Bullenheimer Berg in Mittelfranken:Bayerns geplünderte Schatzkammer

Eine Art bayerisches Troja muss sich auf dem Bullenheimer Berg in Unterfranken befunden haben. Doch jahrzehntelang wurde das Hochplateau von Schatzsuchern systematisch geplündert. Das Knauf-Museum zeigt jetzt, was von den wertvollen Fundstücken übrig ist. Doch der Handel mit wertvollen Bodenfunden geht weiter.

Hans Kratzer

Die Archäologie wirkt wie die friedlichste Wissenschaft überhaupt, doch die Realität sieht anders aus. Allein in Bayern liegen Zehntausende Bodendenkmäler ungeschützt unter der Erde, und da viele von ihnen Profit versprechen, locken sie auch Menschen an, die vor Gewalt nicht zurückschrecken. Besonders häufig ist der Bullenheimer Berg (Landkreis Neustadt an der Aisch) Ziel von Raubgräbern.

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Der Berliner Goldhut ist ein 3000 Jahre altes Relikt vom Bullenheimer Berg.

(Foto: dapd)

Als dort in den 90er Jahren Archäologen und Kommunalpolitiker das Gelände inspizierten, stießen sie dabei auf acht Sondengänger, die gerade im Begriffe waren, frühzeitliche Relikte aus dem Boden zu holen. Weil das gesetzlich verboten ist, stellten die Archäologen die Männer zur Rede. Noch bevor sie eine Antwort erhielten, wurden sie von den sogenannten Raubgräbern angegriffen und mit Reizgas außer Gefecht gesetzt. Die aus Hessen stammenden Täter wurden schließlich von der Polizei aufgespürt. Für ihre Plünderungs- und Gewaltaktion wurden sie später vor Gericht zur Rechenschaft gezogen.

Es war kein Zufall, dass die Männer auf dem Bullenheimer Berg nach Schätzen gesucht hatten. Seit gut 40 Jahren ist bekannt, dass sich auf dem Hochplateau so etwas wie das bayerische Troja befunden haben muss. Nach heutigen Erkenntnissen war die Befestigung auf dem 30 Hektar großen Areal ein bedeutender Handelsplatz der späten Bronzezeit (880-800 v. Chr.), was kostbare Relikte wie Arm- und Fußringe, Waffenteile sowie Kleidungsschmuck nahelegen.

Auch Religion und Kult dürften hier eine große Rolle gespielt haben, denn die Bewohner vergruben Bronzegegenstände im Boden, um sie den Göttern zu opfern. Bei Grabungen wurden Preziosen wie die goldenen Besatzstücke eines Priestergewandes oder die bronzenen Radkappen eines Kultwagens entdeckt, die jetzt zusammen mit vielen weiteren Funden vom Bullenheimer Berg in einer Ausstellung im Knauf-Museum in Iphofen präsentiert werden. Zu sehen ist aber auch eine Replik des berühmten Goldhuts aus dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte, der wahrscheinlich ebenfalls auf dem Bullenheimer Berg gefunden wurde.

Leider können dieser und andere Funde nicht hundertprozentig dieser Gegend zugeordnet werden, da vieles illegal und undokumentiert ausgegraben worden ist. Bis 1973 hatte der Berg sein Geheimnis bewahren können. Dann entdeckte ein Mitarbeiter des Denkmalamts eine Wallanlage, womit er auch die Aufmerksamkeit von in Würzburg stationierten US-Soldaten hierher lenkte. Diese hatten nämlich aus ihrer Heimat ein neues Hobby mitgebracht.

Mit Minendetektoren suchten sie nach Schätzen und wurden auf dem Bullenheimer Berg prompt fündig. Nachdem diese Sensation die Runde gemacht hatte, wurde der Berg von Ausgräbern und Sondengängern überrannt. Fotografien aus den 90er Jahren zeigen, dass sie den Tafelberg Meter für Meter umgepflügt und in eine Kraterlandschaft verwandelt hatten.

Ein Schatzregal könnte die Plünderungen stoppen

Einer der herausragenden Denkmalorte in Bayern wurde auf diese Weise systematisch und rechtswidrig ausgeplündert. Die Wissenschaftler mussten hilflos zuschauen, wie ein Großteil der archäologischen Kostbarkeiten bei Nacht und Nebel aus dem Boden gerissen wurden und in dunklen Kanälen verschwanden. Erst über den Kunsthandel gelangte ein Teil der Funde in die Museen. Durch gute Kontakte gelang es der Würzburger Außenstelle des Landesdenkmalamts Ende der 70er Jahre, zahlreiche nach Amerika verschleppte Objekte nach Bayern zurückzuholen.

Die Ausplünderung des Bullenheimer Bergs ist Teil eines Dramas, das noch lange nicht zu Ende ist. Denn die Schatzsuche wird immer populärer, zum Teil angeheizt durch Medienberichte, die das Umherstreifen mit Metallsuchgeräten als Hobby anpreisen, ohne auf die schwierige rechtliche Situation hinzuweisen. Sebastian Sommer, der Landeskonservator des Denkmalamts, beklagt vor allem den wissenschaftlichen Verlust durch die verbotene Raubgräberei.

"Unser Problem ist die undokumentierte Vernichtung von archäologischen und historischen Zusammenhängen." Für das Verständnis des Erbes spiele es eine eminent wichtige Rolle, ob ein Bronzemesser tatsächlich vom Bullenheimer Berg stammt und wenn ja, von welcher Stelle und aus welchem Befund, sagt Sommer. "Ohne dieses Wissen haben solche Funde nur antiquarischen Wert."

Das sogenannte Schatzregal könnte dem illegalen Treiben Einhalt gebieten. Die Regelung besagt, dass ein Ausgräber einen zufälligen Bodenfund dem Staat überlassen muss, es sei denn, er kann nachweisen, dass er rechtmäßiger Erbe des Fundes ist. Bayern hat kein Schatzregal. Zwar gab es immer wieder Initiativen, das Denkmalschutzgesetz von 1973 um diese Regelung zu erweitern, aber passiert ist bislang nichts.

Nach wie vor gilt, dass ein Fund dem Entdecker, also auch dem Raubgräber, und dem Grundstückseigentümer jeweils zur Hälfte zusteht. Das zuständige Wissenschaftsministerium hat zwar mittlerweile eine alternative Lösung zum Schatzregal erarbeitet, die einen Wertausgleich für Grundstückseigentümer und einen Finderlohn vorsieht. Wie dies finanziert werden soll, ist jedoch ungeklärt.

Die rechtliche Grauzone, in der Auktionshäuser, Museen und Raubgräber ihre Geschäfte mit Bodenfunden abwickeln, wird vorerst bestehen bleiben. Das wirft auch einen Schatten auf die einzigartige Ausstellung im unterfränkischen Iphofen, die erstmals alle bekannten Hortfunde vom Bullenheimer Berg zusammenführt, und zwar aus der Archäologischen Staatssammlung München, aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und aus dem Mainfränkischen Museum Würzburg (bis 4. November, Di-Sa 10-17 Uhr, So 11-17 Uhr).

Und doch löst die Schau zwiespältige Gefühle aus, weil die Herkunft mancher Objekte nicht hundertprozentig geklärt ist und weil so manches illegal ausgegrabene Stück nicht mehr jene Information bietet, die bei ordnungsgemäßer Grabung möglich gewesen wäre. "Gerade deshalb soll die Ausstellung auch den Blick der Bevölkerung auf mögliche Raubgräber schärfen", sagt Markus Mergenthaler, der Leiter des Knauf-Museums.

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