 ununterbrochen, sind Quasi-Staatspartei. Im Gegensatz dazu entstand die AfD 2013 als Protestbewegung gegen die Euro-Rettung. Sie entwickelte sich rasch zur Anti-Establishment-Partei mit nationalistischem und migrationsfeindlichem Markenkern.

Wer die beiden Parteien im Bundestagswahlkampf miteinander vergleicht, erkennt neben grundlegenden Unterschieden auch Überschneidungen. Besonders auffällig ist, dass die CSU eine Reihe von Positionen in ihr Programm aufgenommen hat, die vor ein paar Jahren die AfD vertrat – zum Beispiel bei Migration, Klimaschutz und Energie.

Als die CSU am Montag ihre Bayern-Agenda vorstellte, sprach Spitzenkandidat Alexander Dobrindt von einem „Knallhart-Plan“. Und tatsächlich: Legt man das Papier neben das AfD-Programm zur Bundestagswahl 2021, kann man erkennen, wie die CSU in Richtung AfD gewandert ist – während die AfD ihrerseits noch radikalere Positionen eingenommen hat. So hat sich der politische Diskurs nach rechts verschoben. Eine Auswahl:

Migration

Zur Bundestagswahl 2021 betonte die CSU in ihrem Programm „Humanität und Ordnung“ als Leitidee ihrer Migrationspolitik. „Wir ordnen und begrenzen Migration“, hieß es damals. Das Wortpaar „Humanität und Ordnung“ ist im CSU-Programm nicht mehr zu finden. Das Migrationskapitel steht nun unter der Überschrift „Stopp der illegalen Migration“.

Den Terminus „illegale Migration“ hatte die AfD in ihrem Bundestagswahlprogramm 2021 mehrmals verwendet. Damals forderte sie zum Beispiel eine „Bekämpfung illegaler Migration“ sowie: „Deutschland muss die Kontrolle der Grenzen und die Unterbindung illegaler Grenzüberschreitungen selbst in die Hand nehmen.“

In der Bayern-Agenda der CSU heißt es knapp vier Jahre später: „Faktischer Einreisestopp von illegalen Migranten durch Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen und konsequente Zurückweisungen.“

„Faktischer Einreisestopp“: Die CSU möchte Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen, wie hier zwischen Österreich und Bayern. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Eine Überschneidung zwischen alten AfD-Positionen und aktuellen CSU-Forderungen gibt es bei auch bei der Frage, ob Menschen aus Krisenregionen im Rahmen von humanitären Programmen nach Deutschland geholt werden sollen – und ob in Deutschland anerkannte Flüchtlinge Familienmitglieder nachholen dürfen. Die AfD hatte das 2021 abgelehnt: „Humanitäre Aufnahme nur für vom Bundestag ausgewählte, besonders schutzbedürftige Personen […] Ablehnung jeglichen Familiennachzuges für Flüchtlinge.“

Vier Jahre später klingt die CSU ähnlich restriktiv: „Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte und Beendigung aller freiwilligen Aufnahmeprogramme.“

Auch wenn die CSU heute in manchen Migrationsfragen klingt wie die AfD vor vier Jahren, ist eine Gleichsetzung falsch. Schließlich hat die AfD ihren Kurs seitdem nochmals radikal verschärft. Unter dem Schlagwort „Remigration“ fordert sie inzwischen offensiv die Massenausweisung in Deutschland lebender Ausländer. Die bayerische AfD-Fraktion forderte kürzlich, alle ukrainischen Kriegsflüchtlinge abzuschieben.

Klimaschutz und Energie

Anders als heute war der Klimawandel im Wahlkampf 2021 eines der bestimmenden Themen. In Bayern rief Ministerpräsident Söder einen „Klimaruck“ aus und verpasste dem Freistaat das ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität bis spätestens 2040. „Klimaschutz ist ein urkonservatives Anliegen“, war damals im CSU-Bundestagsprogramm zu lesen.

Heute ist davon nicht viel übrig. Sein Klimaziel hat Söder gerade für gescheitert erklärt. Auch im aktuellen CSU-Programm spielt das Thema eine Statistenrolle. Stattdessen fordert die CSU unter anderem eine Rücknahme des Verkaufsverbots für klimaschädliche Verbrennerautos, das von 2035 an in der EU gelten soll: „[…] Abschaffung des Verbrenner-Verbots […]“

So ähnlich positionierte sich die AfD bereits in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2021: „Gerade der für den Großteil der Arbeitsplätze zuständige Mittelstand […] ist abhängig vom Fortbestand des Verbrennungsmotors.“

Ein grundlegender Unterschied zwischen CSU und AfD besteht darin, dass die AfD den menschengemachten Klimawandel grundsätzlich infrage stellt. Parteichefin Alice Weidel spricht davon, Windräder abreißen zu wollen.

Der Klimaschutz spielt im CSU-Programm keine Rolle. Die AfD will Windräder am liebsten abreißen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

An den wissenschaftlichen Fakten und der Gefahr durch die Erderwärmung zweifelt die CSU nicht. Sie bremst jedoch in der Klimaschutzpolitik, etwa beim „Green Deal“ der EU. Das von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ausgerufene Ziel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen, stößt im aktuellen CSU-Programm auf Skepsis: „[…] Umbau des Green Deals hin zu einem Growth-Deal.“

Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU 2021 klang das noch anders: „Wir unterstützen seine ambitionierte Zielsetzung.“ Im Gegensatz dazu war die AfD auch vor vier Jahren schon gegen die EU-Klimapolitik: „Nein zum ‚Green Deal‘“

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Auch beim Reizthema Atomkraft hat die CSU eine 180-Grad-Drehung vorgenommen. Der von ihr 2011 mit beschlossene und von der Ampel-Regierung nach heftigem Streit umgesetzte Ausstieg aus der Kernenergie soll rückgängig gemacht werden: „Der überstürzte Ausstieg aus der Kernkraft war ein großer Fehler – gerade auch mit Blick auf den Klimaschutz.“

Vor vier Jahren kam das Wort Atomkraft in den Wahlprogrammen der Union gar nicht erst vor. Doch mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den Folgen für die deutsche Energieversorgung haben CSU und CDU ihre Haltung geändert. Sie wollen abgeschaltete Reaktoren – wenn möglich – reaktivieren und neue AKWs bauen. Das hatte auch die AfD im letzten Bundestagswahlkampf gefordert: „Die AfD tritt ein für die Neueinrichtung von sicheren Kernkraftwerken.“

Gesellschaftspolitik

Im ländlich geprägten Bayern tendieren die meisten Wählerinnen und Wähler traditionell zu konservativer Politik. Bei der Landtagswahl 2023 machten mehr als zwei Drittel (67,5 Prozent) ihr Kreuz bei CSU, Freien Wählern und AfD. Progressive Ideen haben es hierzulande schwer.

Umso überraschender ist, was die CSU 2021 zum Thema Gendern in ihr Wahlprogramm schrieb: „Wer gendern mag, soll gendern, aber niemand soll dazu gezwungen werden.“ Eine liberale Haltung. Diese ist aus der Bayern-Agenda verschwunden: „Nein zum Gendern: Ablehnung der Gendersprache im öffentlichen Raum – an Schulen und Universitäten, im Rundfunk und der Verwaltung.“

In Bayern gab es gegen Söders Genderverbot auch Protest. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

In Bayern hat CSU-Chef Söder schon im vergangenen Jahr ein Genderverbot in Behörden und Schulen verhängt, nun tritt er auch auf Bundesebene dafür ein. Ganz so weit ging die AfD 2021 nicht: „Die sogenannte ‚gendergerechte Sprache‘ ist eine groteske Verunstaltung der deutschen Sprache. […] Wir sprechen uns gegen jegliche Verpflichtung aus, sie verwenden zu müssen.“

Die CSU spricht in ihrem Wahlprogramm zudem von einer Spaltung durch „Cancel-Culture“, „Wokeness“ und Identitätspolitik – ohne näher zu definieren, was sie damit konkret meint. Sie verspricht: „Wir wehren uns gegen den ideologischen Umbau unserer Gesellschaft.“

Auch diese Wortwahl erinnert an Teile des alten AfD-Programms, in dem mehrmals von einem angeblichen „Gesellschaftsumbau“ die Rede ist, etwa beim Ziel der CO₂-Neutralität: „Die AfD lehnt dieses Ziel und den damit verbundenen Gesellschaftsumbau ab.“

Abgrenzung

Im Bundestagswahlkampf hat sich die CSU immer wieder deutlich von der AfD distanziert. Bei der Vorstellung der Bayern-Agenda kritisierte CSU-Spitzenkandidat Dobrindt, dass die AfD rauswolle aus der EU und der Nato, was einer „Unterwerfung unter Putin“ gleichkomme. Generalsekretär Martin Huber sagte über die AfD: „Sie will an die Macht, und genau das müssen wir verhindern.“ Der „Knallhart-Plan“ soll helfen, der AfD Wähler abzutrotzen.

Ob das gelingt? Die CSU hat schon mal den Versuch unternommen, die AfD durch Annäherung kleinzuhalten, 2018 bei der Landtagswahl. Am Ende verlor die Partei ihre absolute Mehrheit. CSU-Generalsekretär Markus Blume räumte danach Fehler im Umgang mit der AfD ein: „Du kannst ein Stinktier nicht überstinken.“

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