Naturschutz:Klagerecht der Umweltverbände gestärkt

Naturschutz: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof muss das Gerichtsverfahren um die Lindauer Therme neu aufrollen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof muss das Gerichtsverfahren um die Lindauer Therme neu aufrollen.

(Foto: David Matthiessen/Therme Lindau)

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof muss neu über die Therme Lindau verhandeln. Naturschützer hoffen nun, nachträglich ihre Forderungen durchsetzen zu können.

Von Christian Sebald, Lindau/Leipzig

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Klagerecht des Bundes Naturschutz (BN) und anderer Umweltverbände in Bayern gestärkt. Nach Überzeugung von Deutschlands obersten Verwaltungsrichtern dürfen die Verwaltungsgerichte im Freistaat Klagen von Naturschützern gegen Bauprojekte nicht mit dem Argument für unzulässig erklären, dass diese in der Zwischenzeit fertiggestellt und in Betrieb genommen worden sind. Sie müssen stattdessen über Klagen entscheiden, auch wenn der Bau des jeweiligen Vorhabens schon weit fortgeschritten ist. Im Erfolgsfall könnten die Umweltverbände bei dem strittigen Projekt nämlich auch noch nachträglich Verbesserungen für den Naturschutz erreichen, so der Tenor der Entscheidung vom Dienstag.

Der BN zeigte sich sehr erleichtert über den Leipziger Richterspruch. "Das Bundesverwaltungsgericht hat unsere Rechte klar gestärkt", sagt der BN-Landesgeschäftsführer und Hausjurist des Verbands, Peter Rottner. "Das ist sehr wichtig - gerade in Zeiten des Klimawandels und des fortschreitenden Flächenverbrauchs." Rottner gab sich zuversichtlich, dass mit der Entscheidung "die häufige Praxis in Bayern eingedämmt werden kann, mit Motorsägen und Baggern vorschnell Fakten zu schaffen, statt abzuwarten, bis die Gerichte über den jeweiligen Streit entschieden haben".

Konkret betrifft das Urteil die Therme in Lindau am Bodensee. Der BN war in seinem Kampf gegen den Komplex, der seit 2021 in Betrieb ist, zwei Mal vor den bayerischen Verwaltungsgerichten gescheitert. Erst wiesen die Richter im Eilverfahren einen Antrag auf Baustopp zurück. Ihr Argument: Umweltverbände hätten kein Klagerecht gegen Baugenehmigungen. Später lehnten sie die Klage gegen den Bebauungsplan für das Projekt ab. Diesmal lautete die Begründung, die Bauarbeiten an der Therme seien so weit fortgeschritten, dass sich die Klage erübrigt habe.

Naturschützer hoffen auf nachträgliche Verbesserungen

Diese Entscheidung haben die Leipziger Richter nun klassiert. Das Gerichtsverfahren um die Bauleitplanung für die Therme muss vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof neu aufgerollt werden. Der BN-Mann Rottner hofft, in dem neuen Verfahren nachträglich Verbesserungen für den Naturschutz, vor allem die Vogelwelt, rund um die Therme erzielen zu können. Zum Beispiel Beschränkungen bei der Beleuchtung des Komplexes, die weit in den See hineinragt. Sie ist laut Rottner ein ernstes Problem für die Vogelwelt. Außerdem müsse über zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen gesprochen werden.

Die Klagefreudigkeit der Naturschutzverbände nimmt seit Jahren zu. Aus Sicht vieler Orts- und Kreisgruppen ist das Klagerecht ihrer Mutterorganisationen immer öfter die letzte Möglichkeit, sich gegen Naturzerstörungen zur Wehr zu setzen. Allein der BN-Hausjurist Rottner betreut aktuell knapp 50 Rechtsverfahren, darunter mindestens 35 Klagen. Auch der Landesbund für Vogelschutz (LBV) zieht inzwischen sehr viel häufiger gegen die Ausweisung von Gewerbegebieten und andere Bauprojekte vor Gericht als früher. Das Klagerecht der Naturschutzverbände ist in der Konvention von Aarhus verankert, die Deutschland und 46 weitere Staaten im Jahr 1998 unterzeichnet haben.

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