Wir blicken hier gleich ins schöne Volkach, wo sich eine, hm, offenbar intellektuell herausfordernde Person in einer Boykottdrohung gefallen hat. Ihre Forderung: Lasst die Grünen nicht in die Weinstube „Torbäck“! Und wenn doch: Boykott!
Aber ehe man sich diesem Fall von sublimer Geistesausübung zuwendet, hier zunächst ins lauschige Wunsiedel, wo gewitzte Bürger im November 2014 en passant eine der fabelhaftesten zivilgesellschaftlichen Ideen der Nachkriegsgeschichte ins Werk gesetzt haben. Zur Erinnerung: Weil da das Grab von Rudolf Heß aufzufinden war, vom Hitler-Stellvertreter also, trafen sich dort alle Jahre wieder allerlei Top-Nazis. Angeblich, um zu gedenken.
Heute kann man’s ja zugeben: Beim Anblick dieses Zeremoniells sehr haarfreier Herrschaften konnte man eine astreine Ernsthaftigkeit mitunter nur mit Mühe aufrechterhalten. Tat es aber natürlich trotzdem. Bis 2014. Da ging das einfach nicht mehr: Für jeden gelaufenen Meter der Marschierer floss in jenem Jahr Spendengeld an ein Aussteigerprogramm – eine Initiative, die dabei hilft, mit jenem Geistesgut zu brechen, das da in Stiefeln auf Wunsiedels Straßen unterwegs war.
Insgesamt 250 Heß-Freunde waren’s am Ende, die am gewiss unfreiwilligsten Spendenlauf der Republik teilnahmen. Wie sie da liefen, Stiefelschritt für Stiefelschritt. Und wie man mit jedem ihrer Schritte klingende Münzen zu hören glaubte, pling, pling, pling – wer da in einem unbeobachteten Moment nicht in die Armbeuge kicherte, musste Selbstbeherrschungsgenie sein.
Zurück nach Volkach. In dem anonymen Schreiben an die Wirtsleute des „Torbäck“ heißt es, die Weinstube habe den Grünen, dieser, Zitat, „kriminellen Partei“, eine Plattform gegeben. Gemeint ist damit offenbar ein offener Stammtisch. Sollte die Stube den Grünen noch einmal „Unterschlupf“ gewähren und also deren „Machenschaften“ unterstützen, so werde das Gasthaus boykottiert.
Oskar Schindlers Nichte:"Mein Gott, wie die Menschen ausgesehen haben!"
Vor 50 Jahren starb Oskar Schindler, der in der NS-Zeit 1200 Juden das Leben rettete. Seine Nichte Gertrud Ferrari erinnert sich an ihren Onkel, den Lebemann. Und wie sie als Kind dabei war, als ein Zug voll halb erfrorener Gefangener ankam.
Wer das angeblich tun wird? Da ist die Formulierung jetzt wichtig: „Wir Volkacher Bürger“.
Tja, mit dem „wir“ – und der Selbstwahrnehmung – ist es so eine Sache. Die Volkacher jedenfalls tun nun genau das Gegenteil: Seit das Schreiben bekannt geworden ist, hat sich der Stadtrat – die demokratische Verkörperung eines tatsächlichen „Wir“ – einfach mal abends im „Torbäck“ getroffen. Und auch sonst ist das Haus jetzt offenbar besonders gut gefüllt.
Volkach ist übrigens herausragend gut geeignet für Ausflüge: An der Mainschleife gelegen, angenehm unaufgeregte Menschen, sanfte Weinhügel, gemütliche Gasthäuser. Eines davon ist eben jener „Torbäck“.
Hallo – das ist jetzt aber Werbung! Könnte man so sehen. Einem Boykottaufruf aber gegen ein Wirtshaus, das Demokraten eine Heimstatt zum Diskutieren bietet – dem sollte doch schon der angemessene Erfolg vergönnt sein. Oder?