Brandanschläge in Vorra:Ermittlungen am Stammtisch

Brandanschläge in Vorra: So sah es aus nach dem Brandanschlag von Vorra am 12. Dezember 2014. Die mit roter Farbe gesprayte Parole wurde inzwischen beseitigt.

So sah es aus nach dem Brandanschlag von Vorra am 12. Dezember 2014. Die mit roter Farbe gesprayte Parole wurde inzwischen beseitigt.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)
  • Kriminalhauptkommissar Bruno Meixner aus Nürnberg hat nach den Brandanschlägen auf drei entstehende Asylbewerberunterkünfte in Vorra ein Büro in der fränkischen Gemeinde eingerichtet.
  • Bisher wurden Hunderte Spuren gesichert und ausgewertet.
  • Viele Menschen kamen in Meixners Sprechstunde, aber eine heiße Spur haben die Ermittler noch nicht.

Von Olaf Przybilla, Vorra

Im "Tatort" mit Maria Furtwängler ist es ja so: Auf dem Land passiert was und dann setzt sich also die Kommissarin aus der Großstadt ins Auto und fährt hinaus in die Provinz. Belässt es aber nicht dabei, sondern quartiert sich gleich im Ort des Geschehens ein, um Kontakt zu halten mit Land und Leuten. Und um womöglich zu verstehen, was die Provinz im Innersten zusammenhält. Eine schöne Idee. Aber halt nur am Sonntagabend in der ARD. Kommissare, die sich ihr Büro im Dorf einrichten? Das ist was fürs Fernsehen.

Bruno Meixner, 53 Jahre alt, Kriminalhauptkommissar in Nürnberg, sieht das genauso. Er kennt zwar den Tatort mit Furtwängler nicht. Aber wenn man ihm davon erzählt, fängt er an zu lachen. "Sehen Sie, das ist der Grund, warum ich mir so was nicht anschaue", sagt Meixner, "lass' mich doch nicht veralbern." Sonderkommissionen arbeiten gewöhnlich in stickigen, dem normalen Arbeitsalltag einer Polizeidienststelle mühsam abgerungenen Diensträumen mit Zimmerpflanze. Von Ermittlerbüros in beschaulichen Fremdenverkehrsörtchen hat Meixner noch nie gehört. Bis er jetzt sozusagen selbst den Bann gebrochen hat. Acht Tage nach dem Brandanschlag auf drei entstehende Asylbewerberhäuser im fränkischen Vorra richtete sich der Kommissar ein Büro in dem Örtchen ein. Im Rathaus, dort wo normalerweise der Archivar die Akten der Gemeinde sortiert. Schräg gegenüber vom Bürgermeisterbüro.

Brandanschläge in Vorra: Der Kommissar hat sich in den vergangenen sechs Wochen ein Büro im Rathaus der Gemeinde eingerichtet.

Der Kommissar hat sich in den vergangenen sechs Wochen ein Büro im Rathaus der Gemeinde eingerichtet.

(Foto: Olaf Przybilla)

Hunderte Spuren sind ausgewertet

In der Nacht zum 12. Dezember 2014 brannten in der Gemeinde Vorra drei Gebäude, in die demnächst etwa 70 Flüchtlinge hätten einziehen sollen. An einer der Außenwände fanden die Ermittler ein mit roter Farbe gespraytes Hakenkreuz. Und den nicht nur orthografisch schauderhaften Schriftzug "Kein Asylat in Vorra".

Bis heute wurden Hunderte Spuren gesichert und ausgewertet. Eine zersplitterte Scheibe, durch die der oder die Täter in eines der Häuser gelangten, um dort mit Hilfe von Brandbeschleunigern Feuer zu legen, wurde in ihren Einzelteilen auf einem Stück Pappe angeordnet. Jeder einzelne Splitter wurde auf Spuren untersucht. Einen Treffer in einer der Datenbanken der Polizei aber gab es bisher nicht. Und auch sonst gibt es weiter keine heiße Spur.

Man kümmerte sich um den Kommissar

Ob Meixner es geahnt hat, dass die Suche so schwierig sein würde? Er habe es sich abgewöhnt, solche Überlegungen anzustellen, sagt er. Was er aber ahnte am Tag nach dem Anschlag: dass eine Sonderkommission (Soko) eingerichtet wird; dass diese kaum schnellen Erfolg haben dürfte und also über Weihnachten arbeiten muss; und dass es ihn womöglich trifft. Kurz vor Heiligabend sagte ihm sein Chef, der Soko-Leiter, dass er da eine Idee habe. Eine ungewöhnliche. Ob sich Meixner nicht einquartieren könnte im Rathaus von Vorra?

Ein paar Tage später brachte ihm ein Mann aus der Ortschaft einen Weihnachtsplätzchenteller mit Mandarinen ins Rathaus. Weil er doch jetzt über die Feiertage im Örtchen Vorra bleiben müsse, etwa 60 Kilometer von seiner Heimat entfernt. "Ist man schon gerührt", sagt Meixner.

Meixner wartet noch auf die heiße Spur

Sechs Wochen hat sich der Kommissar in dem Dorf in der Hersbrucker Schweiz eingerichtet. Und eigentlich hat er jeden Tag wieder aufs Neue gehofft. Gerade am vergangenen Freitag, seinem letzten Tag in Vorra. Dass plötzlich einer kommt und sagt, er müsse jetzt doch noch sein Gewissen reinigen. Er wisse da nämlich was oder ahne es doch zumindest. Oder einer am Stammtisch des Ortes - wo Meixner ganz bewusst Stammgast war - zu plaudern beginnt, womöglich nicht ahnend, dass er was Entscheidendes beitragen kann.

Oder einer was in den Briefkasten am Rathaus einwirft, auf dem "Soko Vorra" steht. Oder ihn einer anonym auf dem Handy anruft, dessen Nummer jetzt Wochen lang überall im Ort aushing. Bis Freitag, 18 Uhr, war Meixner in Vorra. Wer ihn am Donnerstag fragte, wie man sich so fühlt, wenn man am Ende halt doch mit ziemlich leeren Händen dasteht nach all dem Aufwand, dem antwortete der Kommissar: Gerade auf diesen Freitag, kurz vor Dienstschluss, hoffe er noch. Es kam dann aber nichts.

Interesse an der Aufklärung des Falls

Wobei sich Meixner nicht über zu wenig Hilfe oder gar Beachtung beschweren will. Selbst am Stammtisch habe ihm nie einer, auch nicht zu vorgerückter Stunde, einen blöden Spruch reingedrückt. Der Mann mit den Mandarinen kam sogar zweimal vorbei. Und über mangelndes Interesse an seiner Sprechstunde, jeden Tag zwischen 16 und 18 Uhr, könne er sich ebenso nicht beklagen. Einmal brachte ein Vater seinen Sohn mit, geradezu reingeschleppt habe er ihn, sagt Meixner. Auf einem der Brandvideos, die ihm mehrere Bürger zum Auswerten überreicht haben, glaubte der Vater seinen Sohn erkannt zu haben. Aus irgendwelchen Gründen schöpfte der Vater Verdacht. War aber dann nichts. Es gab auch etliche Hinweise, dass der eine oder andere Bewohner sehr unsympathische, um nicht zu sagen widerwärtige Reden schwingt, wenn er nachts zu lange in der Wirtschaft hockt. Eine heiße Spur aber? Fehlanzeige.

Nach sechs Wochen Vorra glaubt Meixner auch zu wissen, dass das verschiedentlich gezeichnete Bild vom Musterdorf, in dem sich alle auf 70 Flüchtlinge in ansprechend ausgebauten Häusern freuten, kaum der Realität entspricht. Er habe mehrmals Vorbehalte gehört, dass so viele Flüchtlinge in einem Kernort von weniger als 1000 Einwohnern womöglich schwer zu integrieren sein könnten. Nur, sagt der Kommissar, halte er das für eine ehrliche Haltung ihm gegenüber. Für einen Verdacht, dass jemand aus Vorra eine rechtsextremistisch motivierte Tat begangen haben könnte, reiche das beileibe nicht aus. "Nicht mal im Ansatz", sagt Meixner.

Brandanschläge in Vorra: Kommissar Bruno Meixners Diensthandynummer wurde überall im Dorf bekannt gemacht.

Kommissar Bruno Meixners Diensthandynummer wurde überall im Dorf bekannt gemacht.

(Foto: Olaf Przybilla)

Und die Naziparolen, die Einwohner des Ortes aus einer Hütte am Waldrand gehört haben? Die Hütte gehört einer Auswärtigen, die Spur wurde abgeklärt, sie führte nicht weiter. Man könne und dürfe übrigens nicht ausschließen, dass sich da jemand die Handschrift eines Nazis nur ausgeliehen hat, um eine falsche Fährte zu legen, sagt Meixner. An diesem Montag kehrt er zurück zur Soko Vorra nach Nürnberg, als einer von dort 30 Ermittlern. Frustriert? "Ich bin mir ziemlich sicher: Wir werden den Fall noch lösen", sagt Meixner.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: