Auch wenn die Begebenheit schon drei Jahre zurückliegt - die CSU hat heute noch unter den Spätfolgen von Edmund Stoibers plötzlichem und unerwartetem Rückzug aus Berlin zu leiden. Superminister hätte er im Kabinett Merkel werden können.
Beharrlich hatte er verhandelt, immer mehr Kompetenzen hatte er Merkel für sein Haus abgerungen - um dann, im letzten Moment, doch zu kneifen und als Ministerpräsident in München zu bleiben.
Eine Entscheidung, die mit der Partei nicht abgesprochen war, diese aber in eine tiefe Krise gestürzt hat, an dessen Ende der Verlust der absoluten Mehrheit stand.
In seinem Buch "Edmund Stoiber - Aufstieg und Fall", das gerade im Fackelträger-Verlag erschienen ist, versucht der Münchner Journalist Rudolf Erhard unter anderem Antworten auf die Frage zu finden, wieso Stoiber den Weg nach Berlin nicht gegangen ist.
Sicher, als Ministerpräsident im Freistaat sei man gewiss angesehener als ein CSU-Bundesminister, schreibt Erhard. Auch die öffentliche Auftritte bei High-Society-Events hätten in Berlin sicherlich nicht mehr so oft in den Terminkalendern der Stoibers gestanden wie in München. Hier war das Paar regelmäßig auf diversen Veranstaltungen erschienen.
"Gerade in Stoibers letzten Jahren tauchten auch seine erwachsenen Kinder in den bunten Blättern auf, als gerngesehene Gäste bei bestimmten High-Society-Events", schreibt Erhard. "Die Familie war wohl deshalb auch dagegen, und zwar massiv, als Stoiber, 2005 nach der Wahl, dann doch plötzlich ins Bundeskabinett wechseln wollte."
Ein Grund. Sicherlich. Doch der wohl wahre Grund für Stoibers Rückzug aus der Hauptstadt, so schreibt es Erhard in seinem Buch ab Seite 99, war ein anderer: "Meine Ehe war nach 40 Jahren in Gefahr, meine Frau wäre nicht mitgegangen nach Berlin", zitiert Erhard den ehemaligen Ministerpräsidenten.
Gerüchte über eine angebliche Affäre
Aber warum nicht? Lag es wirklich nur an der Tatsache, dass ein CSU-Bundesminister "daheim einen erheblich geringeren gesellschaftlichen Status als der Ministerpräsident" hat, wie Erhard schreibt? Nein, der BR-Journalist nennt einen anderen Grund: Es soll eine Affäre Stoiber mit einer Bundestagsabgeordneten gegeben haben.
"In München wurde über eine angebliche Affäre Stoibers in Berlin getuschelt", schreibt Erhard. "Sogar bayerische Kabinettsmitglieder sprachen Journalisten darauf an, warum sie denn darüber nichts schrieben." Und ein Kabinettsmitglied soll Stoiber mit dem Satz zitiert haben: "Die Einsamkeit in Berlin hat viele Versuchungen."
Doch mehr als dieses Gerücht hat auch Erhard nicht zu bieten - ein Gerücht, das in Bayern schon seit Jahren die Runde macht. Selbst der Name der Dame wurde von Parteifreunden unter drei immer wieder genannt. Dennoch bleibt es eine Gerücht, das bislang nicht bestätigt wurde. Auch Erhard ist es nicht gelungen. Wie auch, er hat es nicht einmal versucht.
In einem Interview mit der Münchner tz antwortete Erhard auf die Frage, ob er den ehemaligen Ministerpräsidenten auf die Gerüchte angesprochen habe: "Nein, die Peinlichkeit wollte ich ihm ersparen." Denn, so Erhard weiter: "Die Gerüchte waren doch schon öffentlich! Ich habe mit 40 Leuten gesprochen - und jeder wusste von diesen Geschichten über Streit zwischen Edmund und Karin Stoiber vor Zeugen, über andere Vorkommnisse."
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie der ehemalige Wissenschaftsminister Goppel Stoiber verteidigt und mit welcher Reaktion Stoibers der Autor rechnet.
Beim ehemaligen Wissenschaftsminister Thomas Goppel kommt das Verhalten des Autors gar nicht gut an: "Die Tatsache, dass man etwas gesehen hat, heißt noch nicht, dass es geschehen ist", sagte er. "Das trauen viele, die Edmund Stoiber kennen, ihm nicht zu."
Goppel warf Erhard vor, bei der Darstellung der Geschehnisse nicht ausreichend auf Stoibers Blickwinkel eingegangen zu sein. "Bei der Auswahl ist immer die eigene Uhr im Vordergrund gestanden." Goppel räumte Fehler der CSU in der vergangenen Wahlperiode ein, betonte aber, dass dies nicht allein an Stoiber gelegen habe. So habe die CSU nach dem großen Wahlsieg 2003 nicht mehr ausreichend auf den Bürgerwillen geachtet. "Die Anhörungen haben nicht mehr stattgefunden", sagte Goppel.
"Edmund Stoiber war ein höchst unangenehmer Partner für einen Journalisten wie mich", sagte Erhard rückblickend. Ein Sprecher Stoibers sagte auf Anfrage, das Buch sei dem früheren CSU-Chef nicht zur Autorisierung seiner Zitate vorgelegt worden, auch habe der Autor ein Vorabexemplar verweigert.
Doch Erhard beschäftigt sich nicht nur mit Gerüchten und vermeintlichen Affären. Erhard kritisiert auch den Umgang Stoibers mit seinen beiden Nachfolgern Erwin Huber und Günther Beckstein. Stoiber sei nachtragend und habe nichts unternommen, um Beckstein in die Amtsgeschäfte einzuführen. Eine Amtsübergabe habe nicht stattgefunden. "Er hat wortwörtlich gesagt, dass die zwei den Karren in den Dreck fahren werden."
Zudem habe Stoiber am Sturz des CSU-Tandems mit Günther Beckstein und Erwin Huber mitgewirkt, weil er sich für die "Schmach von Kreuth" an den "Putschisten" habe rächen wollen, schreibt der langjährige Landtagskorrespondent des Bayerischen Rundfunks in seinem 222 Seiten langen Werk.
Und wie wird Stoiber auf das Geschriebene reagieren? Auch wenn er sich selbst zu dem Buch noch nicht geäußert hat - Erhard vermutet in einem Interview mit heute.de: "Stoiber ist Profi genug. Er wird nicht begeistert sein, aber all diese Dinge in meinem Buch habe ich ja abgeklärt, alles ist gegengecheckt." Nur eben nicht alles mit dem Betroffenen selbst.