Brechtbühne Augsburg:Frankensteins Schnitzel

Brechtbühne Augsburg: Gibt es In-vitro-Fleisch im Kühlschrank? Das Smart Home weiß alles. Szene auf der Brechtbühne in Augsburg.

Gibt es In-vitro-Fleisch im Kühlschrank? Das Smart Home weiß alles. Szene auf der Brechtbühne in Augsburg.

(Foto: Jan-Pieter Fuhr)

Rebekka Kricheldorfs Komödie "Das Haus auf Monkey Island" bringt die großen Fragen der Gegenwart auf den Tisch.

Von Sabine Leucht

Ein Mann im Bademantel kniet neben einer Winkekatze, hebt das Pfötchen und fragt: "Bin ich tatsächlich das Beste, was aus mir zu machen war? Oder bin ich die Summe meiner Versäumnisse?" Später wird sich Andrej Kaminskys Hannes deutlich zerknautschter noch einmal in dieser Situation befinden, einer Antwort auf seine Frage kaum nähergekommen. Aber das Thema Selbstperfektionierung hat zwischenzeitlich Schatten geworfen. Als nur eines von vielen Themen, mit denen Rebekka Kricheldorf in "Das Haus auf Monkey Island" jongliert.

Vier Wissenschaftler sollen eine Werbestrategie für In-vitro-Fleisch entwickeln. Vulgo "dieses arschteure Frankenstein-Schnitzel an den Mann bringen". Dass ihr Auftraggeber sie dafür auf eine Insel fliegen lässt, kommt einem gleich karibisch vor. Katharina Schmidt und Claudia Karpfinger haben für Lukas Joshua Bauereggers Regiedebüt eine cleane Location auf die Augsburger Brechtbühne im Gaswerk gebaut. Der Saugroboter, die vor dem Fenster in Bewegung geratene Südseetapete und die Laborratten, die Hirnforscher Tim (Paul Langemann) über die Bühne trägt, passen besser dazu als die anfangs verbal beschworene Idylle. Ja, vielleicht verrät die Bühne zu früh zu viel von der Überwachungs-Problematik, die den selbsternannten "Fantastic Four des Neuromarketing" erst später schwant.

Und dennoch hört und sieht man ihnen amüsiert beim Klugscheißen, Brainstormen und Sich-selbst-Inszenieren zu: Kristina, der desillusionierten Idealistin im Team, die bei Mirjana Milosavljevic bis zum Schluss undurchschaubar bleibt. Dem Zyniker Hannes, der sich darum sorgt, dass sein Meeresfrüchtesalat auf dem Index landen könnte. Dem scheinbar total professionellen Tim. Und dem Sportjunkie André, den Florian Gerteis praktisch permanent hyperventilieren lässt. Pointendichtes Schreib- trifft auf fast schon routiniert wirkendes Regiehandwerk. So geht zeitgeistkritische Komödie!

Doch der Höhepunkt ist früh erreicht, und mit dem Bröckeln der Fassaden der vier bröckelt der ganze Abend. Mit den Liebligs-Chips im Küchenschrank und dem Lieblingsfrauentyp im Pornokanal triggert das allwissende Smart Home verdrängte Traumata, und den großen Fragen der Gegenwart folgt die psychologische Nabelschau. Schade!

Zur SZ-Startseite

SZ PlusEindrücke vom Festival "Radikal jung"
:Politisch, mutig, bitter - wie Theater Haltung zeigt

Das Festival "Radikal jung" holt Arbeiten des Regienachwuchses nach München und zeigt: Da kommt etwas nach an den Theatern, auch wenn manche Hänger schmerzen - und das Thema Alter überhaupt zu denken gibt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: