Brisante Steuer-CD:Geheimnisvoller "Informant" wünscht sich Diamanten

Brisanter Fall für Bayerns Behörden: Ein Datenhändler will Steuerhinterzieher entlarven - und neben Klunkern auch eine neue Identität.

Kassian Stroh und Mike Szymanski

Behörden sind diskret, für diese hier gilt das ganz besonders. In der Münchner Sophienstraße residiert das Landesamt für Steuern, ein imposanter Bau in der Innenstadt mit dicken Mauern. Er gleicht einer Festung. Im Referat St43 arbeiten die ganz Verschwiegenen, die Steuerfahnder. Es ist die Abteilung der Jäger. Und die Jäger haben Witterung aufgenommen.

Auch den bayerischen Behörden sind Daten angeblicher Steuerhinterzieher zum Kauf angeboten worden. Im Landesamt für Steuern wird seit zwei Monaten geprüft, ob der Informant der Bayern sich womöglich nur wichtig machen will oder ob tatsächlich das große Geld der Steuersünder lockt. Seither sind die Beamten in der Sophienstraße noch verschlossener.

Eine andere Steuersünder-CD war wohl jeden Euro wert - das Land Nordrhein-Westfalen hatte sie in Rücksprache mit dem Bund einem Informanten für 2,5 Millionen Euro abgekauft. Die Ermittler rechnen nun mit Nachzahlungen von mehr als 400 Millionen Euro. Wer hätte nicht gerne eine solche CD?

Die Antwort ist keineswegs einfach, das zeigen Recherchen der Süddeutschen Zeitung. Der Fall aus Bayern zeigt, wie ein Unbekannter seit Wochen die Regierung mit einem verlockenden Angebot in Versuchung bringt und dabei immer schwerer zu erfüllende Bedingungen stellt - bis hin zur Aufnahme in das staatliche Zeugenschutzprogramm. Es geht dabei auch darum, ob man mit jemandem Geschäfte machen darf, der womöglich kriminell ist.

Wer ist dieser Unbekannte? In internen Gesprächsrunden ist nur vom "Informanten" die Rede. In der Steuerverwaltung gibt es einen Kontaktmann, bei dem sich der Unbekannte meldet. "Alles ganz geheim", sagt einer, der mit dem Fall befasst ist. Noch nicht mal die Zuständigen im Finanzministerium wissen, wie der Mann heißt, wo er wohnt, woher er kommt.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte sich der Informant das erste Mal bei den bayerischen Behörden gemeldet. Der Kontakt riss ab, doch Anfang Februar, als ganz Deutschland über die NRW-CD debattierte und darüber, ob der Staat solche Daten kaufen dürfe, meldete er sich erneut.

Die CD, die er den Fahndern anbietet, soll Daten von angeblich 1500 Personen enthalten, die Geld in Luxemburg vor dem Fiskus versteckt haben sollen. Damit ihm die Fahnder auch glauben, übermittelte er vier Stichproben. "Anfüttern" nennt man diese Phase der Geschäftsanbahnung, die Fahnder sollen neugierig werden.

Alle vier Datensätze waren nach Informationen der SZ Treffer, auch wenn zwei der vier Steuersünder den Behörden schon bekannt waren. Vier Fälle von angeblich 1500 - das reicht noch lange nicht, um beurteilen zu können, wie ergiebig die CD tatsächlich ist. Mindestens zehn Prozent der Daten wollen die Fahnder sehen. Aber nun, da die Behörden neugierig geworden sind, stellt der Informant Bedingungen.

Wie die SZ erfuhr, verlangt er, ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden: Das bedeutet einen neuen Namen, eine neue Wohnung, eine neue Identität. Außerdem will er neuerdings Straffreiheit in Deutschland und Luxemburg zugesichert haben. "Davon war anfangs nicht die Rede", berichtet der Insider. Die Steuerbehörden haben bereits Kontakt mit dem Landeskriminalamt aufgenommen.

Zum Dank: Diamanten

Das Zeugenschutzprogramm dient eigentlich dazu, wichtige Zeugen in Prozessen zu schützen, wenn befürchtet werden muss, dass sie durch ihre Aussage in Lebensgefahr geraten. Das kennt man von Verfahren aus der organisierten Kriminalität. Was aber veranlasst den Informanten, mit seinem bisherigen Leben zu brechen?

Das Beschaffen der Daten macht ihn jedenfalls nicht zum Schwerverbrecher. Jetzt fragen sich die Beamten und Politiker im Ministerium: Was hat er womöglich getan, um an die Daten heranzukommen? "Wir haben große Bedenken, die CD zu kaufen", heißt es auf den Fluren.

Es ist nicht nur das: Wie die SZ weiter erfuhr, hat das Ministerium angeblich auch schon theoretisch den Fall durchgespielt, dem Informanten den Lohn für die Daten in Form von Diamanten auszuhändigen. Denn der Mann will, dass keine Spur zu ihm führt: keine Überweisung, keine Geldscheine, die man markieren kann. Diamanten wären so eine Lösung.

Ähnlich wie im Fall aus NRW steht eine Summe von zweieinhalb Millionen Euro zur Diskussion, die der Unbekannte offenbar verlangt. Mittlerweile ist ein Treuhandkonto bei einem Notar im Gespräch. Dennoch: Die Skepsis im Finanzministerium wächst von Woche zu Woche. "Der Informant spielt ein eigenartiges Spiel mit uns", heißt es dort.

Derweil wächst der Druck auf Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU). Ministerpräsident Horst Seehofer hatte verfügt, die Entscheidung über den Ankauf der Daten obliege allein dem Finanzminister. Damit wollte er verhindern, dass das Kabinett oder gar der Landtag mit der Frage befasst wird und somit die FDP mitreden könnte, die einen Kauf ablehnt. Nun spielt Fahrenschon auf Zeit. "Die Steuerverwaltung prüft die angebotenen Daten sorgfältig! Wir lassen uns von niemandem unter Druck setzen."

Das ist alles, was der Minister hierzu sagt - seit Wochen. Jede weitere Stellungnahme lehnt sein Ministerium ab. Ginge es nach der FDP, hätte sich Bayern schon längst auf bequeme Art des Problems entledigt. Wirtschaftsminister Martin Zeil hatte in einem Schreiben an Seehofer und Fahrenschon appelliert, den Ankauf solcher Daten dem Bund zu überlassen. Baden-Württemberg war kürzlich so verfahren. Dort hatte die schwarz-gelbe Landesregierung vor allem auf Drängen der FDP den Kauf einer offenbar illegal beschafften Steuer-CD abgelehnt. Der Bund soll nun einspringen.

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