Der Bodensee ist bestens erforschtes Gewässer, trotzdem kann man mal was übersehen, wie vor Jahren etwa den Tiefseesaibling. Der Fisch war früher typisch für den Bodensee, dann galt er als ausgestorben, bis ihn Forscher 2014 plötzlich wieder in ihren Netzen fanden. Heute gilt der Bestand des Tiefseesaiblings als gesichert, dafür gibt den Forschern nun eine andere Fischart Rätsel auf. Nicht, weil sie plötzlich wieder aufgefunden worden wäre wie der Tiefseesaibling. Sondern weil sie plötzlich kaum mehr zu finden ist.
Der Stichling galt vor allem den Fischern am Bodensee über viele Jahre als Seuche. Er ist kaum als Speisefisch zu verwerten. Und er ist ein Konkurrent für die beliebtesten Speisefische aus dem Bodensee überhaupt, die Felchen, in anderen Teilen Bayerns auch als Renken bekannt. Die Stichlinge fressen ihnen das Zooplankton weg. Und sie fressen auch junge Fischlarven, etwa die der Felchen.
Die Fischer sind deshalb nicht traurig, dass der Stichling plötzlich nicht mehr zu sehen ist. Alle fünf Jahre veranlassen Forscher eine Inventur im See, mehr als 90 Prozent der Fische im Freiwasser machte der Stichling bis Anfang des Jahres aus, heißt es vonseiten der Forscher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Jetzt haben sie bei den jüngsten Befischungen kaum mehr als ein paar Exemplare aus dem Wasser gezogen. Woran das liegt? Der Tiefseesaibling wird kaum sein über Jahrzehnte erprobtes Versteck in dem etwa 250 Meter tiefen See preisgegeben haben. Forscher tippen eher auf eine Pandemie oder einen Parasiten. Die Population der Stichlinge war so groß, dass Krankheiten mit hoher Wahrscheinlichkeit übertragen werden. Vielleicht spielten auch die Hochwasser im Frühjahr und Sommer eine Rolle.
Der Bodensee ist ein, was die Fischerei betrifft, problematisches Gewässer: Für die Felchen gilt inzwischen teils ein Fangverbot, damit sich der Bestand erholt. Erste Erfolge, auch aufgrund des rätselhaften Verschwindens der Stichlinge, sind bereits zu erkennen. Aus Sicht der Fischer und vieler Anrainer am Bodensee wäre es nun noch wünschenswert, dass der Kormoran vielleicht ähnlich rätselhaft verschwindet. Es muss ja nicht gleich eine Pandemie oder ein Parasit sein. Es würde schon reichen, wenn die Politik endlich ein seit Jahren gefordertes Kormoran-Management startet– die Vögel fressen inzwischen deutlich mehr Fische aus dem See, als die Fischerboote mit ihren Netzen fangen.