Mitten in Bayern:Nürnberg ist der neue Nordpol

Das Deutsche Institut für Normung hat die Buchstabiertafel geändert. Nun werden als Buchstabierhilfe fast nur noch Städtenamen verwendet. Für zwei bayerische Städte endete das Auswahlverfahren jedoch enttäuschend.

Glosse von Hans Kratzer

Vergleicht man die soeben erfolgte Änderung der Deutschen Buchstabiertafel mit einem Fußballspiel, muss man bedauernd feststellen, dass die Städte Regensburg und Augsburg verloren haben, und zwar jeweils durch ein Gegentor in der letzten Minute. In diesem Falle geht es freilich nicht um ein sportliches Kräftemessen, sondern um die vom Deutschen Institut für Normung beschlossene DIN 5009, die das "Ansagen und Diktieren von Texten und Schriftzeichen" regelt. Seit 1950 erwies sich diese Norm als relativ krisenfest, aber jetzt wurde sie kräftig rasiert. Die darin enthaltene "Deutsche Buchstabiertafel für Wirtschaft und Verwaltung" enthält fast nur noch Städtenamen, was bedingt, dass man statt "B wie Berta" künftig "B wie Berlin" buchstabieren muss. Auch die bewährten Formen "A wie Anton" und "I wie Ida" sind nun Relikte aus der Vergangenheit. Die neue Norm soll die Verwendung der Buchstabiertafel vereinfachen, auch wenn sich die Umstellung anfühlt, als sei sie nicht ganz einfach.

Aus Bayern schafften nur München und Nürnberg den Sprung auf die neue Buchstabiertafel. Regensburg und Augsburg scheiterten haarscharf daran, "auch beim Buchstabieren von Wörtern in aller Munde zu sein", wie der an der Regensburger Universität wirkende Linguist Christian Stang das Malheur elegant umschreibt. Der Entwurf für die neue Buchstabiertafel orientierte sich hauptsächlich an den einbuchstabigen Kfz-Kennzeichen, was logischerweise zu "R wie Regensburg" geführt hätte. In einem Anflug von Tüpfelscheißerei wollten die Entscheider dann aber statt des Städtenamens Hannover lieber Hamburg aufnehmen - trotz des Kennzeichens HH. Da die Buchstabiertafel letztlich keine zwei auf "-burg" endende Städtenamen enthalten sollte, wurde Augsburg eben durch Aachen ersetzt und Regensburg durch Rostock.

Die neue Version löst die postalische Buchstabiertafel von 1950 auch deshalb ab, weil Letztere noch Relikte aus der NS-Zeit enthielt. Statt "N wie Nordpol" heißt es künftig "N wie Nürnberg", und statt "M wie Martha" sagt man "M wie München". Um den Umstieg zu erleichtern, entwickelte Christian Stang zusammen mit dem Verlag Kastanea eine spezielle Landkarte der Buchstabiertafel. Dieses Hilfsmittel fördert zwar durchaus die Orientierung, aber aus bayerischer Sicht wären die Buchstabiertitel "A wie Augsburg" und "R wie Regensburg" schon irgendwie "G wie Gut" gewesen.

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