Bundeskanzlerin in Trudering:Merkels Fehlzündungen im Bierzelt

Angela Merkel im Bierzelt in Trudering

Merkel mit ihrer Maß im Truderinger Festzelt

(Foto: REUTERS)

Ausgerechnet die Kanzlerin soll eine der wenigen roten Bierzelt-Hochburgen Bayerns für die CSU zurückerobern. Im Münchner Stadtteil Trudering können sie sich Angela Merkel sogar im Dirndl vorstellen. Doch es zeigt sich: Für den rotgesichtigen bayerischen Bierzeltkosmos ist Angela Merkel nicht gemacht.

Von Sebastian Gierke

Angela Merkel im Dirndl. Ja, das könne er sich gut vorstellen, sagt Markus Weinzierl, zweiter Vorsitzender der Original Truderinger Böllerschützen. Und spekuliert: Vielleicht hat die Kanzlerin ja sogar heute eins an. Weinzierl in seiner schneidigen grünen Vereinsuniform mit den vielen Abzeichen und Ansteckern sagt: "Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Angela Merkel im Dirndl. Unmöglich. Eher zwängt sich noch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer in eine Lederhose.

Aber der Wunsch, er passt ganz gut zur Stimmung auf dem Festplatz in Trudering. Bierzeltstimmung. Das ist in Bayern ja immer etwas ganz Besonderes. Im Bierzelt, da ist es zu Hause, das rotgesichtige, das selbstzufriedene, das vor Selbstgewissheit strotzende Bayern. Ein Bayern, das für die CSU ziemlich wichtig ist. Weil es sich nicht daran stört, wenn die CSU wieder einmal Staat sagt, dabei aber die Partei meint. Ganz im Gegenteil. Diejenigen, die für dieses Bayern stehen, die wählen die CSU ja gerade für ihre bajuwarische Hybris.

Das Truderinger Festzelt allerdings, das ist in den vergangenen Jahren oft eine Domäne der SPD gewesen. Eine der wenigen roten Bierzelt-Hochburgen Bayerns. Gerhard Schröder war als Kanzlerkandidat hier, Frank Walter Steinmeier als Vizekanzler. Am vergangenen Montag war es Malu Dreyer, die neue SPD-Ministerpräsidentin aus Rheinland-Pfalz, der die Menschen hier zujubelten.

Eine Bierzeltrednerin - das ist Merkel ja beileibe nicht

Im wichtigen Wahljahr 2013 schlägt das schwarze Imperium jetzt aber zurück: mit der Kanzlerin. Im grün-türkisen Blazer steigt sie Punkt 18.04 Uhr aus der dunklen Limousine. Und wird sogleich von den Böllerschützen in Empfang genommen. Um der Kanzlerin "viel Glück zu wünschen bei den anstehenden Wahlen", wird aus über zehn Handböllern eine Salve abgefeuert - dann gibt es Salutschüsse. Dabei kommt es allerdings zu ein paar Fehlzündungen: Gewaltiges Krachen, so sollte es sein, hin und wieder aber auch nur leises Klicken.

Hinter der Fahne des Kaninchenzüchtervereins und zu den Klängen des Bayerischen Defiliermarsches geht es dann für Merkel hinein ins stickig heiße, bis auf den letzten Platz gefüllte Zelt. Die Menschen erwarten sie da bei Bier und Brezen schon, draußen drängeln sich Hunderte ums Zelt, die keinen Platz mehr bekommen haben.

Ausgerechnet Angela Merkel hat sich die durch die Gehälteraffäre erschütterte CSU also geholt. Eine Bierzeltrednerin, das ist die Kanzlerin ja beileibe nicht. Und so gibt es auch in Trudering kein gewaltiges Krachen von ihr zu hören, stattdessen hin und wieder ein Klicken. "Darauf einen kräftigen Bierschluck", ruft die Kanzlerin beispielsweise - obwohl sie einfach Prost sagen könnte. Wenn das mal keine Fehlzündung ist.

Lyrische Anwandlungen im Bierdunst?

Applaus gibt es trotzdem immer wieder. Die, die da sind, sind gekommen, um der Kanzlerin zu huldigen. Direkt vor der Bühne, an den Ehrentischen hat sich die Münchner CSU-Prominenz um den scheidenden Bundestagsabgeordneten Herbert Frankenhauser versammelt. Er war es auch, der die Kanzlerin überredet hat, nach Trudering zu kommen: "Sie is meim bekannten bayerischen Charme erlegen", hatte Frankenhauser gesagt.

Merkel bayert nicht. Sie hält eine für Bierzelt-Verhältnisse ziemlich nüchterne Rede. Viele Themen spricht sie an: Bildung, Finanzmärkte, Europa, Steuerpolitik. Um dann meist damit zu schließen, dass die Bayern das ja alles am besten könnten. Das gefällt dem Zelt natürlich. Bayern müsse weiter gut regiert werden. "Und das geht nur mit der CSU. Bayern und die CSU, das gehört zusammen."

Nur hin und wieder blitzt Merkels Humor auf. So könne sie sich beispielsweise überhaupt nicht erklären, wie es sein kann, dass die Bayern schon um sechs Uhr abends bei Bier und Brot in Zelten zusammensitzen - und trotzdem überall die besten sind. "Ich habe Zukunft in Ihren Augen gesehen", spricht sie die Leute direkt an. Lyrische Anwandlungen im Bierdunst?

Das bayerische Bierzelt, ein ziemlich abgeriegelter Kosmos

Richtig Stimmung kommt auf, als Merkel Christian Ude "in Ruhestand" schicken will. Oder als sie erklärt, dass man in Deutschland zwar tolerant sei, aber wer hier leben wolle, der solle doch gefälligst die deutsche Sprache lernen.

Als Merkel dann allerdings erklärt, dass es Muslimen natürlich möglich sein müsse, hier Moscheen zu bauen, wird hinten im Zelt deutlich vernehmbar gegrummelt. Das bayerische Bierzelt, das ist meist ein nach außen ziemlich abgeriegelter Kosmos.

Nach 43 Minuten ist die Rede schon vorbei. Der Applaus fällt nur mäßig aus. Merkel bekommt ein Lebkuchenherz um den Hals gehängt: "München grüßt unsere Kanzlerin", steht darauf. Sie schaut jetzt etwas verkniffen-faltig.

Im Vorfeld hatte es kleinere Diskussionen gegeben über die Plakate, die die CSU in München zu Hunderten anbringen ließ. Eine fast faltenlose, mindestens zehn Jahre jünger aussehende Angela Merkel war darauf zu sehen, als seien die harten Jahre der Kanzlerschaft spurlos an ihr vorübergegangen. Wo sind sie geblieben, die Spuren der Macht?

Jetzt auf der Bühne sind sie deutlich zu erkennen. Merkel winkt noch einmal. Und in Trudering träumen sie weiter von einer Kanzlerin im Dirndl.

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