Bröckelndes Schwaben:Millionen-Geschenk für Augsburg

Theater Augsburg

Großes Kino im Theater-Foyer mit Flügel und Kronleuchter: Markus Söder (rechts mit hellem Sakko) und Kurt Gribl verkünden die frohe Botschaft.

(Foto: Stefan Puchner)

Die Staatsregierung pumpt 232 Millionen Euro in die schwäbische Bezirkshauptstadt. Davon sollen das marode Theater und die Schulen saniert und außerdem mehr Kitas gebaut werden

Von Stefan Mayr, Augsburg

Gleich zu Beginn seines Auftritts sagt Markus Söder, warum er gekommen ist: "Großes Kino in Augsburg." Zunächst bleibt unklar, ob er damit die Arbeit des städtischen Theaters meint oder seine eigene Vorstellung. Doch ein paar Sätze später wird deutlich: Es geht vor allem um seine Leistung - respektive die der Staatsregierung. 107 Millionen Euro Zuschuss habe das Kabinett für die Sanierung des baufälligen Theaters bewilligt, sagt der CSU-Finanzminister. "Das ist mehr als die Hälfte der Gesamtkosten", betont er. Applaus brandet auf im Foyer des Großen Hauses. Der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Mittwoch wohnen auch etwa 150 Mitarbeiter und Freunde des Theaters bei.

Was für ein Spektakel. Fehlt nur noch, dass jemand Zugabe ruft. Macht zwar keiner, dennoch setzt Söder einen drauf: Zusätzlich zu den 107 Millionen pumpt der Freistaat weitere 125 Millionen für die Sanierung der maroden Schulgebäude und den Ausbau der Kindertagesstätten nach Augsburg. Söder bezeichnet sein 232-Millionen-Überraschungs-Geschenk als "Kulturbildungs-Paket". Wieder Applaus.

Auch Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) zeigt sich begeistert. Er spricht von einem "Gesamtkunstwerk" mit fast schon historischem Ausmaß: "Das ist ein wichtiger Tag für die Stadt und insbesondere für das Theater Augsburg." Dessen Gebäude befänden sich in einem "schlimmen Zustand", räumt Gribl ein. Nicht zuletzt, weil sich die Stadt Jahrzehnte lang um eine gründliche Renovierung des Großen Hauses gedrückt habe.

Jetzt soll also der große Wurf kommen. In einem ersten Konzept hatte der Münchner Architekt Walter Achatz die Gesamtkosten der Sanierung noch auf 235 Millionen Euro geschätzt. "Diese Summe war für uns zunächst eine unlösbare Aufgabe", berichtet OB Gribl, "das Projekt stand gewisse Zeit auch in Frage." Doch dann machte sich die Stadt daran, die Pläne abzuspecken. Übrig blieben 189 Millionen, davon muss die Stadt immerhin noch 82 Millionen selbst auftreiben. Für Gribl eine machbare Aufgabe. "Wir haben jetzt Planungssicherheit, um Kultur und Bildung mittelfristig bis 2030 weiterzuentwickeln."

Auch Theater-Intendantin Juliane Votteler bewertet Söders Auftritt als restlos gelungen: "Ich freue mich sehr, das hat die Erwartungen weit übertroffen." Anfang 2017 soll der Umbau beginnen, die Planung für die Übergangszeit läuft bereits seit längerem. Das Musiktheater und das Ballett werden wohl in die Kongresshalle am Park wechseln, kündigt Votteler an. Das Philharmonische Orchester spielt dort bereits seit längerem. Das Schauspiel wird in der Brechtbühne bleiben, die 2012 eröffnet wurde und weiterverwendet werden soll. Ob Juliane Votteler in der heißen Umbauphase noch Intendantin sein wird, ist noch offen. Ihr Vertrag läuft 2017 aus. Zuletzt gab es Spekulationen, dass dieser nicht mehr verlängert werden könnte. Dazu wollte sich Votteler am Tag des großen Kinos allerdings nicht äußern.

Offener zeigt sich Oberbürgermeister Gribl bezüglich jener freischaffenden Künstler, die das Vorgehen bei der Theater-Sanierung mit einem Offenen Brief kritisiert hatten. Gribl signalisiert Gesprächsbereitschaft: "Wir werden jetzt sofort den Dialogprozess führen." Darauf werden die 50 Briefunterzeichner auch eingehen. "Wenn jetzt der finanzielle Rahmen für das Gebäude steht, dann muss jetzt auch über die Inhalte gesprochen werden", fordert Sprecher Kurt Idrizovic. Auch er ist sichtlich überrascht über den großzügigen Zuschuss aus München.

Wie die Augsburger diesen an Land ziehen konnten? Eine Rolle hat sicherlich Gribls guter Draht zur Staatsregierung gespielt, dazu kam die Unterstützung des bisherigen Augsburger Finanz-Staatssekretärs Johannes Hintersberger, der soeben ins Sozialministerium gewechselt ist. Gemeinsam haben sie ein ausgeklügeltes Paket geschnürt, dem man die Quer-Subventionierung kaum ansieht. Immerhin hätte die Stadt die 125 Millionen für die Schulen und Kitas ohnehin aufbringen müssen. Dass diese Summe jetzt der Freistaat übernimmt, könnte man auch als elegant versteckten, indirekten zweiten Zuschuss zum Theater-Umbau werten. Jedenfalls muss die Stadt für die Theatersanierung 82 Millionen selbst aufbringen - diese Summe ist für die chronisch klamme Stadt immer noch extrem hoch. Da ist es praktisch, dass bei der ebenfalls überfälligen Sanierung der Schulen ein Riesenbatzen wegfällt. Wie dem auch sei: Die Sanierung respektive Rettung des Theaters kommt in letzter Sekunde. Denn aus Sicherheitsgründen droht dem Großen Haus bereits 2016 die Zwangsschließung. Ansonsten verbietet sich aus Augsburger Sicht jegliches Bekritteln der Finanzspritze. Denn nachdem die Stadt jahrzehntelang in München stiefmütterlich behandelt worden war, bekam sie in jüngster Vergangenheit ein Millionen-Geschenk nach dem anderen.

Allen potenziellen Neidern aus anderen Städten nimmt Söder den Wind aus den Segeln: "Im neuen Landesentwicklungsprogramm wird Augsburg als eine von drei Metropolen Bayerns festgeschrieben", kündigt er an. Allein dies rechtfertige eine bevorzugte Behandlung. "Es gibt auch außerhalb Münchens Großstädte", sagt der Nürnberger. Gelächter. Der Mann weiß, wie man sich beliebt macht. "Ich bin ein Fan von Augsburg", tönt er, "so a bissl von freier Reichsstadt zu freier Reichstadt." Applaus. "Basst scho", brummt Söder. Abgang. Applaus.

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