Aiwangers Berlin-Pläne gescheitertFreie Wähler verpassen die Fünf-Prozent-Hürde

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Da hatte er noch Hoffnung: Hubert Aiwanger nach Abgabe seiner Stimme in seinem Heimatoert Inkofen.
Da hatte er noch Hoffnung: Hubert Aiwanger nach Abgabe seiner Stimme in seinem Heimatoert Inkofen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Auch im vierten Anlauf schafft die Partei von Hubert Aiwanger den Einzug in den Bundestag nicht über die Zweitstimmen.  Und drei Direktmandate werden sie offenkundig auch nicht holen.

Von Lisa Schnell, Christian Sebald

Als FW-Chef und Spitzenkandidat Hubert Aiwanger um viertel nach neun auf der Wahlparty seiner Partei in München eintrifft, brandet lautstarker Applaus auf. Dabei ist er zu diesem Zeitpunkt längst grandios gescheitert. Seine Partei hat die Fünf-Prozent-Hürde wieder nicht geschafft und in Bayern sieht alles danach aus, dass die Freien Wähler deutlich schlechter abschneiden als bei der Bundestagswahl 2021. Auch ein Direktmandat werden sie wohl nicht gewinnen.  Doch Aiwanger gibt sich unbeirrt. „Ab Montag sagen wir: Volle Kraft voraus“, ruft er, „wir schmollen nicht, sondern setzen unseren Einsatz und unsere Arbeit fort“ – in den Kommunen, für das Land, für die Menschen und natürlich „mit dem Blick auf Berlin“. Aiwanger wirkt fast ein wenig abgekämpft.

Kurz vor 18 Uhr, da hat Aiwanger noch gescherzt. Was das denn für Kekse seien, die das Landratsamt Rottal-Inn da hergerichtet habe? „Hanf-Kekse“, sagt eine Parteikollegin, als er hineinbeißt. Alle lachen. Und dann wird der Ton des Fernsehers hinter ihm lauter gedreht. Die ersten Prognosen sind schon da und auch nach ihnen haben Aiwangers Freie Wähler die Fünf-Prozent-Hürde wieder nicht geschafft.  Die Wählerwanderung sei klar hin zur AfD gegangen, sagt Aiwanger.  Sie habe das Protestpotenzial abgeschöpft und von der Zuspitzung des Wahlkampfes profitiert.

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Die Hochrechnungen, die auf der Münchner Wahlparty der Freien Wähler über die Bildschirme flimmern, sind längst eindeutig. Bundesweit wird die Partei – wie schon in den meisten Wahlumfragen der vergangenen Wochen – nicht separat geführt, sie läuft unter „Sonstige“. Damit ist klar, dass die Freien Wähler über die Fünf-Prozent-Hürde nicht in den Bundestag einziehen werden, genau wie 2021, als sie auf gerade mal 2,4 Prozent der Zweitstimmen kamen.

Auch in Bayern – ihrem Kernland – schneiden die Freien Wähler  schlecht ab. Hier erreichen sie den Hochrechnungen zufolge zwischen vier und 4,5 Prozent der Zweitstimmen.  Sollte es so kommen, wie nun prognostiziert, wäre das mindestens drei Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl 2021, als sie im Freistaat immerhin 7,5 Prozent holten. Man merkt denn auch schnell der Stimmung auf der Münchner Wahlparty an, dass die Partei nicht zufrieden sein kann. Auch wenn die FW-Generalin Susann Enders all den Helfern und Kandidaten für ihren engagierten Wahlkampf dankt.

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Auch die Direktmandate in den Wahlkreisen Rottal-Inn, Landshut und Oberallgäu sind zu diesem Zeitpunkt so gut wie ausgezählt. Schon früh am Abend wurde deutlich, dass die Freien Wähler auch sie nicht gewonnen haben. In allen drei Wahlkreisen lagen sie bei den Erststimmen von Anbeginn der Auszählung an deutlich hinter den CSU-Direktkandidaten. Im Landkreis Oberallgäu kommt die amtierende Landrätin Indra Baier-Müller sogar nur auf Rang vier, hinter den Erststimmen-Kandidaten von CSU, AfD und Grünen.

Im Landkreis Rottal-Inn lieferten sich der AfD-Direktkandidat und AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka und Aiwanger als FW-Direktkandidat ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei. Am Ende ist Aiwanger eine Winzigkeit von 0,1 Punkten hinter Protschka. Und in Landshut landet der amtierende FW-Landrat Peter Dreier ebenfalls nur auf Platz drei, hinter dem CSU-Sieger Florian Oßner und der AfD-Kandidatin Elena Fritz.

Damit waren Aiwangers Hoffnungen schnell gescheitert, er und seine Partei könnten über drei Direktmandate den Einzug in den Bundestag schaffen, auch wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde verfehlen.  Der Grund für Aiwangers Hoffnung war die sogenannte Grundmandatsklausel. Sie besagt, dass eine Partei, die drei Wahlkreise mit der Erststimme gewinnt, auch dann in den Bundestag einzieht, wenn sie deutschlandweit die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt.

In der Partei glaubten sie freilich von Anbeginn an nicht so recht an den Erfolg von Aiwangers Strategie.  Auf der Wahlparty sagt ein einflussreicher FW-Mann: „Sehr viele Wähler haben diese Wahl von Anbeginn an als Schicksalswahl für Deutschland verstanden.“ Deshalb hätten sie sichergehen wollen, „dass ihre Stimme zählt und nicht verschenkt ist“. Das hätten die FW als eher „kleine bürgerlich-konservative Kraft“ voll zu spüren bekommen.

So werden denn auch schnell Forderungen nach Konsequenzen laut. Digitalminister Fabian Mehring etwa fordert eine Positionsdebatte. „Wir Freie Wähler sind eine starke Kommunalpartei und machen in der Staatsregierung eine überaus erfolgreiche Politik“, sagte er. „Und wir haben das, was unseren Mitbewerbern abgeht: Wir sind bürgerlich, konservativ und liberal. In diese Marktlücke müssen wir stoßen, dann können wir auch auf Bundesebene erfolgreich sein.“ Mehring will das aber ausdrücklich nicht als Kritik an Parteichef Aiwanger verstanden wissen.

Der Parteichef gibt sich denn auch unbeirrt. „Wir haben das Beste gegeben“, ruft Aiwanger seinen Parteifreunden in München zu. „Aber es hat nicht gereicht.“  Die Wähler hätten „leider Gottes Protest gewählt“ und rechts außen verdoppelt, erklärt er. Und was die neue Bundesregierung anbelangt, gibt er sich pessimistisch. „Schauen wir mal, welche Koalition es wird“, ruft er, „ob’s für schwarz-rot reicht oder ob’s am Ende gar eine schwarze Ampel wird.“

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