Buch über Himmelskörper:Bayernland, Meteoritenland

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Der Meteorit, der 2002 bei Schloss Neuschwanstein aufschlug. (Foto: DPA)

Im April 2002 rast eine Feuerkugel auf die Erde zu, fast treffen die Brocken Neuschwanstein. Doch das ist längst nicht der einzige Meteorit, der in Bayern niedergegangen ist. Das Landesamt für Umwelt hat die Einschläge nun dokumentiert. Demnach werden hier deutlich mehr Himmelskörper beobachtet als in anderen Regionen Europas.

Von Christian Sebald

Am 6. April 2002, gegen 22 Uhr, rast eine Feuerkugel durch den Nachthimmel über den bayerischen Bergen. Dazu ertönt dumpfes Donnergrollen. Das Spektakel ist so unheimlich, dass sich die Polizei vor Notrufen kaum retten kann. Geologen fasziniert es noch heute. Denn es war ein 300 Kilo schwerer Meteorit, der da mit aberwitzigen 75.000 Stundenkilometern auf die Erde zugerast ist.

Als er die Atmosphäre erreichte, wurde er unvorstellbar heiß, leuchtete strahlend hell auf und zerbarst in etliche Brocken, die alle nahe Schloss Neuschwanstein einschlugen. Einen davon kann man heute im Rieskrater-Museum im nordschwäbischen Nördlingen bewundern. Wissenschaftler sagen, hätte in dieser Nacht nicht zufällig Nordwind geherrscht, hätten die Brocken womöglich Schloss Neuschwanstein getroffen.

So viele Schlagzeilen der Neuschwansteiner Meteorit seinerzeit machte, er ist längst nicht der einzige Himmelskörper, der in der jüngeren Vergangenheit auf Bayern niedergegangen ist. Folgt man dem Geologen Roland Eichhorn und seinen Mitarbeitern am Landesamt für Umwelt (LfU), dann werden in Bayern sogar deutlich mehr Meteoriteneinschläge beobachtet als in anderen Regionen Europas.

"Zwischen 1768 und 2012 sind nach Augenzeugenberichten sicher acht Meteorite auf Bayern gefallen", schreiben Eichhorn und seine Co-Autoren in ihrem neuen Buch "Nicht von dieser Welt - Bayerns Meteorite", in dem sie alle diese Einschläge akribisch dokumentieren. Statistisch gesehen hätten es nur zwei sein dürfen.

Die allerwenigsten Einschläge werden bemerkt

Tatsächlich sind freilich noch sehr viel mehr Meteorite auf Bayern niedergegangen als die acht dokumentierten. Denn die allerwenigsten Einschläge werden bemerkt. Tagein tagaus treffen Tausende staubkörnchengroße bis kilogrammschwere Himmelskörper auf die Erde, schreiben Eichhorn und Co.

Zählt man nur alle, die mehr als hundert Gramm wiegen, dann kommt man für die vergangenen 242 Jahren auf 700 Himmelskörper, die Bayern getroffen haben. Eine Folge davon ist, so die LfU-Wissenschaftler, dass der Freistaat pro Jahr etwa sieben Kilo an Gewicht zulegt. Dass sich das Ganze weitgehend unbemerkt abspielt, hat damit zu tun, dass Meteoriteneinschläge seit Menschengedenken keine ernsthaften Schäden hinterlassen haben.

Der einzige, der in eine Katastrophe - und zwar in eine gigantische - mündete, ereignete sich vor 15 Millionen Jahren. Bei der Kollision zweier Asteroide im Asteroidengürtel von Jupiter und Mars wurde ein gewaltiger Meteorit mit einem Durchmesser von 1,5 Kilometern in Richtung Erde geschleudert.

Genau genommen waren es sogar zwei. Der andere war aber sehr viel kleiner. Die beiden kreuzten etliche Male die Erdbahn, bis sie im heutigen Nördlinger Ries einschlugen und im Umkreis von hundert Kilometern alles Leben auslöschten. Die Katastrophe ist so gut erforscht, dass man sie im Minutentakt nachvollziehen kann - wie die LfU-Wissenschaftler in ihrem Buch vormachen.

Es gibt freilich auch Einschläge, die sich kein Forscher erklären kann. So ein Fall hat sich im September 1998 in Augsburg ereignet, genauer auf einer Straße zwischen den Stadtteilen Inningen und Haunstetten. Ein Spaziergänger hat dort angeblich einen 1,2 Kilogramm schweren Eisenmeteoriten entdeckt. Jedenfalls präsentierte er ihn stolz vor Fachleuten.

Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass der Brocken eine auffallende Ähnlichkeit mit Überresten eines Meteoriten hatte, der 1947 über Ostsibirien niedergegangen war - 11.000 Kilometer von Augsburg entfernt. Misstrauisch unterzogen die Forscher den Augsburger Meteoriten Prüfung um Prüfung.

Nach drei Jahren zogen sie das Fazit, dass der Fund ein Schwindel war - wohl in der Absicht, einen ostsibirischen Meteoritenbrocken zu einem bayerischen zu veredeln und entsprechend teuer an einen Liebhaber zu verscherbeln.

Bayerisches Landesamt für Umwelt: Nicht von dieser Welt - Bayerns Meteorite, Augsburg 2012, 19 Euro, Bestellungen unter www.lfu.bayern.de/geologie oder unter 0821/9071-5002.

© SZ vom 02.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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