SZ-Brachvogel:Schnepfinger ist zurück in der Heimat

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Der Große Brachvogel ist eine Schnepfenart und bevorzugt Flusstäler oder Moore. (Foto: Frank Derer)

Der SZ-Brachvogel legt auf seinem Rückflug aus dem südspanischen Winterquartier ein erstaunliches Tempo vor.

Von Christian Sebald, München

Satte 2148 Kilometer in etwa 36 Stunden: Wenn auf den letzten Kilometern alles gut gegangen ist, hat Schnepfinger einen rekordverdächtigen Heimflug hingelegt. Den ganzen Montag über hat sich der Große Brachvogel noch im südspanischen Nationalpark Coto de Doñana getummelt. Auch am Abend gab es keine Anzeichen, dass er in der folgenden Nacht zurück ins niederbayerische Königsauer Moos aufbrechen wird.

Doch dann, um 23 Uhr, ist Schnepfinger urplötzlich losgeflogen. Und zwar direkt nach Norden. "Zwei Stunden später hatte er hundert Kilometer hinter sich gebracht", sagt Friederike Herzog vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). "Da war klar, dass das kein Ausflug ist, wie er sie die Tage zuvor unternommen hat. Sondern der Heimflug."

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Durch ein Forschungsprojekt ist der Große Brachvogel mit einem GPS-Sender ausgestattet. Dadurch wird klar, welche Route er nimmt - und ob er zurück in seine niederbayerische Heimat kommt.

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Das vorläufig letzte Signal des Senders auf Schnepfingers Rücken stammt von Mittwochvormittag zehn Uhr. Da war er im schwäbischen Rain am Lech. "Das ist nur 120 Kilometer vom Königsauer Moos entfernt", sagt Herzog. "Seit Mittwochmittag dürfte Schnepfinger wieder in Niederbayern sein." Für gewöhnlich brauchen große Brachvögel zwischen zwei und fünf Tagen für so eine Riesenstrecke.

Doch der Reihe nach: Schon seit Anfang März waren Herzog und die anderen Biologen, die an dem Große-Brachvogel-Forschungsprojekt des LBV mitarbeiten, gespannt, wann Schnepfinger denn nun endlich den Heimflug antreten wird. Mehrmals am Tag beobachteten sie an ihren Computern, was er in seinem Überwinterungsgebiet im Mündungsgebiet des Guadalquivier treibt. Schnepfinger trägt, wie die anderen Brachvögel in dem Forschungsprojekt, einen hochmodernen GPS-Sender auf dem Rücken. Das winzige Gerät übermittelt via Handynetz stündlich exakte Aufenthaltsdaten des Tieres in die LBV-Büros im mittelfränkischen Hilpoltstein. Anhand der Daten wollen die Forscher nicht nur herausbekommen, was die von Aussterben bedrohten Vögel in ihren Winterquartieren alles treiben. Sondern vor allem, was ihnen auf den Hin- und Heimflügen so alles widerfährt.

Bis Montag tat sich bei Schnepfinger freilich nur wenig. Einzig und allein die kurzen Ausflüge, die der Brachvogel zuletzt in der Umgebung des Nationalparks Coto de Doñana unternommen hat, deuteten darauf hin, dass er sich auf seinen Heimflug vorbereitet. Der letzte führte ihn am Sonntagabend 45 Kilometer weit ins Hinterland des Nationalparks in die Nähe von Sevilla. "Da dachten wir schon, jetzt startet er durch", sagt Herzog. "Aber dann ist er doch wieder umgedreht, am Montag gegen zwei Uhr morgens war er zurück in seinem angestammten Überwinterungsgebiet." Keiner im LBV hat erwartet, dass Schnepfinger in der folgenden Nacht endgültig losfliegt.

Dass es dann so kam, ist nicht die einzige Überraschung. Auch mit der Rekordgeschwindigkeit, die Schnepfinger hingelegt hat, hat Herzog nicht gerechnet. Teilweise war er bis zu 90 Stundenkilometer schnell. Am Dienstagmorgen gegen sieben Uhr, nach acht Stunden Flugzeit also, hatte Schnepfinger schon 450 Kilometer hinter sich gebracht und war bei Madrid. Dort ist er nach Nordosten abgebogen und in den nächsten sieben Stunden 600 Kilometer weit an die katalonische Mittelmeerküste geflogen.

Für die 200 Kilometer übers Mittelmeer ins Rhônedelta brauchte er dann drei Stunden. Im Mündungsgebiet der Rhône, das ein einzigartiges Vogelschutzgebiet ist, legte er seine einzige Rast ein. Sie dauerte nur fünf Stunden. "An dem kleinen Brackwassersee, an dem er gelandet ist, dürfte er erst nach Würmern und anderem Kleingetier gesucht haben", sagt Herzog. "Danach hat er wohl ein wenig geruht." Aber nicht lange. Am Dienstagabend gegen 22 Uhr ist er wieder losgeflogen.

Am Mittwoch gegen zwei Uhr nachts war Schnepfinger bei Grenoble. Hier hat er den Kurs gewechselt. Anstelle weiter direkt nach Nordosten über die französischen Alpen hinweg in Richtung Bayern zu fliegen, hat er einen Schwenk nach Norden gemacht und die hohen Berge umflogen. Gegen vier Uhr morgens war er nahe Genf, zwei Stunden später bei Bern. Von dort ging es weiter in Richtung Zürich, dann über den Bodensee in die Gegend von Ravensburg. In diesem Abschnitt flog Schnepfinger teilweise mit Tempo 90. Um neun Uhr morgens überflog er dann nahe Ulm die schwäbisch-bayerische Grenze.

Gegen zehn Uhr morgens erreichte die Biologin Herzog das bisher letzte Signal von Schnepfingers Sender. Es kam aus Rain am Lech. "Ab da war offenbar das Handynetz zu schlecht, als dass das Gerät weitere Signale hätte übertragen können", sagt die Biologin. "Oder der Akku war zu schwach." Wie auch immer, Herzog ist sich ziemlich sicher, dass Schnepfinger um die Mittagszeit herum in seiner Heimat im Königsauer Moos angekommen ist. "Da wird er sich erst einmal richtig ausgeruht haben", sagt Herzog. "So einen rasanten Rückflug hat noch keiner von unseren Brachvögeln hingelegt."

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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