Süddeutsche Zeitung

Landesausstellung:Bayern, Böhmen und Barock

Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg widmet sich zusammen mit dem tschechischen Nationalmuseum in Prag wieder einmal der ewigen Familiensaga. Was Besucher im kommenden Jahr erwartet.

Von Sebastian Beck, Regensburg

Das Haus der Bayerischen Geschichte richtet seinen Blick wieder einmal nach Osten. "Barock! Bayern und Böhmen" lautet der Titel der nächsten Landesausstellung, die am 10. Mai 2023 in Regensburg beginnt und am 8. Dezember 2023 in das tschechische Nationalmuseum nach Prag umzieht. Die Schau spannt einen Bogen über das Jahrhundert zwischen 1623 und 1723 und damit über eine Zeit, die mit dem Schrecken des Dreißigjährigen Krieges, aber auch mit dem Neubeginn nach dem Westfälischen Frieden von 1648 in Verbindung gebracht wird.

Die Beschäftigung mit dem bayerisch-böhmischen Kulturraum ist für das Haus der Bayerischen Geschichte und seinen Direktor Richard Loibl fast schon zu Tradition geworden: Im Jahr 2003 machte in Amberg "Der Winterkönig" Friedrich V. den Anfang, danach folgten 2007 "Bayern und Böhmen" in Zwiesel und 2017 das deutsch-tschechische Gemeinschaftsprojekt Kaiser "Karl IV.", das 190 000 Besucher nach Nürnberg und Prag lockte.

Die tausendjährige Familiensaga von Bayern und Böhmen ist damit noch längst nicht auserzählt. Im kommenden Jahr dreht sich alles um das Thema Barock, wobei der Begriff nicht nur eine Stilrichtung in der Kunst, sondern eine ganze Epoche kennzeichnet, in der die Vergänglichkeit des Menschen allgegenwärtig war.

Projektleiter Peter Wolf sagte bei der Vorstellung des Konzepts am Mittwoch in Regensburg, man wolle auf die gemeinsame Geschichte aus zwei verschiedenen Perspektiven blicken: Während in Bayern mit dem Begriff Barock vor allem die zahllosen Kirchen und Schlösser in Verbindung gebracht werden, ist der tschechische Blick auf die Epoche zumindest ambivalent. Das mag daran liegen, dass der Dreißigjährige Krieg mit dem Prager Fenstersturz von 1618 seinen Anfang nahm und zwei Jahre später nur unweit der Stadt in der Schlacht am Weißen Berg seinen ersten grausigen Höhepunkt fand. Damals unterlag das böhmische Heer den bayerischen und kaiserlichen Truppen - ein Trauma der tschechischen Geschichte bis heute. "Ein Art Urkatastrophe" Europas sei das gewesen, befand Wolf.

Dem Baustil ist ein thematischer Schwerpunkt gewidmet

Obwohl in Europa ein scheinbar endloser Krieg wütete, breitete sich in Bayern wie in Böhmen ein neuer Baustil aus Italien aus: der Barock. Ihm und seinen Baumeistern wie der Familie Dientzenhofer oder Balthasar Neumann ist ein thematischer Schwerpunkt der Landesausstellung gewidmet, für die 50 Leihgeber vor allem aus Bayern und Tschechien Exponate zur Verfügung gestellt haben.

Die Jahre 1623 und 1723 markieren in der Landesausstellung gewissermaßen die Anfangs- und Endpunkte: 1623 übertrug Kaiser Ferdinand II. auf dem Regensburger Fürstentag die pfälzische Kurwürde samt Oberpfalz auf Bayerns Herzog Maximilian - als Belohnung für die militärische Hilfe in Böhmen. Hundert Jahre später, 1723, wurden Kaiser Karl VI. und seine Gemahlin Elisabeth Christine in Prag als böhmisches Königspaar gekrönt, womit die Habsburger ihren Herrschaftsanspruch über Böhmen festigten. Zur Feier wurde eine eigens komponierte Oper in einem Theater für 4000 Menschen aufgeführt, begleitet von Gelagen, die zeigen sollten: Hier herrscht einer von Gottes Gnaden. Barocke Pracht auf ihrem Höhepunkt.

Bayern und Tschechien scheinen nach Jahrzehnten der Funkstille inzwischen wieder innig mit einander verbunden zu sein, jedenfalls lobte Ivana Červenková, die tschechische Generalkonsulin in München, die hervorragende Zusammenarbeit auf allen Gebieten. "Ich glaube, dass die Ausstellung auch politisch ein Zeichen für das Zusammenleben im Herzen Europa wird." Und Richard Loibl sah in der Landesausstellung ein "großes Ereignis für dieses Jahrzehnt".

Thematisch war es von den pathetischen Worten zur Regensburger Kanalisation ein weiter Sprung. Doch Loibl nutzte die Pressekonferenz auch, um seine Energiesparpläne für das Regensburger Museum vorzustellen. Das wird seit der Eröffnung 2019 bereits mit der Abwärme aus dem Abwasser geheizt. Künftig soll auch noch Strom vom eigenen Dach hinzukommen; das Haus der Bayerischen Geschichte wird damit komplett energieautark.

Nach der Zwangspause wegen Corona konnte Loibl aus seiner Sicht sehr erfreuliche Besucherzahlen für 2022 vermelden. Am Ende des Jahres werden voraussichtlich 200 000 Menschen die Dauer- und Sonderausstellungen besucht haben. Davon entfallen 100 000 auf die Dauerausstellung, in der die bayerische Geschichte von 1806 bis in die Gegenwart präsentiert wird. Etwa 50 000 Menschen wurden in der Ausstellung "Wirtshaussterben? Wirtshausleben!" gezählt, die noch bis zum Sonntag, 11. Dezember, geöffnet sein wird. Danach soll die Schau als Wanderausstellung durch den Freistaat geschickt werden.

Ein nach Ansicht von Loibl geradezu sensationeller Erfolg ist die Sonderausstellung aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums der Olympischen Spiele in München 1972. Auch "Bavaria und Olympia. 1896 - 2022" wurde seit Juli von 50 000 Menschen besucht, und es könnten noch wesentlich mehr werden: Die Laufzeit wurde bis zum 11. Juli 2023 verlängert.

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