Eigentlich hat Martin Balle an diesem Donnerstag gleich doppelt Grund zur Freude: Der Verleger der Abendzeitung und des Straubinger Tagblatts hat Geburtstag, er wird 62 Jahre alt. Das größte Geschenk macht er sich an diesem Tag selbst: Er hat zur Eröffnung seiner neuen Medienakademie in Straubing eingeladen. In einem würfelförmigen Holzbau will Balle Schulklassen und anderen Interessierten künftig den Wert der Presse für die Demokratie näherbringen. Die Verlegerfamilie habe mehrere Millionen aus ihrem eigenen Vermögen in den Neubau samt Multimedia-Ausstellung investiert, „ein Herzensprojekt“, sagt Balle.
Er könnte also nun eine launige Festrede halten und sich von den Gästen aus Politik, Medienwirtschaft und Kultur für seine philanthropische Ader loben lassen. Aber Balle hat anderes im Sinn. Statt einer typischen Festrede trägt er einen gesprochenen Leitartikel in Überlänge vor. Gerichtet ist der Meinungsbeitrag an die Regierenden. Gerne hätte Balle seine Worte direkt an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gerichtet, doch der hat in Berlin zu tun, Koalitionsausschuss. „Das Bürgergeld ist Geschichte!“, meldet Söder etwa zur selben Zeit aus Berlin, als Balle in Straubing das Wort ergreift.

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Nicht die Bürgergeldempfänger seien das Problem, sagt der Verleger. „Das Problem sind wir, die oberen zehn Prozent.“ Die Vermögenden hätten verlernt, zu teilen und Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Während der Reichtum oben fast ungehindert wachse, sagt Balle, erzeuge die Politik den Eindruck, als wären Arbeitslose an der Krise Deutschlands schuld. „Ein bisschen primitiv, ein bisschen ordinär“ findet das der Medienunternehmer. Auf der Suche nach Gerechtigkeit sei es „absurd, dass man zu den Armen geht und nicht zu den Reichen“. Also zu Menschen wie ihm.
Balle ist promovierter Philosoph. Während sich andere Verleger in Bayern primär um die ökonomische Entwicklung ihrer Zeitungen kümmern und öffentlich kaum in Erscheinung treten, sticht der 62-Jährige durch rege publizistische Aktivität heraus. Regelmäßig erscheinen Leitartikel von ihm in seinen Zeitungen. Mal schreibt er über den Glauben und den Papst, mal über Bundespolitik oder den Krieg in der Ukraine. Er ist ein Verleger, der sich einmischt und die Kontroverse sucht.
Auch am Donnerstag nutzt er die Aufmerksamkeit für einen Appell, der Widerspruch erregt. „Wir müssen auf den Kurs des Friedens zurück!“ Balle warnt vor „Neo-Militarismus“ in der Gesellschaft. Vor dem Hintergrund des russischen Krieges in der Ukraine werde in Talkshows auch hierzulande bereits der Krieg einstudiert, sagt er. „Wollen wir wirklich, dass wir kriegstüchtig werden?“

Der Verleger kritisiert Inszenierungen wie von Markus Söder, der sich in Militär-Outfits mit Drohnen ablichten lasse und auf eine Rückkehr der Wehrpflicht dränge. „In Drohnen wird der andere Mensch nicht mehr als Mensch wahrgenommen“, sagt Balle und warnt vor einer „Vergegenständlichung von Gewalt, die brutal ist“. Das Böse könne nicht mit dem Bösen bekämpft werden.
Anstelle des Ministerpräsidenten antwortet auf der Bühne Söders Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU), der auch Staatsminister für Medien ist. „Es war natürlich wieder typisch Martin Balle“, sagt Herrmann und findet lobende Worte für den Debattenbeitrag. „Der Kopf fängt erst zu denken an, wenn er auf eine Gegenmeinung stößt.“ Aber Herrmann widerspricht Balle in der Frage von Krieg und Frieden ausdrücklich. „Die Stabilität des Friedens wird nicht durch uns gefährdet“, sagt der Minister. Es seien Aggressoren wie Russland, „die eine neue Weltordnung wollen“. Dagegen müsse man sich rüsten.
Dann schlägt Herrmann den Bogen zurück zum ursprünglichen Anlass, der neuen Medienakademie. Die Ausstellung thematisiert auch die Unterdrückung der freien Presse durch die Nazi-Diktatur. Er gehe heute mit einem anderen Gefühl durch eine solche Schau, als er das vor zehn oder fünfzehn Jahren getan hätte, sagte der CSU-Politiker. „Was man da sieht, das wiederholt sich.“

