Brennerbasistunnel:Strich auf der Landkarte

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In Bayern geht nichts voran: Während die Österreicher ihren Teil des Brennerbasistunnel bald fertig haben, ist der Widerstand in Deutschland enorm. Jetzt will der Bund mit den Planungen für den Brennerzulauf beginnen. Doch es droht noch eine neue Front gegen das Projekt.

Heiner Effern

Nach jahrelangem Zögern will die Bundesregierung mit der Planung für den Zulauf zum Brennerbasistunnel auf deutscher Seite beginnen. Verkehrsminister Peter Ramsauer und seine österreichische Kollegin Doris Bures unterzeichneten in Rosenheim am Freitag eine Vereinbarung, den Ausbau der Gleise in enger Abstimmung voranzutreiben.

Klicken Sie auf das Bild, um die Karte zu vergrößern. (Foto: SZ-Grafik)

Allerdings starten die Minister unter gegensätzlichen Voraussetzungen: In Deutschland gibt es für das Projekt, das etwa 2,6 Milliarden Euro kosten soll, bisher nichts als einen Strich mit einem Filzstift über eine Landkarte, der eine mögliche Trasse markieren soll. In Österreich wird der Ausbau bis zum Tunnelportal in Innsbruck in den kommenden Jahren weitgehend abgeschlossen. Nur der Anschluss nach Bayern steht noch aus. Doch im Inntal formiert sich bereits der Widerstand.

Peter Ramsauer, als Oberbayer bestens mit der knapp 100 Kilometer langen Strecke zwischen München und dem Grenzort Kiefersfelden vertraut, bekennt sich nun ausdrücklich zum Ausbau. "Der Brennerzulauf ist wirtschaftlich wichtig für Deutschland, Österreich und Italien. Europa wächst damit weiter zusammen." Verkehrsministerin Bures sieht in der Vereinbarung ein klares Bekenntnis zum Ausbau des umweltfreundlichen Schienenverkehrs "und zum Brennerbasistunnel im Speziellen".

Die Hauptphase für den Brennerbasistunnel begann offiziell am 18. April 2011. Die Röhre unter dem Pass hindurch von Innsbruck nach Franzensfeste in Südtirol soll 55 Kilometer lang werden; rechnet man die unterirdische Anbindung in Tirol hinzu, sind es sogar 64 Kilometer. Der Tunnel ist Teil der europäischen Hauptverkehrsstrecke Berlin-Palermo, nach offiziellen Angaben soll er 2025 fertig sein. EU-Koordinator Pat Cox kam eigens nach Rosenheim, um die Unterstützung für das Projekt zu bekunden.

Die EU soll 40 Prozent der Kosten beitragen, die offiziell mit zehn Milliarden Euro angegeben werden, ohne Finanzierung. Im Moment laufen die Bohrungen für Erkundungsstollen und seitliche Zufahrtstunnels, die großen Arbeiten am Hauptstollen sollen 2016 beginnen.

Die neue Bahnstrecke soll den Brennerpass vom Güter- und Personenverkehr entlasten - allein zwei Millionen Lkw quälen sich pro Jahr über die Brennerautobahn. Statt bisher 200 Züge sollen künftig etwa 400 pro Tag auf der Strecke fahren können.

Verkehrsministerin Bures aus Wien glaubt trotz der Euro-Krise, dass das Großprojekt nicht an der Finanzierung scheitern werde. Sie nimmt in der EU ein Umdenken wahr, weg vom Sparen, hin zum Investieren: "Die Erkenntnis, dass wir zwar die Budgets sanieren müssen, aber gleichzeitig auch einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung brauchen, setzt sich durch." Ihr Land hat in Tirol schon 2,5 Milliarden Euro investiert. 32 der bald fertigen 40 Kilometer verlaufen in Tunnels. Die Strecke zwischen Kundl und Innsbruck dient aber auch der Ost-West-Verbindung in Österreich.

Die haben in toller Weise vorgemacht, wie so etwas geht. Solche Standards erwarten wir auch bei uns", sagt Wolfgang Berthaler aus Flintsbach, Sprecher der Bürgermeister im bayerischen Inntal. Sie sind allesamt CSU-Mitglieder, und mit ihrem CSU-Verkehrsminister schon im Vorfeld heftig aneinandergeraten, als Ramsauer zwischen München und Kufstein nur einen Tunnel ankündigte - im Münchner Umland. Man werde konstruktiv mitarbeiten, aber auch "mit Argusaugen" die Planung verfolgen, kündigt Berthaler an. Um dann klarzustellen, dass es "einen Volksaufstand" im bayerischen Inntal geben werde, wenn die erwarteten zwei neue Gleise einfach neben die schon bestehenden gebaut würden.

Berthaler und seine von Lärm und Abgasen geplagten Kollegen haben aufmerksam zugeschaut, wie die Tiroler Bürgerversammlungen mitten auf der Inntalautobahn abhielten, um auf ihre Probleme hinzuweisen. Eine blockierte Hauptverkehrsroute durchs Inntal zu Ferienzeiten sei schließlich für niemanden angenehm, deutet Berthaler an. Die Lokalpresse schrieb beim ersten Aufeinanderprallen von Ramsauer und den Inntalern schon von "Inntal 21".

Doch noch eine zweite Front droht den Planern des Brennerbasistunnels. Und die wird von einer Seite errichtet, an die man beim Ausbau einer Schienenstrecke nicht gleich denkt: den Umweltschützern. Ihre Kritik ist grundsätzlicher Art: Die Grünen in Bayern, Tirol und Südtirol, Umweltverbände wie der Bund Naturschutz und Anliegergruppen wie die bayerische Inntalgemeinschaft halten den Brennerbasistunnel für ein unsinniges Großprojekt ohne entscheidenden Nutzen für die Umwelt.

Die Kritik beginnt bei der Finanzierung, nicht einmal die veranschlagten zehn Milliarden Euro seien gesichert, sagt Toni Hofreiter (Grüne), Chef des Verkehrsausschusses im Bundestag: "Allein der Brennerbasistunnel kostet inklusive Finanzierungskosten etwa 24 Milliarden Euro - die Zulaufstrecken nicht mitgerechnet." Zudem liege kein Konzept vor, wie der Verkehr auf die Schiene gebracht werden solle. "Wir lehnen das Gesamtvorhaben daher nach wie vor entschieden ab", sagte auch Richard Mergner, der Landesbeauftragte des Bunds Naturschutz. Dringender sei der Ausbau der Zulaufstrecken zum Gotthard-Basistunnel und zur Tauern-Bahnachse.

© SZ vom 16.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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