Süddeutsche Zeitung

Brauereien in der Corona-Krise:Das Bier wird lack

Geschlossene Gaststätten, abgesagte Volksfeste: Die bayerischen Brauer klagen über große Umsatzeinbußen. Doch die erhofften Hilfen bleiben in der Bürokratie hängen - zum Ärger der Unternehmen.

Von Maximilian Gerl

Die Lage? Schlecht, sagt Monika Fath-Kelling am Telefon. Sie ist Aufsichtsratsvorsitzende der Genossenschaftsbrauerei Weller Erlangen, deren Betrieb im Grunde seit Monaten stillsteht. Man verkaufe zwar in der hauseigenen Wirtschaft ein wenig Essen to go, sagt Fath-Kelling: Das reiche, um Koch und Küchenhilfe zu halten, aber nicht für die übrigen Ausgaben. Und Hilfsgelder habe man, abgesehen von ein wenig "Soforthilfe" im vergangenen Frühjahr, trotz aller Bemühen und Versprechen bislang nicht bekommen. "Das macht mich so wütend", sagt sie. Als ob man in "bürokratischen Mühlen" stecke, "zwischen denen man emotionslos zerrieben wird".

Wenig Geschäft, wenige Hilfen, kaum Perspektiven: Die Klagen von Brauereien häufen sich, viele kämpfen um ihre wirtschaftliche Existenz. Gaststätten sind seit Monaten geschlossen, Volksfeste nur eine Erinnerung und Fassbiere nicht gefragt. Besonders kleine Brauereigasthöfe fürchten, als Mischbetriebe durch alle Raster zu fallen. Und alle Versuche, daran etwas zu ändern, scheinen den Frust in der Branche eher vergrößert als besänftigt zu haben.

Wie groß die Not ist, lässt sich auch daran ermessen, dass Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am Donnerstag Vertreter der Brauwirtschaft zu einem "Brauerei-Gipfel" nach München lud. Aiwanger kennt die Nöte der Branche, er hatte sie sogar schon für mehr oder weniger beendet erklärt: "Wir haben den Durchbruch für bayerische Brauereigaststätten geschafft", teilte sein Ministerium am 11. Januar mit. Auf bayerische Initiative habe der Bund die Antragsvoraussetzungen für die November- und Dezemberhilfe verbessert. Die Kriterien beim Fassbierverkauf würden so geändert, dass Brauereigaststätten sie leichter erfüllen sollten.

In der Praxis indes gehen die Theorien nach wie vor am Bedarf vorbei - und viele Brauereien leer aus. Darauf verweisen auch zahlreiche Brauer in einem offenen Brief: Um November- oder Dezemberhilfe beantragen zu können, müssen demnach Brauereigaststätten weiterhin mindestens 80 Prozent ihres Umsatzes mit der Gastronomie machen. Das sei aber bei vielen nicht der Fall. Hinzu komme, dass der Flaschenbierabsatz die "massiven Umsatzverluste im Gastgewerbe und die Einbußen beim Export" nicht auffangen könne.

Zusätzlich kompliziert wird es in Fällen wie der Genossenschaftsbrauerei Weller in Erlangen. Sie hat sich 2013 gegründet und ist damit zu alt, um die Neustarthilfe für junge Unternehmen zu beantragen. Und von der Bank, sagt Fath-Kelling, bekomme man keine Kredite: "Die warten darauf, dass wir Hilfen erhalten." Ein Teufelskreis. Dabei sitzt das Unverständnis in der Gastronomie ohnehin tief, auch ohne Ringen um Hilfen. Seit November kein Geschäft - das zehrt vielerorts an Nerven und Rücklagen gleichermaßen. Manche Wirte fühlten sich als Bauernopfer der Corona-Politik, als sie zusperren mussten. Inzwischen ist eher vom Kollateralschaden die Rede.

Dass die Hilfsgelder besser und schneller fließen müssen, auch für Brauer, darüber herrschte schon vor Donnerstag Einigkeit. Blieb die Frage nach dem Wie. Vor dem Gipfel verortete Aiwanger die Zuständigkeit jedenfalls beim Bund: Dieser "muss endlich verstehen, dass die bayerischen Brauereigaststätten eine Besonderheit sind und genauso unterstützt werden müssen wie Bäckereien mit angeschlossenen Cafés", sagte er. Ähnlich klingt er nach dem Gipfel: Er werde in Berlin erneut Nachbesserungen bei den Hilfen einfordern. Auch andere Forderungen der Branche unterstützt Aiwanger, etwa eine Ausweitung des Verlustrücktrags auf mindestens zwei Jahre.

Von einem "guten Gespräch" berichtet Stefan Stang vom Verband privater Brauereien. "Wir fühlen uns ernst genommen." Auf einem Folgetreffen wolle man sich auch mit Vertretern des Gesundheitsministeriums darüber austauschen, wie eine verantwortungsvolle Öffnung der Außengastronomie gelingen könne. Außerdem sei es wichtig, dass die Hilfen nun "zeitnah" kämen.

Vom Treffen enttäuscht zeigt sich dagegen die oberfränkische Bundestagsabgeordnete Lisa Badum (Grüne): Es fehlten schlicht die Ergebnisse. Berlin wolle die Brauereigaststätten bei den November- und Dezemberhilfen nicht berücksichtigen - während die Staatsregierung einen Härtefallfonds der Bundesregierung ablehne. "Das ist einfach nur Regierungsversagen." Tatsächlich lässt dieser Fonds, der unter anderem Mischbetrieben helfen soll, auf sich warten. Eine Beteiligung der Länder hatte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) zuletzt abgelehnt. Über eigene bayerische Programme wiederum hatte sich Aiwanger skeptisch geäußert, zum Unmut der Landtagsopposition.

Ebenfalls am Donnerstag legte die FDP im Wirtschaftsausschuss Ideen vor, um das "Chaos bei den Überbrückungshilfen" zu beenden. Die SPD forderte die Staatsregierung auf, Unternehmen kurzfristig mit eigenen Mitteln auszuhelfen. "Es gäbe so viele Möglichkeiten", sagt die SPD-Abgeordnete Annette Karl am Telefon. Gerade um kleine Betriebe müsse man sich kümmern, auch wenn das mehr Mühe mache. "Bayern zeigt immer nach Berlin. Aber manchmal muss man auch selber was tun."

Einen bayerischen Härtefallfonds würde auch Faith-Kelling gutheißen, schließlich ist ihre Genossenschaftsbrauerei in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall. Ansonsten hofft sie vor allem auf eines: bald wieder aufsperren zu dürfen. "Wenn wir anfangen könnten, unser Bier zu verkaufen", sagt sie, "dann könnten wir uns da rausarbeiten."

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SZ vom 26.02.2021/kafe
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