Süddeutsche Zeitung

Bücher und Ausstellung:Tanz auf dem Vulkan

Bayern litt schwer unter Napoleon, aber es hat von ihm auch profitiert

Das moderne Bayern verdankt seine Existenz einem Menschenschlächter. Dieses Attribut klebt an Napoleon genauso fest wie sein Ruhm als Feldherr. Millionen verloren bei seinen Kriegszügen ihr Leben und ihren Besitz. Bayern hat unter Napoleon ebenfalls schwer gelitten, aber es hat auch profitiert - durch Zugewinn an Land und durch innere Reformen. Nachdem sie sich mit Napoleon verbündet hatten, erhob der Franzose Bayern sogar zum Königreich.

Gut eine Million Titel sind weltweit über den Machtmenschen Napoleon erschienen. "An ihm scheiden sich die Geister", sagt der in Ulm lebende Historiker Thomas Schuler, einer der führenden Napoleon-Experten in Deutschland. Bonaparte wurde verehrt wie ein Erlöser, sogar von Goethe, und er wurde und wird verachtet als Kriegsverbrecher, der seine Soldaten ohne Mitleid geopfert hat.

Vor 200 Jahren wurde in der Schlacht von Waterloo Napoleons Ende besiegelt. Grund genug, die bayerische Landesausstellung in Ingolstadt dem Thema Bayern und Napoleon zu widmen. Dort kann man sich bis in die Details in das aus den Fugen geratene Europa zwischen 1789 und 1815 hineinversetzen. Wer aber eine leicht lesbare, komprimierte Hinführung zum Thema sucht, der findet diese im neuen Buch von Thomas Schuler, der auf anschauliche Weise die Geschichte Bayerns von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongress erzählt. Etwa in seiner reportagehaften Darstellung des Schneesturms in der Schlacht von Hohenlinden im Dezember 1800, die den Leser geradezu magisch in das unheimlichen Geschehen hineinzieht.

"Wir sind auf einem Vulkan", so fasste Kronprinz Ludwig die Situation Bayerns unter Napoleon treffend zusammen. König Max I. Joseph und sein Minister Montgelas taktierten aber hervorragend. Sie hatten das Bündnis mit Napoleon zum richtigen Zeitpunkt geschlossen. Als dessen Stern zu sinken begann, wechselten sie die Seiten und waren damit wieder auf der Seite der Sieger. Hätte Napoleon eine der Schlachten von 1805 verloren, wäre Bayern von der Landkarte verschwunden, ebenso wenn es 1813 nicht zu den Siegern übergelaufen wäre. Zwar waren mehr als 50 000 Bayern auf den napoleonischen Schlachtfeldern gestorben. Aber auf dem Wiener Kongress von 1815 konnte Bayern seine Territorien weitgehend sichern. "So war es letztlich ein Gewinner", bilanziert Schuler. Allerdings war das Land ausgeplündert. Es sollte 50 Jahre dauern, bis sich Bayern wirtschaftlich wieder einigermaßen erholt hat. Schuler bietet am 26. Juli in Augsburg eine Führung zum Thema Napoleon und Bayern an (15 Uhr, Treffpunkt vor dem Wertachbrucktor).

Thomas Schuler, Napoleon und Bayern, Verlag C.H.Beck, 2015, 319 Seiten, 24,95 Euro. Landesausstellung Napoleon und Bayern, Ingolstadt, neues Schloss, bis 31. Oktober, täglich von 9 bis 18 Uhr.

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SZ vom 21.07.2015 / hak
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