Fremde Kultur:"Nur durch Sprache kann man Kontakt zu den Leuten aufbauen"

Fremde Kultur: Der 25-jährige Hilary Pallangyo aus Tansania arbeitet innerhalb des Bundesfreiwilligendienstes für ein Jahr an einer Schule im oberfränkischen Selb.

Der 25-jährige Hilary Pallangyo aus Tansania arbeitet innerhalb des Bundesfreiwilligendienstes für ein Jahr an einer Schule im oberfränkischen Selb.

(Foto: Birte Mensing)

"Bufdis" können auch aus dem Ausland nach Deutschland kommen, so wie Hilary Pallangyo aus Tansania. Er arbeitet in einer Schule in Selb - und muss gegen einige Vorurteile kämpfen.

Von Birte Mensing, Selb

Kinder fallen sich laut ins Wort, es riecht nach Frittiertem. Die kleinen Gäste im Schülercafé Oase füllen bunte Bestellzettel aus: Essenswunsch, Name, Tischnummer. Hilary Pallangyo kennt das System mittlerweile und bringt die Teller voll Pommes zu Tisch 4. Er kämpft noch mit den komplizierten deutschen Namen, erst vor wenigen Wochen begann für den 25 Jahre alten Tansanier der Bundesfreiwilligendienst in Selb (Landkreis Wunsiedel). Aber zum Glück gibt es auch einfache Namen wie Leo oder Anna.

Bundesfreiwilligendienst - das klingt nach deutschen Jugendlichen, die sich ein Jahr lang orientieren wollen oder etwas Soziales ausprobieren. Mit dem Programm "weltwärts" können sie einen Freiwilligendienst auch im Ausland machen. Aber jedes Jahr kommen auch Bundesfreiwilligendienstleistende aus dem Ausland - über das Programm "weltwärts Süd-Nord". Auch sie sollen die Chance haben, eine neue Kultur kennenzulernen. Im vergangenen Jahr kamen 564 ausländische Freiwillige, 40 davon nach Bayern. Die jungen Erwachsenen sind mit 23 Jahren im Schnitt vier Jahre älter als die deutschen Freiwilligen. Sie kämpfen alle mit den gleichen Problemen: Sprache lernen, Kontakte knüpfen, Vorurteile abbauen.

Auch Hilary Pallangyo aus dem Norden von Tansania kämpft in Selb nahe der tschechischen Grenze noch mit den Startschwierigkeiten. Hier leben wenige Ausländer, 2011 hatte nur jeder Zwanzigste von den rund 16 500 Einwohnern einen Migrationshintergrund. In Bayern jeder Fünfte. Soweit Pallangyo weiß, gibt es keine anderen Tansanier in Selb: "Ich hab noch nicht mal andere schwarze Menschen gesehen", sagt der junge Mann.

Im Schülercafé treffen sich Kinder aller Schularten zum Mittagessen im Bistro oder zum Spielen in den Freistunden oder am Nachmittag. Um sie zu betreuen, muss vorerst eine Mischung aus Zeichensprache, Deutsch und Englisch herhalten. "Nur durch Sprache kann man Kontakt zu den Leuten aufbauen", sagt Pallangyo. Die wenigen Wochen Deutschunterricht haben nicht gereicht. Abends nach der Arbeit lernt er weiter. Auch seine Kollegin hofft, dass er schnell Deutsch lernt: Ihre "paar Bröggala Englisch aus der Schule" reichen nicht besonders weit. In Besprechungen übersetzt manchmal der deutsche Freiwillige. Mit dem hat sich der junge Tansanier auch schon ein bisschen angefreundet, "aber die Leute hier sind viel beschäftigt", findet er.

Zwei Mädchen zeigen auf einer Weltkarte, wo Tansania liegt. "Gut", lobt Hilary Pallangyo stolz. Im Laufe des Jahres werden sie noch einiges über sein Herkunftsland erfahren. Auch das gehört zum Austausch, den das Freiwilligenprogramm fördern will. Schon die Kinder sollen lernen, wie es in anderen Ländern zugeht und Vorurteile hinterfragen.

Rassismus hat er noch nicht erlebt, sagt der 25-Jährige. Der Leiter des Schülercafés hingegen erzählt, dass es am Anfang durchaus abschätzige Bemerkungen gegeben habe: "Ist der durch den Schornstein gefallen?" Das haben die Kollegen dann schnell mit den Schülern besprochen. Aber diese Berührungsangst haben viele Kinder schnell abgelegt. Sie lernen, dass Menschen mit anderer Hautfarbe gar nicht so anders sind. Auch in Kirchengemeinden im Umkreis stellt Pallangyo sich vor und berichtet über Tansania. Auch viele Erwachsene wissen nicht genau, wo das liegt. Und kaum jemand hat sich je mit den Besonderheiten und Problemen des Landes auseinandergesetzt.

Freiwilliger im Dienst der Kirche

Eigentlich hat Pallangyo in der tansanischen Küstenstadt Daressalam Erwachsenenbildung studiert. Allerdings stellt die tansanische Regierung seit einigen Jahren keine Lehrer ein. Er arbeitete ehrenamtlich in seiner Kirchengemeinde. Als der Bischof der evangelischen Meru-Diözese im Norden von Tansania ihn fragte, ob er für ein Jahr nach Deutschland gehen würde, sagte er: "Ich bin bereit", erzählt er im Rückblick. Die Meru-Diözese ist eine Partnerkirche der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, deren Partnerschaftswerk "Mission EineWelt" organisiert Austausche mit Partnergemeinden, aber eben auch Freiwilligendienste. Der 25-Jährige beantragte also ein Visum, und sein Antrag wurde angenommen. Als erster aus der Familie verlässt er Tansania.

Für ihn ist die Zeit in Deutschland eine große Verantwortung. Er repräsentiert seine Kirche, irgendwie auch sein Land und für manche gar den ganzen afrikanischen Kontinent mit seinen 55 Ländern. Mit dem, was er hier über Gründlichkeit, Organisationsstruktur, Pädagogik und das deutsche Modell von Gesellschaft lernt, will er dann zuhause weiterarbeiten.

In Tansania verbringt er seine Zeit vor allem in der Kirchengemeinde, aber "in der Kirche hier sind nur alte und sehr alte Leute", ist sein Eindruck. Aus der Not macht der junge Tansanier eine Tugend. "Ich möchte lernen, was es für Angebote für ältere Gemeindemitglieder gibt, wie ihnen geholfen wird." In seiner Kirchengemeinde in Tansania gebe es viele Angebote für Kinder und Jugendliche, aber kaum Unterstützung für die Alten.

Hilary Pallangyo schreibt viel mit seinen Freunden in Tansania. Er erklärt ihnen dann zum Beispiel, dass die Leute, die er in Selb kennenlernt, hart für ihr Geld arbeiten. Und dass er jetzt, wo er im reichen Deutschland ist, nicht automatisch viel Geld hat. Als monatliches Taschengeld erhält er für seine Vollzeitstelle als Bundesfreiwilliger 196 Euro. Für seine Unterkunft in einer Gastfamilie und das Essen kommt, wie bei vielen Bundesfreiwilligendienststellen, das Programm auf.

An diesem Dienstagnachmittag im Juni übernimmt Pallangyo zum ersten Mal phasenweise die Kasse des Kiosks. Ein Junge kommt angelaufen, bleibt dann skeptisch stehen und guckt sich um. Er klettert auf einen Stuhl und deutet auf das Plakat mit dem Wassereis. Die Kommunikation klappt erst mit Zeichen, ein bisschen Englisch und immer mehr Deutsch.

Hilary Pallangyo will auch andere Städte in Deutschland besuchen und sich vor allem überlegen, wie es nach dem Jahr weitergeht. Ein paar ehemalige Freiwillige arbeiten jetzt bei der Kirche, aber nicht für alle gibt es Stellen. Die beiden Tansanier, die schon in Selb waren, haben in ihrer alten Heimat noch keine Arbeit gefunden. Pallangyo ist trotzdem optimistisch: "Ich möchte zurückgehen und das, was ich hier lerne, in unserer Jugendarbeit umsetzen. Aber vor allem will ich Seniorenarbeit aufbauen."

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