Entscheid in Nürnberg:Bürger lehnen Dürer-Bemalung im Rathaus ab

Bürgerbegehren für Historischen Rathaussaal

Karl-Heinz Enderle, Chef der Altstadtfreunde, hatte geworben: Wenn der Saal erst ausgemalt ist, strömen die Touristen. Nun aber bleibt der Saal weiß.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Kritiker warnten vor einem Disney-Dürer, die Nürnberger sahen es ähnlich: Mit einer verblüffenden Mehrheit stimmten sie gegen die Ausmalung des Historischen Rathaussaales - trotz eines prominenten Fürsprechers.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Wolf Schäfer ist Wahlleiter in Nürnberg, die Stimmungen in der Stadt kennt er wie kaum ein anderer. Die Abstimmung über Dürer aber? Konnte auch er nicht prognostizieren. Und so ist Schäfer wie viele andere "erstaunt" über den Ausgang dieses ersten Ratsbegehrens in der Geschichte der Stadt.

Nicht so sehr darüber, dass die Nürnberger die weißen Wände ihres Historischen Rathaussaales nicht mit Dürer-Motiven bemalt wissen wollten. Sehr wohl aber über die Deutlichkeit dieser Entscheidung: 68 Prozent lehnten ein großflächiges Dürer-Imitat im Repräsentationsraum ihrer Stadt ab. Das ist deutlich, verblüffend deutlich.

Ausgangslage war nicht auf Augenhöhe

Natürlich, die Kunsthistoriker hatten vor einem Dürer-Disney gewarnt. Aber es war keineswegs so, dass die Ausmalungs-Enthusiasten von den Nürnberger Altstadtfreunden niemanden in ihren Reihen gehabt hätten, dem man nicht auch das Etikett "Experte" hätte anhängen können. Und natürlich war die Ausgangslage keine auf gleicher Augenhöhe, wie fast immer bei diesen Bürgerentscheiden. Da gibt es meist eine stattliche Anzahl an Aktivisten, die etwas erreichen wollen. Und eine nicht selten schweigende Mehrheit, die der Sache grundsätzlich ablehnend, aber auch ein bisschen gleichgültig gegenübersteht. Und dann oft nicht zur Wahl geht.

Die Altstadtfreunde klebten viele Plakate für ihr Ziel, sie verteilten Handzettel und verwickelten Passanten in Debatten über Dürer. 5700 Mitglieder hat der Verein, sie können sich vor restaurierte Fachwerkhäuser stellen und stolz darauf verweisen, dass sie ganz gut wissen, was diese Stadt schöner macht. Und das taten sie auch.

Selbes Ergebnis wie bei der Oberbürgermeisterwahl

Handzettel gegen die Ausmalung, gegen einen Dilettanten-Dürer im Rathaus wurden einem dagegen nicht in die Hand gedrückt. Darauf, dass man das 16. Jahrhundert auf der vorhandenen Datenbasis kaum rekonstruieren, wohl aber vergewaltigen könnte, darauf mussten die Nürnberger also schon zum großen Teil selber kommen. Und umso erstaunlicher, ja fast sensationell wirken diese 68 Prozent auf einen wie Schäfer, der weiß, wie in Halbmillionenstädten wie Nürnberg normalerweise sehr deutliche Mehrheiten entstehen.

Andererseits muss diese Ziffer - 68 Prozent - aufhorchen lassen. Denn das ist fast genau das Ergebnis, mit dem Ulrich Maly vor zwei Monaten als Oberbürgermeister bestätigt worden ist. So unterschiedlich die beiden Urnengänge waren - dort ging es um das Amt als Rathauschef, hier um die Gestaltung des Rathaussaales -, so viele Ähnlichkeiten lassen sich auch finden.

Söder wollte Dürer zurück im Rathaus

Karl-Heinz Enderle etwa, der Chef der Altstadtfreunde, lockte mit populären Argumenten: Wenn erst Dürer, wie notdürftig auch immer, im Rathaus wiedererstrahlt, dann werden die Touristenmassen strömen - so wie sie das auch in Augsburg tun, in den rekonstruierten Goldenen Saal. Ein OB, der auf solche Heilsaussichten reserviert reagiert, gar wie Maly offen ablehnend, riskiert vieles. Schon gleich in einer Kommune, in der nicht - wie etwa in der benachbarten Universitätsstadt Erlangen - der akademische Diskurs zum Alltagston gehört. Aber Maly bekam trotzdem abermals mehr als zwei Drittel der Stimmen, wie schon bei der Kommunalwahl.

Bei der hatte der CSU-Kandidat Sebastian Brehm ebenfalls mit Verlockungen geworben. Und beide Male, hier wie dort, stand im Hintergrund Markus Söder. Der hatte sich für Brehm ins Zeug geworfen, natürlich, und mit Geld aus München kräftig nachzuhelfen versucht. Und er hatte sich in der Dürer-Debatte klar an die Seite derer gestellt, die das gute kunsthistorische Argument nicht für maßgeblich halten. Sondern eher das vermeintlich volkstümliche. Söder wollte Dürer zurück im Rathaus. Aber wieder lachte am Ende Maly.

Dürer Illu

Original und Kopie: Ein im Krieg zerstörtes Kunstwerk von Albrecht Dürer wird im Rathaussaal nicht rekonstruiert.

(Foto: Dennis Schmidt)

Das aber nicht, ohne die Fronten nach der Abstimmung gleich wieder zu besänftigten. Dass nun über Dürer so heftig debattiert worden ist, bleibe ein Verdienst der Altstadtfreunde, auch wenn der Saal nun weiß bleibe, sagt Maly. Dass die Nürnberger anderes für wichtiger halten, habe er geahnt: "Das Nürnberger Volk ist einfach ein sehr kluges Volk." Mit dieser Deutlichkeit aber habe auch er nicht gerechnet.

Maly ist freilich nicht der einzige Sieger dieser Abstimmung. Gegen den Druck aus den eigenen Reihen ist auch Nürnbergs CSU-Kulturreferentin Julia Lehner von Anfang an stoisch bei ihrem Argument geblieben: Dürer auf dieser Datenbasis ist unseriös. "Die Vernunft hat gesiegt", sagt Lehner, die seit einem halben Jahr Mitglied im CSU-Vorstand ist. In Nürnbergs CSU werten sie das auch als persönlichen Erfolg Lehners.

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